Zwei Frauen und ein Mann sitzen an einem Tisch und diskutieren

Viele Vorstände und Aufsichtsräte in Deutschland sind noch keine diverse Teams. - (Bild: Adobe Stock/ASDF)

Wen finden Sie sympathischer? Eine Person, die den gleichen sozialen Hintergrund hat wie Sie – oder eine, deren Hintergrund anders ist? Für Dr. Katja Nagel, Geschäftsführerin und Gründerin der Unternehmensberatung Cetacea, ist die Antwort klar. Sie sagt: „Männer stellen lieber Männer ein, die auch mit einer Hausfrau zusammenleben, als eine berufstätige Frau, die vielleicht sogar einen Hausmann hat.“ Denn es sei erwiesen, dass Menschen diejenigen sympathischer finden, die ihnen ähnlich sind.

Nagel hat unter anderem in den Führungsetagen von Siemens, T-Systems und O2 gearbeitet und war dort nach eigener Aussage eine der wenigen Frauen unter Männern. Irgendwann sei es normal gewesen, die einzige Frau zu sein, erzählt sie. Dennoch habe sie sich manchmal wie ein Paradiesvogel gefühlt.

Sie ist nicht der einzige Paradiesvogel in deutschen Unternehmen: In den größten deutschen Konzernen sind heute 36 Prozent der Aufsichtsratsmitglieder Frauen. Die Personalberatung Russell Reynolds hat jetzt in einer Studie veröffentlicht, dass jedoch die Schlüsselpositionen weiterhin von Männern besetzt sind. Simone Bagel-Trah bei Henkel ist demnach die einzige Aufsichtsratsvorsitzende in den 30 DAX-Konzernen. Von den 142 Ausschussvorsitzenden sind nur 17 Frauen.

Vor allem Kinderbetreuung ist ein Problem

In den Vorständen schaut es noch schlechter aus. Der Frauenanteil der 30 DAX-Unternehmen liegt gerade einmal bei 12,8 Prozent. Elf der 30 Konzerne haben nicht einmal eine einzige Vorständin, schreibt die Allbright-Stiftung. Auf unseren Bericht dazu (hier zum Nachlesen) haben sich auch einige Leser gemeldet, die von ihren Erfahrungen berichtet haben. Ein Thema dabei: Schlechte Kinderbetreuungsangebote hindern Frauen daran, Führungspositionen einzunehmen.

Das sieht auch Nagel so. „Die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen sind nicht gut“, sagt sie. In Frankreich gebe es Krippenplätze für Kinder ab drei Monaten und das werde akzeptiert. In Deutschland musste sie sich dagegen viele Kommentare anhören, als sie nach den Geburten ihrer drei Kinder schnell wieder ins Berufsleben zurückgekehrt ist. „Wieso bekommst du ein Kind, wenn du eh nicht zu Hause bist“, fragten Kollegen und Kindergärtnerinnen bemitleideten sie, dass sie arbeiten gehen muss.

Dabei ist die 56-Jährige überzeugt: „Es geht, dass zwei Menschen voll berufstätig sind und trotzdem ein Familienleben haben.“ In ihrem Fall hat sie in der ersten Zeit Unterstützung von den Omas bekommen. Später habe sie trotz Krippenplätze dann noch 20 Jahre lang ein Au-pair-Mädchen gehabt, denn: „Man muss sich gut organisieren und jemanden haben, der die Kinder abholt, wenn ein Termin doch einmal länger dauert“, erklärt die Geschäftsführerin.

Video soll auf Problem aufmerksam machen

Katja Nagel, Geschäftsführerin und Gründerin von Cetacea
Als einzige weibliche Führungskraft hat sich Katja Nagel manchmal als Paradiesvogel gefühlt. - (Bild: Cetacea GmbH)

Von der Politik fordert sie deshalb, das Thema ‚Mehr Frauen in Führungspositionen‘ an der Wurzel zu packen und die Rahmenbedingungen zu ändern. So sollten die Öffnungszeiten der Krippen mehr am Berufsleben orientiert sein und die  Einrichtungen sollten nicht schon um 16 Uhr schließen, so Nagel. Ein weiteres Problem: Kindergärten, die die kompletten Sommerferien geschlossen sind.

In der Öffentlichkeit wird derzeit vermehrt über das zweite Führungspositionengesetz diskutiert. Sie sei nicht für, noch gegen die Quote, sagt Nagel. Für sie sei die Quote einfach nicht die Wurzel des Problems. „Ich selbst habe mich nie als Quotenfrau gefühlt.“

Welche Vorteile eine Frauenquote haben kann und warum sie kommen muss, hat vergangene Woche eine Initiative von Frauen aus unterschiedlichen Branchen auf einer Pressekonferenz erklärt. Mit einem Video und dem Hashtag #ichwill machen die Beteiligten – Männer und Frauen – seit einer Woche auf verschiedenen Social-Media-Plattformen auf das Problem aufmerksam.

In dem Clip zählen sie auf, wie wenig Frauen in Deutschland Vorstandsposten innehaben. „Unternehmensvorstände entscheiden wesentlich über die Entwicklung in diesem Land“, heißt es unter anderem. Und: „Diese Entscheidungen müssen von vielfältigen Teams beschlossen werden. Sie fordern, dass die Bundesregierung Unternehmensvorstände gesetzlich dazu verpflichtet, bei Neueinstellungen mindestens eine Frau zu berücksichtigen. Das ganze Video gibt es hier.

Die Forderungen nach einer gesetzlichen Quote seien „uralt“, sagte zum Beispiel Managerin und Aufsichtsrätin Janina Kugel vergangene Woche auf einer Pressekonferenz der Initiative. Frauen wollen genauso wie Männer in die Führungsetage, bekommen nur seltener die Chance und haben weniger Vorbilder, erklärte sie. Frauen seien auch nicht schlechter qualifiziert oder weniger geeignet. „Freiwilligkeit bringt nichts, wir brauchen gesetzliche Vorgaben“, forderte sie.

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„Es ist ein Riesendilemma, wenn Frauen zu Hause bleiben“

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung sagte, sie habe eine Quotenkarriere gemacht. Soll heißen: Sie sei zu Beginn in Kommissionen gewesen, weil dort Frauen gebraucht worden sind. Das habe sich dann aber mit der Zeit geändert. Jetzt sei endlich die Zeit, auch die Belange der Frauen zu beachten und das zweite Führungspositionengesetz zu verabschieden. Denn es gehe dabei auch um den Abbau der immensen Geschlechterungerechtigkeiten. „Wenn man Frauen bestellen will, dann ist das möglich. Diese Frauen gibt es“, sagte Allmendinger.

In diesem Punkt widerspricht Nagel: Sie höre oft von Unternehmen, die keine Frauen für Führungspositionen finden und „relativ verzweifelt versuchen“, Frauen auf die jeweiligen Jobs zu hieven. Der Grund: Es gebe viele talentierte Frauen, aber durch Mutterschutz und Elternzeit werden sie schnell abgehängt.

Ihr Fazit: „Es ist ein Riesendilemma, wenn Frauen zu Hause bleiben.“ Wenn eine Frau mit zwei Kindern zum Beispiel vier Jahre Pause vom Job macht, dann würde sie von sämtlichen Männern, die die gleichen Qualifikationen haben, überholt werden. Auch deshalb müssten die Rahmenbedingungen verbessert werden, um Job und Familie unter einen Hut zu bringen.

Warum sich Frauen nicht „vermännlichen“ sollten

Für Nagel kommt noch ein weiteres gesellschaftliches Problem dazu: „Männer haben Rituale unter sich, das ist wie ein Fußballclub. Da ist es dann komisch für sie, wenn eine Frau dabei ist“, erzählt sie. Ähnliche Erfahrungen hat auch Isabelle Mang, Geschäftsführerin bei Arno Arnold gemacht. Welche Probleme Männer beim Smalltalk mit Frauen haben, erzählt sie hier.

Und: Es gebe viele Vorurteile. Wenn Männer zum Beispiel viele Frauen in ihrem Umfeld haben, die Hausfrauen sind, gewöhne man sich an das Bild und trage es ins Geschäftsleben mit rein. Machtpositionen haben laut Nagel zudem immer noch eine leicht männliche Konnotation.

Eine Sache sollten Frauen nach Ansicht von Nagel dennoch auf keinen Fall machen: sich „vermännlichen“ und zum Beispiel einen Dutt und Krawatte zu tragen. „Dann haben sie schon fast verloren, weil sie so tun, als ob Männer besser wären“, sagt sie.

Positiver Blick in die Zukunft

Stattdessen sollten Frauen darauf achten, wie sie sich in Bewerbungsgesprächen präsentieren. Nagel erklärt: „Männer würden in einem Vorstellungsgespräch nie sagen, dass sie einen gefährlichen Sport machen, durch den sie auch einmal drei Monate ausfallen könnten. Frauen dagegen sprechen die Familienplanung sofort an und sagen, dass sie ausfallen könnten.“

Ihre weiteren Tipps an Frauen:

  • „Macht den Anfang bei euch selbst. Qualifiziert euch hoch und bewerbt euch dann mit Power auf die Jobs. Fürchtet euch nicht vor Niederlagen.“
  • Wer zu wenig Selbstvertrauen hat, soll das Vorstellungsgespräch zu Hause üben und Muster finden, in denen man sich selbst kleinredet. Denn die gebe es.
  • Und ihre Forderung an hochqualifizierte Frauen: „Erzählt in Bewerbungsgesprächen nicht immer, wie gut ihr organisieren könnt.“

Trotz aller Probleme blickt Nagel positiv in die Zukunft. Der Wandel in den Führungsetagen hin zu diverseren Teams brauche vielleicht noch zehn Jahre, aber er werde kommen. Es brauche aber mehr weibliche Vorbilder, die zeigen, wie es gehen kann. Und: Viele Vorstände seien momentan aus einer Generation, die noch mit anderen Rollenbildern aufgewachsen ist.

Sobald es da einen Wechsel gebe und mehr junge Frauen und Männer die Geschäftsleitungen übernehmen, werde sich das ändern. „Wir müssen aber aufpassen, dass wir es hochqualifizierten Männern nicht schwermachen. Wir müssen da ein Gleichgewicht hinbekommen, keine weiteren Verlierer produzieren, sondern uns gemeinsam stark machen für die Zukunft“, sagt sie.

„Ich bin da optimistisch. Das einzig ärgerliche ist, dass es so lange dauert“, sagt sie. Denn es gebe viel weiblichen Nachwuchs, der in Führungspositionen will. Dafür müssten sich aber die Rahmenbedingungen ändern, um hochqualifizierte Frauen und Männer in diese Positionen zu bringen. Nicht nur die Politik, auch die Unternehmen selbst können dabei etwas tun, sagt sie. Zum Beispiel Arbeitsmodelle prüfen.

Denn aus Erfahrung weiß sie: „Das Arbeitsklima ist viel schöner, wenn man gemischte Teams hat.“ Man sei kreativer, habe unterschiedliche Ideen. Je unterschiedlicher die Teams sind – mit Frauen, Männern, Extrovertierten, Introvertierten und Kreativen und analytisch Denkenden – desto mehr komme man auf unterschiedliche Lösungen.

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