Eine neue Stelle besetzen, obwohl bisher nur männliche Bewerber zum Vorstellungsgespräch eingeladen wurden? Für den designierten Siemens-Chef Roland Busch ein No-go. Sein klares Statement: Ohne wenigstens eine Bewerberin gesehen zu haben, entscheide er nicht. Dass Frauen in technischen Berufen und in Führungsebenen seit Jahren unterbesetzt sind, ist kein Geheimnis mehr. Das Netzwerk „Initiative Chefsache“ hat sich die Chancengleichheit von Frauen und Männern zum Ziel gesetzt. Auf ihrer diesjährigen Jahreskonferenz ging es um die Frage, welche Chancen und Risiken New Work für die Chancengleichheit haben.
Bei Siemens gibt es nach dem Ausscheiden von Janina Kugel und Lisa Davis momentan keine Vorständin. „Eine Momentaufnahme“, wie Busch versichert. Das werde sich bald wieder ändern. Seit 2008 habe es durchgehend eine Frau im Vorstand gegeben.
„An vielen Stellen wollen wir wenigstens eine Frau in der Besetzung haben, wenn es irgendwie geht“, sagte Busch. Bei Siemens habe man auch darüber diskutiert, die Quote auf 50 Prozent zu erhöhen. Das Problem: In technischen Berufen gebe es dafür nicht genügend Bewerberinnen, so Busch.
Siemens setzt auf weibliche Führungskräfte
Dennoch sieht Busch Siemens auf einem guten Weg: Viele führende Positionen werden im Unternehmen mit Frauen besetzt. Als Beispiel nannte er Natalia Oropeza, Chief Cybersecurity Officer & Chief Diversity and Inclusion, und Hanna Hennig, Chief Information Officer. „Wo ich die Chance habe, eine Frau zu finden und einzusetzen, tue ich das auch“, sagte er. Es habe sich außerdem gezeigt, dass Führungsteams mit Frauen erfolgreicher seien, so Busch.
Dennoch: Der Anteil an weiblichen Siemens-Führungskräften liegt bei 45 Prozent, bei technischen Berufen nur bei 16 Prozent. „Daran müssen wir arbeiten“, sagte Busch.
Zur aktuellen Situation erklärte Busch, dass diese vor allem für seine Mitarbeiterinnen eine Herausforderung sei, weil sie sich neben Homeoffice auch um die Kinder kümmern müssen. Er sehe aber auch, dass sich momentan viele Männer und Frauen die Arbeit zu Hause aufteilen müssen. Das sei eine neue Erfahrung für Männer.
Stimmen aus der Wirtschaft: Mehr Frauen in Führungspositionen gefordert
Neben Busch äußerten sich auch andere Führungskräfte zur Chancengleichheit von Frauen und Männern. Ute Wolf, CFO bei Evonik, forderte zwei Frauen in jeder Geschäftsführung und in jedem Vorstand. In Personalabteilungen müsse der „Unconscious Bias“, also die unbewussten Vorteile, die es weiterhin gibt, abgebaut werden, sagte Cornelius Baur, Managing Director Deutschland und Österreich bei McKinsey & Company.
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Allianz-Vorständin Renate Wagner erklärte, es benötige ein neues Schul- und Kindergartenbetreuungssystem, das beiden Elternteilen Karrieren ermögliche. Die Unternehmen denken dabei auch an die künftigen Arbeitsbedingungen: Michael Heinz, CFO bei BASF sagte, die Coronakrise sei der wohl größte Feldversuch in Punkto Flexibilität gewesen. Er sei beeindruckt, wie schnell sich alle an die neue Situation angepasst haben und wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen zusätzlich die Kinderbetreuung gemanagt haben. Deshalb setze man sich derzeit damit auseinander, diese Flexibilität beizubehalten.
Angela Merkel hat null Verständnis für Vorstände ohne Frauen
Nicht nur die Wirtschaft, auch die Politik sieht in Sachen weiblicher Führungskräfte noch Verbesserungsbedarf. „Für Unternehmen, die sich vornehmen, null Prozent Frauen in den Vorstand zu holen, habe ich auch null Toleranz“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der Jahreskonferenz des Netzwerkes. In Sachen Chancengleichheit sei man ein gutes Stück vorangekommen, aber noch längst nicht da, wo man sein wolle. „Parität ist das Ziel“, so Merkel in ihrem Grußwort. Die Bundeskanzlerin ist Schirmherrin der Initiative.
Um die Chancengleichheit zu erreichen, bedürfe es jedoch einen Kulturwandel. Dabei kritisierte Merkel auch ihre eigene Regierung. Der Anteil von Frauen in der höchsten Führungsebene sei im Kanzleramt zwar mittlerweile bei 50 Prozent. „In den obersten Bundesbehörden insgesamt ist der Anteil der Frauen in Führungspositionen allerdings nur spärlich auf 36 Prozent angewachsen“, sagte die Bundeskanzlerin.
Auch Siemens-Vorstand Busch sieht noch Potenzial – in der eigenen Familie, wie er lachend erzählte: Bei seiner Tochter sei es ihm nicht gelungen, sie für einen MINT-Beruf zu begeistern. Sie wollte Kommunikation studieren und er habe sie gefragt, ob sie nicht ein Ingenieurs-Studium machen wolle. Sie habe sich dann für Wirtschaftswissenschaften entschieden, so Busch.