Mit 27 trat Heinz Dürr in die Geschäftsführung ein
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Stationen bei AEG, Deutscher Bahn und der Carl Zeiss Stiftung
In den frühen 1970er-Jahren machte sich der stets neugierige Unternehmer in Wirtschaftskreisen einen Namen. Auf Vorschlag Hanns Martin Schleyers wurde Heinz Dürr 1975 Vorsitzender des Arbeitergeberverbands der Metallindustrie Nordbaden/Nordwürttemberg. Mit dem baden-württembergischen IG-Metallchef Franz Steinkühler handelte er innovative Tarifergebnisse aus. „Dass ich mit Franz Steinkühler gemeinsam für eine Modernisierung der Arbeitswelt kämpfte, irritierte manchen im Arbeitgeberlager“, sagte Heinz Dürr später mit einem Schmunzeln.
1980 gab Heinz Dürr die Führung seines Unternehmens ab und wurde Chef beim angeschlagenen Elektrokonzern AEG. Neben der unternehmerischen Herausforderung reizte ihn das technologische Potenzial der AEG. Den überraschenden Wechsel hatte der damalige Bosch-Chef Hans Lutz Merkle eingefädelt. Heinz Dürr führte die AEG durch einen Vergleich und 1985 unter das Dach der Daimler-Benz AG, in deren Vorstand er 1986 eintrat.
Sein eigenes Unternehmen, die Dürr AG, brachte Heinz Dürr 1990 an die Börse. Mit dem Erlös wurde der Applikationstechnikspezialist Behr erworben, aus dem die erfolgreiche Lackierrobotersparte von Dürr hervorging.
1991 übernahm Heinz Dürr auf Bitte von Bundeskanzler Helmut Kohl den Vorstandsvorsitz der Deutschen Bundesbahn – ähnlich wie bei der AEG eine Aufgabe im Licht der Öffentlichkeit. Mit der Bahnreform trieb er die Zusammenlegung von Bundesbahn und Reichsbahn und den Wandel vom Staatskonzern zum Dienstleitungsunternehmen Deutsche Bahn AG voran. 1997 wechselte der damals 64-Jährige in den Aufsichtsrat der Bahn, den er bis 1999 leitete. Von 1999 bis 2003 war Heinz Dürr Stiftungskommissar der Carl Zeiss Stiftung.
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Das verstand Dürr unter "Unternehmen als gesellschaftliche Veranstaltung"
Das am Gemeinwohl orientierte Selbstverständnis von Heinz Dürr als Unternehmer führte zurück zu Ernst Abbe und Walther Rathenau, den historischen Unternehmerpersönlichkeiten bei Zeiss und der AEG. Auch auf den früheren Chef der Deutschen Bank, Hermann Josef Abs, bezog sich Heinz Dürr, ebenso auf den Philosophen Odo Marquard und dessen Diktum „Zukunft braucht Herkunft“.
Sein wirtschaftliches Denken kreiste um den Begriff des „Unternehmens als gesellschaftliche Veranstaltung“. Ein Unternehmen sei der Gesellschaft und seinen Mitarbeitenden verpflichtet, so das Credo von Heinz Dürr. „Es muss ordentliche Produkte und Dienstleistungen liefern, die von der Gesellschaft gebraucht werden. Es soll sich um die Menschen im Unternehmen kümmern und dafür sorgen, dass diejenigen, die dem Unternehmen Geld geben, eine ordentliche Rendite erhalten.“
Heinz Dürr wandte sich gegen die Lehre der reinen Gewinnmaximierung: „Den Satz des Ökonomen Milton Friedman, dass es die einzige soziale Verantwortung der Unternehmen sei, ihre Gewinne zu vergrößern, unterschreibe ich nicht.“ Gewinn sei, so Heinz Dürr, kein Selbstzweck, „sondern eine Messgröße, ob die gesellschaftliche Veranstaltung Unternehmen funktioniert. Aber er muss sein, sonst fällt das Unternehmen jemandem, meist dem Steuerzahler, zur Last.“
Heinz Dürr verstand sich als überzeugten Mittelständler. Für ihn bedeutete Mittelstand „personale Führung statt technokratischer Führung. Der Chef kennt seine Leute und redet mit ihnen.“ Mitarbeitern riet der Schwabe Dürr stets zur Bescheidenheit: „Wer glaubt etwas zu sein, hört auf, etwas zu werden.“
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Er beschäftigte sich mit Themen wie Digitalisierung und KI
Von 1990 bis 2013 war Heinz Dürr Aufsichtsratsvorsitzender der Dürr AG. Seit 2006 vertritt Prof. Dr. Dr. Alexandra Dürr, eine der drei Töchter von Heinz und Heide Dürr, die Familie mit deren Aktienanteil von 29,7 Prozent im Aufsichtsrat. Heinz Dürr war dem Unternehmen als Ehrenvorsitzender des Aufsichtsrats bis zuletzt eng verbunden, schreibt der Konzern in einer Pressemitteilung. Häufig besuchte der in Berlin lebende Unternehmer Standorte im In- und Ausland. Mit Leidenschaft und einem großen Fundus an Erinnerungen und Anekdoten engagierte sich Heinz Dürr für das im Jahr 2022 gefeierte 125-jährige Jubiläum „seines“ Unternehmens.
Seine Frau Heide war für Heinz Dürr nach dessen Aussage immer die wichtigste Beraterin. Mit ihr gründete er 1998 die Heinz und Heide Dürr Stiftung, die sich auf Artikel 14 des Grundgesetzes beruft: „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Förderschwerpunkte der Stiftung sind Wissenschaft und Forschung, frühkindliche Bildung und deutschsprachiges Theater.
In den vergangenen Jahren beschäftigte sich Heinz Dürr intensiv mit den Themen Energieeffizienz, Digitalisierung und Künstliche Intelligenz. Der Vielleser schätzte den österreichischen Schriftsteller Thomas Bernhard und hat selbst drei Bücher geschrieben („In der ersten Reihe – Aufzeichnungen eines Unerschrockenen“, 2008, „Über das Alter – Ein Gespräch mit Cato über Jugendwahn, Weisheit und Vergänglichkeit“, 2011, „Alter Mann, was nun? Zwischenrufe aus der letzten Reihe“, 2020). Darin reflektierte er mitunter augenzwinkernd über seine Karriere und das Älterwerden. Heinz Dürr arbeitete bis ins hohe Alter in seinem Büro am Berliner Gendarmenmarkt und war in der Bundeshauptstadt ebenso vernetzt wie in seiner schwäbischen Heimat.
Künstliche Intelligenz - verständlich erklärt
Ob in der Industrie oder im privaten Umfeld - Künstliche Intelligenz ist in aller Munde. Doch was bedeutet Künstliche Intelligenz. Wir beantworten in diesem Artikel die wichtigsten Fragen zu diesem Thema.
"Der Dürr-Konzern mit seinen über 20.000 Beschäftigten trauert um Heinz Dürr. Er hat die Weichen für unseren heutigen Erfolg gestellt und war bis ins hohe Alter Vorbild und Integrationsfigur", sagt Dr. Jochen Weyrauch, CEO von Dürr. "Heinz Dürr hat die DNA unseres Unternehmens geprägt – mit Zuversicht, Klugheit, dem Glauben an das Mögliche und großer Nähe zu den Beschäftigten."
Auch über das eigene Unternehmen hinaus habe er Verantwortung übernommen und die bundesdeutsche Wirtschaftsgeschichte mitgestaltet. "Heinz Dürr hat als Unternehmer stets über den Tellerrand hinausgeblickt und die Dinge hinterfragt. Das machte ihn zu einer außergewöhnlichen Persönlichkeit mit einem beeindruckenden Interessenspektrum und unstillbarer Neugier", so Weyrauch weiter.
Quelle: Dürr AG