Zwei Männer und zwei Frauen diskutieren zusammen und schauen dabei auf Modelle auf einem Tisch.

Deutschland zählt laut einem Bloomberg-Ranking zu den innovativsten Ländern der Welt. - (Bild: Adobe Stock/Gorodenkoff)

Hat Deutschland eine besonders hohe Innvoationskraft? Geht es nach dem „Bloomberg Innovation Index“ dann lautet die Antwort: Ja. Denn die Wirtschaftsnachrichtenagentur listet die Bundesrepublik bei ihrem aktuellsten Ranking auf Platz eins. Deutschland löst damit Südkorea – Spitzenreiter seit 2013 – als innovativstes Land ab. „In vielen Bereichen ist Deutschland nach wie vor ein innovatives Land – vor allem in den klassischen Bereichen wie Maschinenbau“, sagt Professor Matthias Fifka im Interview mit PRODUKTION. Er ist Vorstand des Instituts für Wirtschaftswissenschaft und Professor für Betriebswirtschaftslehre an der Universität Erlangen-Nürnberg. 

Fifka schränkt aber auch ein: Im IT-Bereich sei Deutschland weniger innovativ und etwas zurückgefallen. Länder wie die USA, aber auch in Fernost oder Skandinavien seien da besser. „Auch in der klassischen deutschen Domäne – der Autoindustrie – sind wir bei der Elektromobilität etwas zurückgefallen, weil wir uns zu lange auf Verbrennungsmotoren verlassen haben“, erklärt der Wirtschaftswissenschaftler. „Da versuchen die Unternehmen jetzt aber aufzuholen.“

Wirtschaftsprofessor Matthias Fifka, der auf einer Bank sitzt.
Deutschland ist in vielen Bereichen weiterhin ein innovatives Land, sagt der Wirtschaftsprofessor Matthias Fifka. - (Bild: Matthias Fifka)

Innovationen seien entscheidender denn je, meint Fifka. Denn sie generieren im internationalen Wettbewerb entscheidende Vorteile. Materielle Ressourcen hingegen seien von immer geringerer Bedeutung.

Durch Corona sind Abläufe in Unternehmen verlangsamt

Doch wie wird Deutschlands Innovationskraft nach der Corona-Pandemie aussehen? Wird die Krise das Innvovations-Ranking durcheinander wirbeln? „Die Coronakrise wird die Innovationsfähigkeit nicht hemmen“, beruhigt Fifka. Zwar seien Abläufe in Unternehmen verlangsamt oder gar zum Stillstand gekommen, aber Innovation sei kein Routineprozess, der dadurch gestoppt werde. „Vielleicht sind hier und da sogar einige neue Ideen oder Ansätze entstanden, weil viele Mitarbeiter nicht in der täglichen Arbeitsroutine gefangen waren und diese Freiheit Innovation schaffen kann“, sagt Fifka.

Andererseits wird es durch die momentane Pandemie nicht mehr Innovationen geben. Der Wirtschaftsprofessor erklärt: „Ich denke nicht, dass die Coronakrise an sich ein genereller Innovationsbeschleuniger sein wird, von Impfstoffen oder Apps einmal abgesehen. Sie kann sich aber indirekt auswirken, weil von staatlicher Seite viel Geld für die konjunkturelle Stabilisierung und Belebung in die Hand genommen wird. Wenn dies in zukunftsorientierte Technologien oder nachhaltige Entwicklung investiert wird, können Innovationen dadurch gefördert werden.“

Mercedes Benz will auch in der Krise weiter innovativ bleiben

Ein Blick in die Praxis bestätigt Fifkas Einschätzungen: Bei Mercedes Benz werden strategische und Zukunftsprojekte auch während der Coronakrise weiter verfolgt, erklärt ein Sprecher der Konzernforschung auf Nachfrage. Als Beispiel nennt er die neue S-Klasse, die ab September in der neuen „Factory 56“ in Sindelfingen produziert werden soll. „Diese hochmoderne Produktionsstätte setzt unter den Stichworten digital, flexibel und nachhaltig konsequent und flächendeckend auf innovative Technologien und Prozesse bei der Fahrzeugproduktion“, sagt der Sprecher.

Projekte, die bedingt durch die Kurzarbeit ruhen mussten, seien inzwischen wieder angelaufen. Nicht pausiert haben dem Sprecher zufolge die Zukunftsthemen rund um Nachhaltigkeit, Effizienzsteigerungen in Prozessen sowie Digitalisierung. „Innovationsfähigkeit ist eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Zukunft unseres Unternehmens“, so der Sprecher. Das Ziel bleibe daher ganz klar eine emissionsfreie Mobilität. Dazu sollen auch die Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung mit eingebunden werden. Mercedes Benz will dabei wissen, was in den vergangenen Woche erfolgreich anders gemacht wurde und was deshalb unbedingt beibehalten werden sollte.

Webasto will Kundenlösungen umsetzen

Innovation und Flexibilität gehört beim Zulieferer Webasto zum Teil der DNA, sagt Technologievorstand Matthias Arleth. „Aber aufgrund von Kurzarbeit und dem derzeit notwendigen Fokus auf der Sicherung unseres finanziellen Handlungsspielraums konzentrieren wir uns aktuell – je nach Kunden und Region – auf Entwicklungsprojekte, die sich kurz- und mittelfristig auszahlen, ohne den Fokus auf die fernere Zukunft in Gänze zu verlieren“, erklärt er gegenüber PRODUKTION.

In den vergangenen Jahren habe das Unternehmen im Rahmen viel Zeit, Geld und Energie in die Entwicklung neuer Geschäftsbereiche investiert. Diese Innovationen für die Elektromobilität – vor allem Batteriesysteme, Ladelösungen und Thermosysteme – sollen jetzt in Kundenlösungen umgesetzt werden. Trotz Corona und Kostendruck soll weiter die nachhaltige Entwicklung des Kerngeschäfts und der neuen Geschäftsfelder vorangetrieben werden, so Arleth.

Dabei werde der Innovationsprozess bei Webasto einerseits von internen Anforderungen aus Vertrieb, Technik, Produktion und anderen Abteilungen getrieben. Andererseits kommen Impulse von außen durch Mobilitätstrends und Informationen von Kunden, Lieferanten, Veranstaltungen, Entwicklungspartnern und Startup-Plattformen, erklärt der Technologievorstand. Dass Webasto auch in der Krise an seinem Kurs festhalte sei eine Herausforderung, „aber unbedingt notwendig, um die Mobilität von morgen mitgestalten zu können.“

Matthias Arletz, Technologievorstand bei Webasto, der Anzug und Krawatte trägt.
Für Matthias Arleth, Technologievorstand bei Webasto, gehört Innovation zur DNA des Unternehmens. - (Bild: Webasto Group)

Kuka sieht Innovation als Mindset

Auch bei Kuka hat die Innovationsfähigkeit nicht gelitten, wie eine Sprecherin des Unternehmens erklärt. Viele Mitarbeiter aus dem Bereich Forschung und Entwicklung haben in den vergangenen Wochen von zu Hause aus gearbeitet. „Da dieser Bereich aber auch schon vor der Corona-Krise dezentral agiert hat und Projekte über digitale Wege hinweg abgewickelt wurden, ist man hier das virtuelle Zusammenarbeiten gewöhnt und F&E-Projekte konnten und können wie geplant weiterlaufen“, erklärt die Sprecherin.

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Kuka hat jedoch beobachtet, dass Automotive-Kunden aufgrund der Pandemie Projekte verschieben und ihre Investitionsentscheidungen verzögern. Das Augsburger Unternehmen geht davon aus, dass die Auswirkungen der Pandemie den Konzern im ersten Halbjahr begleiten. Der Roboterhersteller will sich jedoch weiter auf seine Stärken konzentrieren und auf seine Innovationskraft setzen. So will das Unternehmen in den kommenden drei Jahren rund eine halbe Milliarde Euro in Forschung und Entwicklung investieren. „Innovation ist für uns ein Mindset. Es umfasst nicht nur Produkte, sondern auch Arbeitsmodelle, Tools für die Zusammenarbeit oder neue Formate“, erklärt die Sprecherin.

Exateq: Viele Anfragen, aber schwache Projektlage

Auch Start-ups wie Exateq aus der Oberpfalz setzen auf Innvationen. „Als Sondermaschinenbauer haben wir trotz Corona eine ganze Reihe von Anfragen bekommen, die für uns Innovation bedeuten“, sagt Mitgründer Gerry Knoch. Dennoch: Innovation falle nicht vom Himmel, sondern brauche Zeit. Auch wenn es viele Anfragen gebe, die Projektlage sei dennoch schwach. „Wir bauen Überstunden ab und haben ein Auge auf die Urlaubstage. Es bleibt ‚freie‘ Zeit, in der wir uns mit der Produktentwicklung beschäftigen“, erklärt Knoch.

Gerry Knoch, der Anzug und Krawatte trägt.
Gerry Knoch, Mitgründer des Start-ups Exateq, erklärt, Innovation brauche Zeit und falle nicht vom Himmel. - (Bild: rmwerbefotografie.de)

Es seien auch Projekte verschoben worden. Besonders nachteilig seien die Zahlungsverzögerungen bei laufenden Projekten, deren Ende verzögert werde.

Viele Unternehmen befürchten derzeit zudem eine zweite Welle an Infektionsgeschehen. Wirtschaftsprofessor Fifka hat eine klare Meinung dazu: „Eine zweite Welle kann man sich eigentlich schlicht und einfach nicht leisten, denn die finanziellen Mittel, also was der Staat leisten kann, sind erschöpft.“ Ein zweiter Lockdown in ähnlichem Umfang wäre wirtschaftlich kaum zu bewältigen, auch weil der Staat sein Pulver schon verschossen habe. Das sei ein Fehler gewesen.

Ausblick: So könnte die wirtschaftliche Entwicklung weitergehen

Gibt es keine oder nur eine kleine zweite Welle, wird es eine gute wirtschaftliche Erholung im Herbst geben, erklärt Fifka weiter. Allerdings werde es auch vermehrte Insolvenzen geben. „Im Moment können einige Unternehmen aufgrund der staatlichen Hilfsmaßnahmen noch überleben, aber da sind eben nur lebensverlängernde Maßnahmen. Laufen diese aus, kommt es zum Exitus“, ist er sich sicher.

Gesamtwirtschaftlich wird das BIP laut Fifka wohl zwischen fünf und sieben Prozent zurückgehen. „Das ist schon gravierend“, erklärt er. Aber:  Im Vergleich zu anderen Ländern wie Spanien, Italien oder auch Frankreich werde es Deutschland bessergehen, weil der Staat leistungsfähiger sei und auch weil viele Unternehmen solider seien. Unter den Leidtragenden werde Deutschland also ein Land sein, das mit am wenigsten leiden werde.

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