Industrie unter Druck, Bau am Boden

Stärker als erwartet: Deutsches BIP bricht im Q2 2025 ein

Die deutsche Wirtschaft verliert im zweiten Quartal 2025 spürbar an Schwung. Besonders Industrie und Bau enttäuschen noch stärker als gedacht – trotz Konsumplus bleibt der Aufschwung aus.

Veröffentlicht Geändert
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist aktuell eher trist.
Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist aktuell eher trist.

Was verraten die BIP-Zahlen über die Lage?

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist das zentrale Maß für die wirtschaftliche Entwicklung eines Landes. Im 2. Quartal 2025 schrumpfte die deutsche Wirtschaftsleistung gegenüber dem Vorquartal um 0,3 %. Damit fiel der Rückgang stärker aus als zunächst angenommen. Noch zum Jahresbeginn war ein moderates Wachstum von 0,3 % zu verzeichnen gewesen – ein Hoffnungsschimmer, der sich nicht verstetigen konnte.

Nach neuen Daten des Statistischen Bundesamts korrigierte sich das Bild: Industrie und Bau entwickelten sich schlechter als erwartet. Die überarbeiteten Ergebnisse werfen ein deutlich nüchterneres Licht auf die Konjunktur im Sommer 2025 – mit Konsequenzen für Industrie, Bauwirtschaft und den Außenhandel.

Welche Sektoren stecken besonders tief in der Krise?

Die größten Bremsspuren hinterlässt erneut das Baugewerbe: Hier sank die Bruttowertschöpfung im Quartalsvergleich um satte 3,7 Prozent. Während zu Jahresbeginn milde Witterung für einen optimistischen Start sorgte, zeigte sich nun das wahre Ausmaß der konjunkturellen Schwäche.

Gleichzeitig erwischte es auch das Verarbeitende Gewerbe. Nach einem Aufwärtstrend im 1. Quartal folgte ein Rückgang um 0,3 Prozent – nahezu alle Bereiche waren betroffen. Lediglich die Herstellung von Kraftwagen und Sonstigem Fahrzeugbau blieb stabil im Plus.

Auch im Dienstleistungssektor ist das Bild gemischt. Handel, Verkehr und Gastgewerbe verzeichneten ein Minus von 0,6 Prozent, während öffentliche Dienstleistungen, Bildung und Gesundheit leicht zulegten. Information, Kommunikation und Unternehmensdienstleistungen konnten sogar um jeweils 0,5 Prozent wachsen.

Ein Blick in die Außenhandelsbilanz bestätigt das durchwachsene Bild: Während Dienstleistungsexporte um 1,4 Prozent zulegten, gingen die Warenexporte um 0,6 Prozent zurück – unterm Strich stagnierte der Export mit einem leichten Minus von 0,1 Prozent. Gleichzeitig legten die Importe kräftig um 1,6 Prozent zu – ein Ungleichgewicht, das die wirtschaftliche Dynamik zusätzlich dämpft.

Warum trügt das Bild beim privaten Konsum?

Zwar stiegen die gesamten Konsumausgaben im Quartalsvergleich um 0,3 Prozent, doch der private Konsum blieb mit +0,1 Prozent hinter den Erwartungen zurück. Noch zur Schnellmeldung war ein robusteres Wachstum vermutet worden. Die spätere Auswertung – insbesondere durch die Daten des Gastgewerbes – revidierte diesen Hoffnungsschimmer.

Einzige Ausnahme bleibt der Staatskonsum, der mit +0,8 Prozent gegenüber dem Vorquartal einen stabilisierenden Effekt auf das BIP ausübte. Im Jahresvergleich zeigten sich die Konsumausgaben jedoch resilienter: Die privaten Haushalte gaben inflationsbereinigt 1,2 Prozent mehr aus, insbesondere für Lebensmittel und Getränke.

Doch dieser Konsumanstieg täuscht über eine sinkende Sparneigung hinweg. Die Sparquote fiel im Vergleich zum Vorjahr von 10,8 Prozent auf 9,7 Prozent – ein Hinweis darauf, dass die Haushalte trotz steigender Einkommen mehr ausgeben müssen, um den Konsum aufrechtzuerhalten.

Wie hart trifft der Investitionsrückgang die Wirtschaft?

Ein besonders kritisches Signal sendet der Investitionssektor: Bruttoanlageinvestitionen sanken um 1,4 Prozent – nach einem leichten Plus zu Jahresbeginn. In Maschinen, Fahrzeuge und Geräte (Ausrüstungen) wurde 1,9 Prozent weniger investiert, in den Bau sogar 2,1 Prozent weniger.

Im Jahresvergleich setzte sich der Negativtrend fort: Die Investitionen gingen preisbereinigt um 1,9 Prozent zurück. Besonders deutlich fiel der Rückgang bei Ausrüstungsinvestitionen mit -3,9 Prozent aus. Hier wirkte sich unter anderem ein Rückgang bei gewerblichen Kfz-Zulassungen spürbar aus. Auch im Bau ging es preisbereinigt um 2,9 Prozent bergab – begleitet von weiterhin hohen Baupreisen.

Während der Konsum kurzfristig stabilisieren kann, fehlen langfristig damit die Impulse für ein nachhaltiges Wachstum. Der Investitionsstau entwickelt sich zum ernsthaften Risiko für die Industrieproduktion in den kommenden Quartalen.

Welche Effekte zeigen sich im internationalen Vergleich?

Ein Blick über die Grenzen zeigt: Deutschland fällt im europäischen Vergleich zurück. Während hierzulande das BIP im Quartalsvergleich um 0,3 Prozent sank, legte es in Spanien um 0,7 Prozent, in Frankreich um 0,3 Prozent und in der gesamten EU um 0,2 Prozent zu.

Selbst Italien, traditionell ebenfalls wirtschaftlich angeschlagen, verzeichnete mit -0,1 Prozent ein geringeres Minus. Die Vereinigten Staaten lagen mit einem Plus von 0,7 Prozent sogar deutlich vorn.

Noch deutlicher wird die Differenz beim Vorjahresvergleich: Während Deutschland ein leichtes preis- und kalenderbereinigtes Plus von 0,2 Prozent ausweist, wuchs die Wirtschaftsleistung in der EU insgesamt um 1,5 Prozent.

Diese Diskrepanz verweist auf strukturelle Schwächen der deutschen Wirtschaft – insbesondere die Investitionsschwäche, die Abhängigkeit von Exporten sowie die krisenanfälligen Bau- und Maschinenbaubranchen bremsen den Konjunkturmotor.

Was zeigt der Rückblick auf die Arbeitswelt?

Trotz des BIP-Rückgangs blieb die Erwerbstätigenzahl mit 46,0 Mio. Personen nahezu stabil – ein Anstieg von 10.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings wurden je Beschäftigten weniger Stunden gearbeitet (-0,5 Prozent). Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen schrumpfte damit ebenfalls um 0,5 Prozent.

Gleichzeitig stieg die Produktivität je geleisteter Stunde um 0,3 Prozent, während sie je Erwerbstätigen um 0,2 Prozent sank. Die Arbeitswelt reagiert also mit Effizienzsteigerung bei gleichzeitiger Drosselung der Arbeitszeit – ein Indiz für vorsichtige Personalstrategien in einem unsicheren konjunkturellen Umfeld.

Was steckt hinter der überraschenden BIP-Revision?

Neben der eigentlichen Quartalsmeldung liefert das Statistische Bundesamt auch eine überarbeitete Berechnung der Wirtschaftsentwicklung der vergangenen Jahre – zurück bis 2008. Besonders betroffen: die krisenbeeinflussten Jahre 2020 und 2021.

Grundlage der Revisionen waren neue Daten aus Strukturstatistiken, die Unternehmensumsätze, Investitionen und Kostenstrukturen präziser erfassen. Hinzu kamen verbesserte Preisbereinigungsverfahren und aktualisierte Saison- und Kalenderbereinigungsmodelle.

Gerade die Jahre mit stark schwankenden Preisen – etwa 2022 und 2023 – wurden deutlich korrigiert, teilweise um bis zu 0,7 Prozentpunkte. Auch Geschäftsaktivitäten multinationaler Konzerne flossen nun genauer ein.

Das Resultat: Ein detaillierteres, aber auch komplexeres Bild der wirtschaftlichen Entwicklung – das die Herausforderungen für Politik, Wirtschaft und Industrie noch klarer abbildet.

Welche Chancen bieten sich dennoch?

Trotz der schwachen Gesamtentwicklung gibt es Lichtblicke. Die Branchen Information und Kommunikation sowie Unternehmensdienstleistungen konnten ihre wirtschaftliche Leistung steigern.

Auch der Binnenkonsum – insbesondere getragen durch höhere Löhne und soziale Leistungen – zeigt Potenzial. Der moderate Anstieg des Bruttonationaleinkommens um 3,1 Prozent und ein Plus beim Arbeitnehmerentgelt von 4,8 Prozent sind in einem schwierigen Umfeld nicht selbstverständlich.

Die Zukunft bleibt offen – aber das BIP im 2. Quartal 2025 ist eine klare Mahnung: Ohne Investitionen, Innovationsdynamik und strukturelle Transformation kann der Industriestandort Deutschland im internationalen Vergleich weiter ins Hintertreffen geraten.

Mit Material von DESTATIS

FAQ – Bruttoinlandsprodukt Q2 2025

Was ist im 2. Quartal 2025 mit dem BIP passiert?
Das preis-, saison- und kalenderbereinigte Bruttoinlandsprodukt sank um 0,3 % gegenüber dem Vorquartal.

Welche Branchen haben die größte Rolle beim Rückgang gespielt?
Vor allem das Baugewerbe und das Verarbeitende Gewerbe trugen deutlich zur negativen Entwicklung bei.

Wie entwickelte sich der Konsum?
Die Konsumausgaben stiegen leicht, allerdings fiel der private Konsum schwächer aus als zunächst angenommen.

Was zeigt der internationale Vergleich?
Die deutsche Wirtschaft wuchs langsamer als die meisten anderen EU-Staaten und deutlich schwächer als die USA.

Wurden die BIP-Daten nachträglich überarbeitet?
Ja, die Zahlen wurden durch neue Datenquellen bis zurück ins Jahr 2008 korrigiert – mit teils deutlichen Abweichungen.