Wolfgang Dorst Digitalverband Bitkom Ralph Trinter T-Systems

Wolfgang Dorst vom Digitalverband Bitkom (li.) und Ralph Trinter von T-Systems (re.). - (Bild: T-Systems)

Produktion: Herr Dorst, warum ist Interoperabilität so wichtig?

Wolfgang Dorst: „Industrie 4.0 vernetzt Menschen, Maschinen, Produkte und Prozesse. Und zwar firmen- und branchenübergreifend. Unternehmen verbinden ihre Anlagen untereinander, über Standorte hinweg, mit Partnern und Kunden. Das setzt einen reibungslosen und weitestgehend automatisierten Fluss von Informationen voraus. Das Schlüsselwort hierzu lautet Interoperabilität.“

Produktion: Heißt konkret?

Ralph Trinter: „Die Digitalisierung einer Firma endet nicht an der Werksausfahrt. Eine übergreifende Vernetzung erfordert nicht nur Konnektivität oder sichere Cloud-Plattformen, sondern vor allem auch definierte Schnitt- und Nahtstellen. Dazu bedarf es offener Standards.“

Dorst: „Also Maschinensprachen, die Firmen, Anlagen oder Produkte übergreifend beherrschen und auch von Zulieferern, Subunternehmern oder Partnerfirmen problemlos verstanden werden.“

Leitfaden zum Download

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Der Leitfaden „Interoperabilität im Referenzarchitekturmodell Industrie 4.0 (RAMI 4.0)“ bietet Entscheidern und Fachleuten Hilfestellung. Er ermutigt Firmen zum Handeln. Denn: Warten auf den Industrie-4.0-Standard ist keine Option. Der im Jahr 2017 veröffentlichte Leitfaden beschäftigt sich mit der Frage, wie sich Industrie 4.0 erfolgreich realisieren lässt. Basis aller Inhalte sind elf mustergültige Fallbeispiele aus der Praxis, die die Experten des Bitkom-Arbeitskreises „Industrie 4.0 Interoperabilität“ besucht hatten. Ziel der Exkursionen war es, zu evaluieren, wie ausgeprägt die unterschiedlichen Anforderungen an Interoperabilität in den jeweiligen Use Cases vorlagen.

Der Leitfaden kann hier kostenlos heruntergeladen werden!

Ralph Trinter T-Systems
Ralph Trinter: "Lernen von den Besten, lautet die Devise." - (Bild: T-Systems)

Welche Herausforderungen gilt es zu meistern?

Trinter: „Aus technologischer Sicht sind viele Akteure beteiligt. Allein in einer einzigen Fabrikhalle florieren Feldbusse oder Netzwerke mit individuellen Regeln und Protokollen.“

Dorst: „Nicht weniger komplex sind die Prozesse, die in einem Unternehmen stattfinden, ob fräsen, hobeln, bohren, drehen, biegen oder schweißen. Das sind unterschiedliche Abläufe mit jeweils individuellen Eigenschaften und Merkmalen, die es auch eindeutig zu beschreiben gilt.“

Wo liegt das Problem?

Dorst: „Da Maschinen unterschiedliche Sprachen sprechen, kommt es zu Missverständnissen. Und im Gegensatz zu Menschen können sie sich dann nicht behelfen. Was Technologien und Prozesse betrifft, ist zwingend eine stets eindeutige und treffsichere Definition nötig, damit Informationen übergreifend fließen können.“

Trinter: „Interoperabilität ist die Voraussetzung, um Geschäftsmodelle in der Industrie 4.0 überhaupt erfolgreich realisieren zu können. In absehbarer Zeit gibt es aber keine Patentlösung in Form des einen Industrie-4.0-Standards, der alle Probleme löst.“

"Die Digitalisierung einer Firma endet nicht an der Werksausfahrt. Eine übergreifende Vernetzung erfordert nicht nur Konnektivität oder sichere Cloud-Plattformen, sondern vor allem auch definierte Schnitt- und Nahtstellen. Dazu bedarf es offener Standards." - Ralph Trinter

Produktion: Wie sieht die Lösung stattdessen aus?

Dorst: „Das zeigt der Blick in unseren neuen Leitfaden, den wir als Bitkom gemeinsam mit Anwender-Industrie und Anbietern wie T-Systems erarbeitet und zur Hannover Messe 2017 veröffentlicht haben. Darin formulieren wir Anforderungen an Interoperabilität, die wir in Exkursionen zu produzierenden Unternehmen evaluiert haben. Wir haben Fähigkeiten herausgearbeitet, die Spieler in der Industrie 4.0 mitbringen müssen.“

Trinter: „Lernen von den Besten, lautet die Devise. Die Fallbeispiele zeigen, wo Interoperabilität geschaffen werden muss, um erfolgreich zu sein. Das sieht man im Leitfaden auch am Werkzeugbauer Trumpf. Dieser hat eine Software-Lösung entwickelt, die er als unabhängige Plattform auch anderen Fertigungsbetrieben anbietet.“

Dorst: „Dazu hat Trumpf das Software-Unternehmen Axoom gegründet. Für den Erfolg von Axoom ist Interoperabilität das A und O, wie der Use Case zeigt. Anforderungen an Interoperabilität sind im Geschäftsmodell der Trumpf-Tochter überdurchschnittlich stark erfüllt.“

Produktion: Um welche Anforderungen geht es denn eigentlich?

Trinter: „Beispielsweise um Authentifizierung. In jedem Use Case besteht die Herausforderung, dass sich Menschen, Maschinen oder Systeme authentifizieren müssen. Welche Mechanismen sind dazu implementiert? Wie integer oder robust sind die Kommunikationsnetzwerke?“

Dorst: „Oder wie unabhängig sind die Netzwerke ausgelegt, was spezielle Transportlayer wie Feldbus, Ether- oder Internet betrifft? Wie werden Informationen ausgetauscht? Welche Semantik-Standards werden unterstützt? Im Leitfaden fragen wir das für jeden Use Case einheitlich und strukturiert ab. Alle Fallbeispiele lassen sich dann nebeneinanderlegen und vergleichen.“

Wolfgang Dorst Bitkom
Dorst: „Industrie 4.0 ist ein Prozess und kein Moment, der alles verändert." - (Bild: T-Systems)

Produktion: Was lernen Unternehmen aus dem Leitfaden?

Trinter: „Das Industrie 4.0 heute schon für jeden funktioniert! Viele Unternehmen warten auf Standards, die alle ihre Probleme auf einmal lösen können. Aber ob es diese Standards jemals gibt, ist fraglich.“

Dorst: „Industrie 4.0 ist ein Prozess und kein Moment, der alles verändert. Wie der Nordstern die Himmelsrichtung weist, zeigt Industrie 4.0, wohin sich die Wirtschaft bewegen muss. Welchen Pfad die Unternehmen einschlagen, liegt ganz bei ihnen. Wichtig ist nur, dass die Richtung stimmt. Hier hilft der Leitfaden.“

Produktion: Was sollten Firmen also tun?

Trinter: „Sie sollten Digitalisierung einfach machen. Ein universelles Plug-and-Play kommt nicht. Darauf zu warten: zwecklos. Die Richtung ist klar. Es gilt jetzt, zu starten, auch Fehler einzukalkulieren und diese nicht als Scheitern, sondern als Lernerfolg zu begreifen.“

Dorst: „Unser Leitfaden hilft den Unternehmen, den eigenen Standpunkt zu bestimmen. Wo besteht Handlungsbedarf? Welche Voraussetzungen sind bereits in einem Betrieb erfüllt? In welche Richtung muss sich ein Unternehmen entwickeln?“

"Industrie 4.0 ist ein Prozess und kein Moment, der alles verändert. Wie der Nordstern die Himmelsrichtung weist, zeigt Industrie 4.0, wohin sich die Wirtschaft bewegen muss." - Wolfgang Dorst

Produktion: Was lernen Anbieter wie T-Systems durch die Lektüre?

Trinter: „Der Leitfaden zeigt den Bedarf auf, den Anbieter bedienen müssen. Die Industrie fordert offene Plattformen, Sicherheit und Konnektivität. Dabei spielt ein Partnerökosystem, wie T-Systems es heute bereits bietet, eine entscheidende Rolle: Kein Anbieter kann allein alle Probleme der Welt lösen. Dazu ist ein starkes Netzwerk an Spezialisten und Experten erforderlich.“

Produktion: Wie nutzt der Bitkom die Ergebnisse?

Dorst: „Sie helfen uns dabei, die Politik zu beraten und wirtschaftspolitische Weichen zu stellen. Es geht nicht nur um Standardisierung und Normierung. Sondern auch um Fragen der Nutzung von technologischen und wirtschaftlichen Chancen und der Verringerung von Risiken. Der Leitfaden soll Unternehmen zudem Mut machen, jetzt zu beginnen.“

Trinter: „Alle Firmen marschieren doch in die gleiche Richtung. Sie haben die gleichen Sorgen und Nöte, scheuen hohe Investitionen und haben Sicherheitsbedenken. Die technologische Antwort darauf liefern Cloud-basierte Dienste und schnelle Netze. Die Antwort auf die menschlichen Herausforderung, die Industrie 4.0 mit sich bringt, entwickeln die Firmen selbst, wenn sie jetzt Schritt für Schritt vorangehen.“

Dorst: „Die gemeinsame Klammer für alle ist Industrie 4.0. Der Leitfaden zeigt, wie das Spiel funktioniert. Jetzt kommt es darauf an, seine eigene Mannschaft ins Spiel zu bringen. Warten ist keine Option.“

Ihre Fragen an die Experten können Sie hier stellen:

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Sie möchten mit Wolfgang Dorst (Bereichsleiter Industrial Internet beim Bitkom) oder Ralph Trinter (Business Development Manager Automotive & Manufacturing bei T-Systems) in Kontakt treten oder haben Fragen zum Leitfaden, dann schreiben Sie eine Mail an:

Smartfactory@t-systems.com

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