Fahrerlosen Transportsysteme bewegen sich auf einem intelligenten Boden im Raum

Im neuen Kunden- und Innovationszentrum in Ulm bewegen sich zum Beispiel Fahrerlose Transportsysteme auf einem intelligenten Boden, Cobots an Montagestationen sind mit eingebunden und ein digitales Abbild rechts an der Wand verschafft den Überblick. - (Bild: Bosch Rexroth)

„In Ulm bringen wir zusammen, was zusammengehört: Kunden und Innovationen. Erfolgreich sind Innovationen nur, wenn sie Herausforderungen von Kunden lösen – sowohl wirtschaftliche als auch beim nachhaltigen Umgang mit Ressourcen“, sagt Rolf Najork, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH mit Verantwortung für den Bereich Industrietechnik und Vorstandsvorsitzender der Bosch Rexroth AG.

Entwickelt werden vor Ort vor allem Produkte mit hohem Software-Anteil, die eine flexible industrielle Fertigung ermöglichen und die Emissionen mobiler Arbeitsmaschinen reduzieren. Die Entwicklungsteams testen neue Produkte und Lösungen erst virtuell und wandeln die Hauptfunktion dann in ein Minimum Viable Product (MVP) um, also ein Basisprodukt ohne vollständig ausgearbeitete Detailfunktionen. Anhand dessen spricht Bosch Rexroth mit Kunden über reale Einsatzmöglichkeiten der Produktidee. Auf Basis von Kundenrückmeldungen wird das Produkt (MVP) weiterentwickelt und es entsteht ein Prototyp.

Rolf Najork Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH in der Modellfabrik Ulm
"Hier können wir dem Kunden im virtuellen Raum Lösungen vorstellen, die wir noch gar nicht in Hardware umgesetzt haben", sagt Rolf Najork, Geschäftsführer der Robert Bosch GmbH mit Verantwortung für den Bereich Industrietechnik. - (Bild: Dietmar Poll)

Produkte virtuell testen

"Wir wollen intern die ganzen kreativen Kräfte bündeln, die an den Zukunftstechnologien arbeiten – so wie an Roboterisierung, an Industrie 4.0 und in Richtung Digitalisierung. Auch den Übergang von großen Hydraulikanlagen in Elektrifizierung und Nachhaltigkeit sowie CO2-Freiheit entwickeln und betreiben wir hier," beschreibt Najork.

Über das Trainingszentrum, das Rexroth Kunden- und Entwicklungszentrum nennt, sagt Najork: "In dem Trainingszentrum entwickeln wir künftig unsere Produkte gemeinsam mit dem Kunden. Hier können wir dem Kunden im virtuellen Raum Lösungen vorstellen, die wir noch gar nicht in Hardware umgesetzt haben – und damit Kundenreaktionen viel früher testen, als wir es normalerweise tun könnten, wenn wir Prototypen bauen."

Außerdem zeige Rexroth hier mit Industrie 4.0 nicht nur einzelne Lösungen, sondern die Vision, wie eine ganze Fertigungsanlage in der Zukunft aussehe. Das sei auf einer Messe so nicht möglich, da gehe es meist nur um einzelne Maschinen.

Najork weiter: "Das Kunden- und Entwicklungszentrum ist natürlich auch ein Schaufenster in die Welt – ein Schaufenster für Industrie- und Mobiltechnik für unsere Kunden, aber auch für andere Märkte, da wir sehr viele internationale Besucher und auch Mitarbeiter haben werden."

Technologie, um die digitale Welt der Zukunft zu spielen

Dazu ergänzt Marc Wucherer, Mitglied des Vorstands der Bosch Rexroth AG mit Verantwortung für Vertrieb und den Bereich Fabrikautomation: "Wir sagen immer now, next, beyond. Warum sagen wir das? Weil wir heute die Technologie zur Verfügung haben, um in einer digitalen Welt die Zukunft zu spielen. Aber viel wichtiger ist es, wo wir denn heute in zehn Jahren sind, wo wir vielleicht über Industrie 5.0 oder sonst etwas sprechen. Diese Innovationen wollen wir mit unseren Kunden zusammen designen."

Standortleiter Thomas Fechner äußert sich ebenfalls zu dem Standort, an dem Rexroth Kunden und Innovationen zusammen bringt und wo sich alles um Software, Digitalisierung, Elektrifizierung und Nachhaltigkeit dreht: "In unserem agilen Setup habe ich sehr frühen Kontakt mit dem Kunden. Das führt dazu, dass auch das Feedback vom Kunden zu unseren Arbeitsergebnissen sehr früh einfließt."

Diese Erfahrungswerte würden erst dann in weitere Entwicklungen gebracht und in finale Produktentwicklungen umgesetzt, wenn erkennbar sei, dass der Kunde das Produkt auch und bereit sei, es zu kaufen. "Durch den neuen Standort versprechen wir uns somit eine sehr starke Beschleunigung der Entwicklungszeiten und der Produkteinführungen – mindestens ein Faktor 2 in der Steigerung der erfolgreichen Produkteinführungen", freut sich Fechner.

Thomas Fechner -
(Bild: Bosch Rexroth)

"Durch den neuen Standort versprechen wir uns eine sehr starke Beschleunigung der Entwicklungszeiten und der Produkteinführungen." - Thomas Fechner, Standortleiter bei Bosch Rexroth in Ulm.

Digitalisierung komplett sichtbar machen

Laut Fechner kommen Kunden heute sehr oft mit der Frage, was die Digitalisierung für einen Effekt auf ihr konkretes Tätigkeitsfeld habe. "Da ist die Modellfabrik der ideale Platz, um ein Gespräch zu starten. Dort können wir die Digitalisierung in ihrer Gänze sichtbar machen, was in der Maschine im cyber-physischen System passiert", erläutert Fechner.

Maschinen würden viel digitalisiert werden. Aber auch in der Umgebung, an der Einbindung der einzelnen Maschinenelemente wie die übergreifenden Softwarearchitekturen, die dann die Fabrik der Zukunft steuerten. "Hier können wir in den Gesprächen kundenindividuell abtauchen. Der eine Kunde will mehr über die Orchestrierungssoftware sprechen oder über die Verwaltungsfunktionen. Ein anderer Kunde möchte mehr in Richtung Steuerungssysteme gehen. Der Rahmen ist aber in jedem Fall gesetzt, sodass man nicht aneinander vorbeisprechen kann", verdeutlicht der Standortleiter.

Im Fokus: Digitalisierung und Elektrifizierung

Arbeiter an einem Montagearbeitsplatz mit einem Cobot
Auch die moderne Montage mit dem einfachen Anlernen von Cobots ist Bestandteil der Modellfabrik. - (Bild: Bosch Rexroth)

Ein fester Bestandteil des Kunden- und Innovationszentrums ist die Modellfabrik. Auf rund 500 Quadratmetern demonstriert Bosch Rexroth die Potenziale einer modularen und hoch digitalisierten Fertigung. Hier kommen auf einem intelligenten Boden beispielsweise autonome Transportsysteme für die Intralogistik, selbstlernende Roboter zur Kommissionierung, oder auch automatische Produktionsassistenten mit einer sensorgestützten, virtuellen Schutzfunktion zum Einsatz.

Die Digitalisierung aller Komponenten und Systeme eröffnet Maschinenbauern und Fabrikbetreibern neue Perspektiven: Umfangreiche Softwarefunktionen und auswertbare Daten bilden die Basis für den effizienteren Einsatz von Maschinen in der Fabrik der Zukunft. Dazu werden immer mehr Funktionen von der Hardware in die Software verlagert und die Funktion um einen digitalen Zwilling ergänzt. So kann Bosch Rexroth in der Modellfabrik zeigen, wie sich mit Hilfe von Simulationen Maschinen, Anlagen sowie manuelle Arbeitsplätze optimieren und umstellen lassen. Wegweisende Ideen werden so unter realitätsnahen Bedingungen getestet. Die Modellfabrik wird zu einem wichtigen Industrie 4.0-Hub für Bosch.

Neben der Fabrikautomation konzentriert sich Bosch Rexroth in Ulm auf die Elektrifizierung mobiler Arbeitsmaschinen wie Radlader oder Bagger.

Ausrichtung auf maximale Flexibilisierung

"Hier sieht man die Vision in Gänze und man sieht ein Zielbild. Denn kommt ein Kunde aus dem Brownfield auf uns zu und möchte den nächsten Digitalisierungsschritt gehen, dann hilft es ungemein, wenn man das Zielbild vor Augen hat und sich auf ein gemeinsames Bild verständigen und die Zwischenschritte planen kann, wie man dort gemeinsam hinkommt", beschreibt Fechner und ergänzt, dass "wir in Ulm  auf Losgröße 1 ausgerichtet sind, also die maximale Flexibilisierung. Damit fallen Rüstaufwände überhaupt nicht negativ ins Gewicht. Dafür haben wir im Grunde die Modellfabrik aufgebaut."

Branchenübergreifend werde vor allem die Logistik automatisiert, das sei ein ganz starker Trend. "In der Logistik haben wir auch heute noch häufig weniger optimierte Bereiche vorliegen, da die Unternehmen den Fokus auf den eigentlichen Wertschöpfungsprozess gelegt haben. So hat man in den letzten Jahrzehnten die Unterstützungsprozesse eher außen vor gelassen. Dort sehen wir jetzt eine sehr starke Automatisierung. Auch bei der Kommissionierung und dem Materialtransport der Zukunft sind wir bestens vorbereitet", weiß Fechner zu berichten.

Klassischer Maschinenbauer fragt nach Rüstzeiten

Der klassische Maschinenbauer kümmere sich sehr um die Frage, wie er Rüstzeiten reduzieren könne. "Dort spielt natürlich die Automatisierungstechnik eine entscheidende Rolle, high speed conveyor, die sehr schnell anpassbar an unterschiedlichste Varianten sind. Dann natürlich die Integration von Robotikfunktionen, die Mensch-Maschine-Interaktion und wie Teile aus der Logistik in die Maschine und wieder zurückkommen. Außerdem gibt es die Frage, welche Wertschöpfungsanteile der Mensch an der Maschine übernimmt und wie dort die Kollaboration funktioniert. Diese Themen beschäftigen den Maschinenbauer", sagt Fechner.

Peter Greiner bei der Vorstellung der Modellfabrik in Ulm.
Peter Greiner, Leitung Entwicklung und Lösungen Fabrik der Zukunft, bei der Vorstellung der Modellfabrik in Ulm. - (Bild: Dietmar Poll)

Intelligenter Boden für die Personenführung

Auf den intelligente Boden angesprochen sagt Fechner, dass dieser ist ein MVP ist, das den Kunden vorgestellt wird. "Er findet hohen Anklang und da trägt dieses agile Entwickeln sehr stark. Somit verändert sich der Scope des Bodens ständig. Begonnen hatten wir mit induktivem Laden, was nun etwas in den Hintergrund tritt und wir haben sehr stark die Personenführung im Blick, da der Mensch in der Fabrik der Zukunft ja sehr stark geführt werden muss, weil alles variabel ist und man sehr schnell den Überblick verliert", beschreibt der Standortleiter.

Der Boden sei somit eine ideale Projektionsfläche für die Orientierung. So ließen sich Servicekräfte direkt zur Maschine führen, Sperrzonen durch rote Signalgebung intuitiv erkennbar machen oder Wertströme ließen sich visualisieren. "Der Boden ist also hervorragend dort zu verwenden, wo der starre Fertigungsfluss aufgelöst ist", findet Fechner.

Veränderungsprozess braucht Begleitung und Diskussion

Doch wie sieht der Ablauf im Detail aus, wenn ein Kunde mit einer Anfrage bei Rexroth vorstellig wird? Dazu weiß Fechner, dass die Kunden immer mit einer starken Erfahrungsbasis aus der starren Verkettung kommen. Es sei ein längerer Prozess, diese starren Systeme aufzubrechen. Außerdem mache es nicht überall Sinn, das autonome Fahren in die Fabrik zu bringen, wenn immer der gleiche Transportweg anstehe. Dann sei eine Bandstrecke nach wie vor die wirtschaftlichere Lösung.

"Man muss sich eher Gedanken machen, welche Varianz man in seiner Geschäftstätigkeit in den nächsten Jahrzehnten sieht – und darauf die richtige Antwort im Produktionssystem finden. Solch ein Veränderungsprozess braucht Begleitung und Diskussion", erklärt Fechner.

So habe der Produktionseinbruch der geplanten Volumina durch Corona im letzten Jahr die Unternehmen vor große Probleme gestellt, plötzlich kam die Maskenproduktion auf und es gab neue Geschäftschancen und die Frage kam auf, wie man sich darauf einstellen könne.

"Das treibt natürlich auch bei unseren Kunden die Erkenntnis, in flexiblere Fertigungseinrichtungen investieren zu müssen. Die starre Sondermaschine der Vergangenheit wird ersetzt durch modulare Maschinenkonzepte, die ich auch schnell an die Veränderung der Umwelt anpassen kann", blickt Fechner nach vorne.

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Anja Ringel (links) und Julia Dusold (rechts) strahlen in die Kamera.
(Bild: Fotos: Florian Swoboda; Grafik: Jürgen Claus)

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