Die digitale Erfassung von Artikelstammdaten im Lager mithilfe eines Lagerverwaltungssystems ist die Basis für die Umsetzung von Logistik 4.0.

Die digitale Erfassung von Artikelstammdaten im Lager mithilfe eines Lagerverwaltungssystems ist die Basis für die Umsetzung von Logistik 4.0. - (Bild: mikkelwilliam@iStockfoto)

Der Transport wird digital

Keine Zeit, nicht wichtig, zu aufwendig: Scheinbare Gründe gegen ein funktionales Stammdaten-Management gibt es viele. Dabei ist es essenziell, zu wissen, wie viele Teile und Artikel sich auf Lager befinden, um exakte Bestandsinformationen zu haben. Korrekt erfasste Stammdaten sind die Basis aller Lager- und Logistikplanungen – das ist den meisten Unternehmen bewusst.

Trotzdem wissen viele Logistiker nicht, wie es tatsächlich um ihre Datenbasis im Lager bestellt ist und wie sie das wichtige Thema Stammdatenmanagement angehen sollen. „Dabei ist die konsequente Erfassung von Stammdaten ein wichtiger Teil der Digitalisierung der gesamten Supply-Chain. Und die Potenziale, die ein funktionales Stammdaten-Management birgt, werden häufig übersehen – gerade im Kontext von Logistik 4.0, wo ein Rad ins andere greifen muss, um durchgehende und nachvollziehbare Prozesse zu gewährleisten“ sagt Marcel Wilhelms, General Manager der EPC.

Logistik 4.0: Digitale Technologie für eine bessere Vernetzung

Dabei sind Logistiker sich der Problematik durchaus bewusst, dass es an Datenqualität mangelt, gepflegte Stammdaten jedoch sehr wichtig sind. Ein Beispiel, wie es richtig gemacht werden kann, liefert die Torwegge GmbH aus Bielefeld.

Dazu erklärt Bettina Hellmich, dort Leiterin für Logistik: „Stammdatenmanagement betreiben wir seit der Firmengründung 1956 mit verschiedenen datenunterstützenden Programmen. Denn wir wissen, dass Stammdaten für uns sehr wichtig sind – als Beispiel das Produktstammdatenmanagement: Wir sind individuell, wir haben sehr hohe Ansprüche und Anforderungen gerade auch technischer Natur. Deshalb ist es einfach unerlässlich, dass wir gepflegte Stammdaten haben. Unsere Stammdaten sind heute ausschließlich in unserem ERP-System. Wir haben Bereiche gebildet wie Produkt-, Preis-, Firmen- und Dienstleisterstammdaten.“

Checkliste: Beantworten Sie vier Fragen mit 'Nein', dann liegt Handlungsbedarf vor

  1. Haben Sie ein Konzept für die Erfassung von Stammdaten, das neben internen Abteilungen und externen Partnern auch Softwaredienstleister miteinbezieht?
  2. Erfassen Sie ergänzend zu Materialstammdaten weitere für die Lagerung relevante Informationen wie ABC-Klassen, verwendete Ladehilfsmittel und Verpackungsinformationen
  3. Nutzen Sie einen standardisierten Prozess zur Erfassung von morphologischen Daten wie Länge, Breite, Höhe und Gewicht am Wareneingang?
  4. Nutzen Sie standardisierte Maßeinheiten und Zahlenformate?
  5. Aktualisieren Sie Ihre Stammdaten regelmäßig?
  6. Setzen Sie für die Aktualisierung und Prüfung von Materialstammdaten Personal ein, das selbst mit den Daten arbeiten muss und daher ein großes Interesse an deren Richtigkeit hat?
  7. Achten Sie darauf, nicht mehr benötigte Artikel aus den Stammdaten zu entfernen?
  8. Setzen Sie auf eine leistungsorientierte Vergütung für die Pflege von Stammdaten durch Ihre Mitarbeiter?

Digitalisierung und Logistik 4.0 im Unternehmen

Doch die Welt verändert sich ständig, gerade durch Digitalisierung und Industrie 4.0. Da stellt sich die Frage, inwieweit Torwegge auch das Management der Stammdaten verändern musste.

„Das Thema Industrie 4.0 beschäftigt uns natürlich auch. Dennoch arbeiten wir unabhängig davon grundsätzlich an unserer Weiterentwicklung, denn die Anforderungen werden immer höher. Deswegen haben wir das alles nicht nur auf die Stammdaten, sondern auf verschiedene Bereiche ausgeweitet, weil es ein so vollumfängliches Thema ist, wenn wir uns auf den Bereich Produktion und Logistik beziehen. Dazu haben wir ein Konzept erstellt, an dem wir nahezu täglich arbeiten und es zielstrebig verfolgen“, beschreibt Hellmich.

Logistik 4.0 ermöglicht bessere Transporte

Außerdem habe Torwegge vor dem Hintergrund von Industrie 4.0 erkannt, die Prozesse noch schneller machen zu müssen. „Wir haben für unsere Prozesslandschaft alleine bei Artikelanlagen – da sind sämtliche Bereiche betroffen – eine Zeitschiene erstellt, bis wann alles abgefragt sein muss, damit es im System vorliegt und wir den Kunden bedienen können“, sagt Hellmich. Das sei dann natürlich wieder für die Produktion und gerade auch für die Logistik, wenn es um den Transport gehe, eminent wichtig. Denn alles werde immer schneller, was man ja im Kontext der Digitalisierung sehe. Hellmich weiter: „Das ist genau der Punkt, warum wir stetig daran arbeiten.“

»Prozesse zur Optimierung der intralogistischen Ab­läufe sind nur möglich, wenn Stammdaten bekannt sind.« Marcel Wilhelms, General Manager bei EPC

"Prozesse zur Optimierung der intralogistischen Abläufe sind nur möglich, wenn Stammdaten bekannt sind", sagt Marcel Wilhelms, General Manager bei EPC. - Bild: EPC

Materialwirtschaft für bessere Vernetzung in der Logistik

Doch auch wenn es ständige Verbesserungen gebe, so gebe es ein Ziel, das Torwegge noch nicht erreicht habe. „Unsere Zielsetzung war, bis 2024 eine optimale Stamm­datenlandschaft zu haben. Jeder Fachbereich hat sich seit 2018 im Rahmen der Strategieentwicklung das Thema Stammdaten auf die Fahne geschrieben. Denn jeder hat mit Stammdaten zu tun“, berichtet Hellmich.

Auch die Akzeptanz bei den Mitarbeitern sei hoch gewesen, denn „Stammdaten betreffen jeden im Unternehmen und gepflegte Stammdaten erleichtern außerdem Prozesse und das Arbeiten für die Kollegen, wodurch unsere Kunden profitieren“, so Hellmich.

Logistikbranche profitiert enorm von den neuen Technologien

Der Auslöser für diese Strategieentwicklung im Jahr 2018 sei der Wunsch der Abteilungen Logistik und Produktion gewesen, schnellere Durchlaufzeiten sowie Vereinfachungungen für die Mitarbeiter beim Arbeitsablauf zu erreichen.

„Da fahren wir jetzt schon erste Erfolge ein. Gerade im Bereich Zollwesen merken wir, dass wir schneller geworden sind. Im Vertrieb ebenfalls, weil wir unsere Stammdaten noch detaillierter und feingliedriger angelegt haben. Somit ist die Beratung für den Kunden jetzt besser“, weiß Hellmich zu berichten.

Jeder Fachbereich hat sich seit 2018 im Rahmen der Strategieentwicklung das Thema Stammdaten auf die Fahne geschrieben", sagt Bettina Hellmich, Leiterin Logistik bei Torwegge

"Jeder Fachbereich hat sich seit 2018 im Rahmen der Strategieentwicklung das Thema Stammdaten auf die Fahne geschrieben", sagt Bettina Hellmich, Leiterin Logistik bei Torwegge.

Digitale Technologien logistischer Prozesse in der Lagerwirtschaft

Und dennoch seien weitere Verbesserungen nötig und auch möglich, denn „wir wollen immer kundenorientierter sein und den Kunden durch die Stammdaten auch Informationen zukommen lassen“, so Hellmich. Diese seien genauer und zudem mit Anwendungsbeispielen versehen, aus welchem Grund ein Produkt sehr gut sei.

„Zusätzlich sollen unsere Mitarbeiter im Bereich Fertigung/Logistik die Möglichkeit des Einblicks haben, was der Vertrieb verkauft hat beziehungsweise ob es denn wirklich das Produkt ist, was der Kunde benötigt. Außerdem wollen wir natürlich weiterhin kürzere Durchlaufzeiten erreichen, die wir angefangen von der Kommissionierung über die Fertigung bis hin zum Warenausgang haben“, zeigt Hellmich auf.

Wichtige Fragen und Antworten zu Stammdaten

  • Stammdaten sind Informationen, die einen Lagerartikel beschreiben und dabei helfen, ihn einzuordnen und später wiederzufinden. Sie stellen konkrete Eigenschaften von Produkten dar, die das Handling innerhalb der Supply Chain beeinflussen.
  • Wie viele Teile sollten sich auf Lager befinden?
  • Wie viele Teile können im Lager gehalten werden?
  • Wann wird Nachschub benötigt?
    Ohne die vollständigen Bestandsinformationen lassen sich diese Fragen nicht beantworten. Artikelinformationen wie Maße, Gewicht und – im besten Falle – ein Foto, die einen Artikel identifizierbar machen, geben zudem Aufschluss über den geeigneten Lagerort. Schnelldreher (Artikel, die in 80 % der Aufträge enthalten sind) sollten besonders leicht zu erreichen sein. Darüber hinaus gibt es rechtliche Restriktionen, die nicht zuletzt aus Sicherheitsgründen beachtet werden müssen. Richtlinien wie Zusammenlagerungsverbote oder das Gebot der Chargentrennung geben zum Beispiel vor, welche Waren man wo und wie lagern muss. Wenn solche Informationen zu Produkten und Lagerorten gewissenhaft dokumentiert sind, kann das LVS die Logistik­abläufe optimal steuern. Quelle: Ehrhard & Partner

Digitale Technologie im Unternehmen vereinfacht Logistikkette

Auch für die Endverpackung sei es wichtig, dass die Stammdaten vorhanden seien, denn selbst bei einem Artikel wie einem Ladungsträger handele es sich genauso um Stammdaten.

„Wenn uns unsere Produkte mit Gewicht und Abmessung vorliegen, dann sehen wir bereits am Anfang der Logistikkette, wo wir das Produkt reinverpacken können. Daran arbeiten wir auch, um künftig Prozessschritte einzusparen“, erläutert Hellmich.

Logistik 4.0 für die Supply Chain

Das sieht Wilhelms von EPC ganz ähnlich: „Prozesse zur Optimierung der intralogistischen Abläufe sind nur möglich, wenn Stammdaten bekannt sind. Gepflegte Stammdaten erlauben eine Lademittelvorberechnung, die eine optimale Auslastung von Lkw oder Kommissionierwagen ermöglicht. Wenn die erforderlichen Daten vorliegen, können Lademittel sogar so berechnet werden, dass sie in der richtigen Reihenfolge platziert werden.“ Dadurch gestalte sich der Entladeprozess am Bestimmungsort deutlich effizienter.

Ein weiteres Beispiel nennt Wilhelms: „Melde- und Sicherheitsbestände können mithilfe von Stammdaten dynamisch erhoben werden. Das ist vor allem für Unternehmen wichtig, die viele Saisonartikel führen. Wenn die Nachfrage saisonbedingt variiert, geht es darum, in der Hochphase genügend Ware auf Lager zu haben und gleichzeitig Ladenhüter in der Nebensaison zu vermeiden.“

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