Warum ist KI in der Intralogistik besonders sinnvoll?
Gerade in der Logistik spielt KI eine sehr große Rolle. Warum das so ist, erklärt Michael ten Hompel vom Fraunhofer IML aus Dortmund: „Die Logistik ist ähnlich wie die Geometrie regelbasiert, vollständig in Algorithmen umsetzbar – im Gegensatz zu ihrer Umgebung wie zum Beispiel Wetterbedingungen.“ In ihren einzelnen Prozessen sei die Logistik relativ einfach, aber in ihren Netzwerken extrem kompliziert. „Genau das macht sie extrem geeignet für Algorithmen der Künstlichen Intelligenz. Deswegen denken wir, dass die KI raumgreifend von oben nach unten, von der horizontalen und der vertikalen Vernetzung in hochverteilten Systemen Künstlicher Intelligenz sich durchsetzen wird“, fährt ten Hompel fort.
So funktioniert KI in der Intralogistik
Die ganzen neuen Devices wie der ‚Smart Button‘ von der Telekom, eine intelligente Mülltonne oder ein smartes Logistikfahrzeug – das seien die Datenlieferanten. Dazu ten Hompel: „Die fangen jetzt an, über KI autonom zu verhandeln. Wir sind dabei, den Paletten und Containern und den Fahrzeugen sowieso beizubringen, zu verhandeln.“ Die Verhandlungen selber liefen über Blockchain-Technologien, wo auch die Verhandlungsergebnisse sicher gespeichert würden. Das Ganze werde über Plattformökonomie abgewickelt werden.
Welchen Nutzen hat Künstliche Intelligenz in der Intralogistik
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„Es werden ganz neue Geschäftsmodelle entstehen, das wird auch sehr schnell passieren, denn wir sprechen über intelligente Systeme und deren exponentielle Entwicklung“, fügt ten Hompel hinzu. Dass KI jetzt durchbricht, sei, weil die Rechnerleistung jetzt vorhanden sei und Algorithmen, die es bereits in der 90er Jahren gegeben habe, jetzt zum Anlauf kämen.
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Zur Position der Künstlichen Intelligenz bringt ten Hompel noch das Beispiel, dass KI das vorprogrammierte Schachweltmeisterprogramm ‚Stockfish‘ bereits nach kürzester Lernzeit geschlagen habe. Das sage letztlich alles über KI aus.
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Fernab von Schachspielen gibt es auch deutliche Einsparpotenziale in der Intralogistik. So gewann auf der LogiMAT den Preis für das beste Produkt in der Kategorie ‚Software, Kommunikation, IT‘ Heureka Business Solutions für ihre Lager-Optimierungs-Software LOS. Mit dem Einsatz der selbstlernenden Software LOS können durch die Künstliche Intelligenz Same-Day-Delivery-Konzepte, kleiner werdende Losgrößen und eine steigende Artikelvielfalt wirtschaftlich und effizient abgewickelt werden. Die generische Lösung ergänzt jedes Lagerverwaltungs-System (LVS).
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Die Zukunft hat schon begonnen
Dazu erklärt Heureka-Geschäftsführer Richard Lessau: „Wir haben heute in der Intralogistik mehrere Hundert, mehrere Tausend Faktoren, die einen Materialfluss definieren.“ Da gehe es um Packstückgröße, Versendungsgröße, wieviel Artikelnummern darin enthalten seien und wieviel Artikelnummern es pro Tag gebe. Zudem gebe es die Herausforderungen der Artikelvielfalt und der Losgröße 1.
Unendlich viele Kombinationsmöglichkeiten
Überdies steige die Sendequote, die Anzahl der Faktoren gingen ins Unerschöpfliche, wie Lessau darstellt: „Die Zahl eine Trilliarde ist die Zahl 1021, die Anzahl der bekannten Sterne im Universum ist 10108. In dem letzten Projekt, das wir abgeschlossen haben, haben wir eine Artikelvielfalt von 20 000 Artikelnummern bei 30 000 Lagerplätzen. Die Anzahl der Kombinationen, um den besten Lagerplatz für einen Artikel zu finden, beträgt 1022300. Künstliche Intelligenz versucht jetzt, diese Kombinationen zu vergleichen und situativ in Echtzeit den besten Materialstrom zu gewährleisten.“
Daten und Informationen sind das Potenzial schlechthin
Das seien eigentlich ganz simple Themen wie beispielsweise: Man habe einen Kommissionierwagen. Welcher Auftrag in welcher Eigenschaftskategorie wie Artikel, Volumen und Gewicht werde wann von welchem Mitarbeiter eingelastet. Dazu sagt Lessau: „Dadurch gewinnen wir im operativen Bereich 15 bis 20 Prozent Ratiopotenzial. Und das viel Wichtigere – wir gewinnen auch ähnliche Ratiopotenziale im mittleren Management. Also beispielsweise den Disponenten und den statischen Programmierer. Das dritte, was wir können, ist, eine Transparenz über die Materialflusskette zu bieten. Wir können unserem Kunden erklären, welche Ursache welche Wirkung hat – und dadurch auch gezielte Maßnahmen einleiten.“ Die Kunden kämen aus dem Bereich Kontraktlogistik, Intralogistik sowie Produktionsver- und Entsorgung.
KI-Technologien bereits in der Anwendung
Seitens der Klinkhammer Group weiß Frank Bennemann, Softwareentwicklung, zu berichten, dass es in der Logistik Anwendungen gebe, in denen Forecasting schon heute genutzt werde. „In modernen Warehouse-Management-Systemen, wie KlinkWare, liegen schon viele Daten vor. Einige Anwendungen helfen, Wareneingangs- oder Auftragsvolumina vorherzusagen, um so unter anderem die Personalplanung zu unterstützen.“ Die Automatisierungstechnik nutze Forecasting, um Peaks oder Wellen zu glätten, da der Durchsatz limitiert sei. Durch gezielte Nutzung häufiger Schwachlastzeiten oder Batches könne schlauer geplant werden.
Das verbirgt sich hinter Künstlicher Intelligenz
Professor Frank Straube, geschäftsführender Direktor, Leiter Bereich Logistik, Institut für Technologie und Management, TU Berlin, gibt einen kurzen Überblick über KI. Es gibt verschiedene Abgrenzungen von KI:
- Artifical Intelligence: Ein System, das wissensbasiert und programmiert ist
- Machine Learning: Das ist der Lerneffekt dahinter, also Maschinen trainieren selbst Aufgaben
- Deep Learning: Das sind technische Begriffe für neuronale Netzwerke als Teil von Machine Learning
- Dabei gilt es, verschiedene Typen von KI abzugrenzen:
- Augmented Intelligence: Hier wird Menschen geholfen, Entscheidungen zu treffen
- Assistant Intelligence: Hier teilen Maschinen und Menschen Rechte und Inhalte, um zu entscheiden
- Autonome Intelligence: Die Maschine entscheidet alleine
Was ist Slotting?
Bennemann weiter: „Slotting zeigt auf, welche Produkte nahe beieinander gelagert werden sollten. Gleiche Schuhe verschiedener Größen? Schuhe und Socken? Schuhe bestimmter Farben mit der passenden Schuhcreme? Künstliche Intelligenz ermöglicht es, Wahrscheinlichkeiten für zusammenpassende Warengruppen zu ermitteln, und Cluster zu bilden. Dies steigert die Effizienz und reduziert Fahr- oder Laufwege. KI schont damit Ressourcen und unterstützt den Menschen.“
Ähnlich sieht das Andreas Krause, Leitung Marketing beim Lagerlifthersteller Hänel: „Auch bei Produkten aus unserem Hause sind Funktionalitäten berücksichtigt, die man einem intelligenten Algorithmus zuordnen und damit auch mit dem Begriff KI umschreiben kann. So bietet unser Umlaufregal Rotomat beispielsweise im Standard eine Umlast-Warneinrichtung. Diese detektiert eine aufkommende Unlast und schlägt eigenständig vor, welche Lagerplätze sinnvollerweise zu belegen sind, sodass diese Unlast gar nicht erst auftritt.“ Durch den Gewichtsausgleich ließen sich hierdurch Antriebskräfte sparen.
Das Undenkbare denken
Laut ten Hompel würden Maschinen in die Lage versetzt, Dinge zu tun und das Undenkbare zu denken, was in der Logistik eine ganz wesentliche Rolle spielen werde. „Denn zum ersten Mal in der Menschheitsgeschichte halten wir mehr Technologien in Händen, als wir sinnvoll nutzen können. Insbesondere die Entwicklung von Computertechnologien ist schneller als ihre Nutzung.“
Interview: „Wir holen mittels KI zehn bis 15 Prozent raus“
Herr Bauer-Kieslinger, welche Aufgabe erfüllt KI für Sie?
Wir bedienen uns der KI, um für komplexe Aufgabenstellungen in real time Antworten zu finden. KI-Systeme sind sehr gut in der Mustererkennung innerhalb großer Datenmengen – das ist der Unterschied zur reinen Algorithmik. Gäbe es unendlich viel Rechenleistung, bräuchte man keine KI. Die Kernfrage ist: Wie schnell kann ich ein System anlernen? KI-Systeme basieren auf Vergangenheitswerten wie Kennzahlen und Angaben über Auftragsstruktur. Nur ein trainiertes KI-System kann aus Daten Muster erkennen, um dann in Echtzeit für die aktuelle Situation Entscheidungen zu treffen.
Wie hilft KI bei der Platzierung von Objekten in Regalsystemen?
Wir benötigen zunächst die Vergangenheitsdaten und müssen entsprechende Leistungserfahrungen besitzen, mit denen wir Entscheidungen für zukünftige Anforderungen treffen können. Dazu gehören Detailangaben wie: Der Shuttle ist dort, die Fördertechnik hat eine Störung, der Arbeitsplatz ist folgendermaßen beschickt oder hat jene Auslastung. Dieses Muster und auch die Aufträge müssen so abgespeichert werden. Kommen dann neue Aufträge hinzu, können wir diese entsprechend leistungsoptimiert für die Gesamtanlage steuern. Dabei lernt das System kontinuierlich dazu.
Gibt es weitere Einsatzmöglichkeiten von KI im Lager?
Ja, um die Lager zu steuern, bilden wir vom realen System einen digitalen Zwilling ab. Am Ende ist es eine Kombination von Simulation und KI, die zu jedem Zeitpunkt die Realität abbildet und verschiedene Variationen der Steuerung, der beteiligten Einheiten und Anlagenbereiche berücksichtigt. Mit dem Ziel, das System zu determinieren und zu optimieren, um Aufträge in möglichst kurzer Zeit an der Rampe zu haben. Auch wenn die Lagersysteme schon sehr stark ausgereizt sind, können wir mittels KI noch zehn bis 15 Prozent rausholen.
Wo wird KI im operativen Geschäft angewendet?
Wir haben Kunden mit 20 bis 50 Standorten, bei denen wir unsere Software und Systeme installiert haben. Da kommt natürlich der Bedarf auf, diese Lagersysteme zu vernetzen. Wenn ein Kunde irgendwo in der Welt Ware beziehen möchte, stellt sich die Frage: Auf welcher Grundlage entscheiden Sie, aus welchem Lager heraus beziehe ich welche Lieferposition? Dazu müssen Sie jedem Teilnehmer des logistischen Netzwerks – das heißt der verschiedenen Lagersysteme und der Transportmanagementsysteme – deren logistischen Fähigkeiten zuordnen und sie verketten. Letztlich erkennt eine Enterprise Fulfillment Plattform, ob der Auftrag optimal ist, damit die Lieferung zum gewünschten Zeitpunkt und in der gewünschten Qualität beim Kunden ist. Für die Vernetzung der Lagerstandorte ist ein Echtzeitsystem notwendig.
Wie groß ist dafür der Programmieraufwand?
Es ist weniger der Programmieraufwand, sondern vielmehr die Expertise. Es ist ein falsches Bild, zu denken, dass ein Programmierer alle Probleme lösen kann. Denn für spezifische Themen ist eine spezielle Expertise notwendig. Die Frage ist: Habe ich die Expertise, um das Thema überhaupt architektonisch und systematisch anzusetzen?
Und das heißt?
Wir müssen in Richtung agile Systeme umlernen. Es ist nicht mehr das Ziel, einen holistischen Ansatz zu wählen, der mir alle Möglichkeiten abdeckt. Keine Software hat den Anspruch, alles vollständig abdecken zu können, denn dafür entwickelt sich die Welt viel zu schnell.
Ihr Lösungsvorschlag?
Die Frage ist, was man anbietet. Dazu müssen wir den Kunden einbinden und erfahren, wo der Schuh drückt und wo die low hanging fruits sind. Genau dort muss begonnen werden, und später lassen sich weitere Ideen andocken. Wichtig bleibt aber stets, dass die Technologie beherrschbar bleibt und wir nachvollziehen können, wie Entscheidungen getroffen wurden. Das eine ist die Hochtechnologie KI, das andere, einen Business Case zu finden und umzusetzen. Wenn aufgrund der Volatilität der heutigen Lagersysteme, ihrer Größe, ihrer Mehrfachzwecke und/oder ihrer heterogenen Infrastruktur die Möglichkeiten der klassischen Informatik ausgereizt sind, ergeben sich mit KI Möglichkeiten der Dynamisierung.
Ist KI auch nachrüstbar?
Das hängt von der Aufgabenstellung ab. Aber ja, KI ist nachrüstbar, indem man die bestehende Algorithmik mit KI kombiniert. Doch es ist Vorsicht geboten. Wir können natürlich eine Blackbox mit KI integrieren. Aber dafür bräuchten wir ein Fallback-System, das sicher funktioniert. Denn die Entscheidungswege, warum ein System so fährt oder anders, erschließt sich einem Menschen nicht mehr. So haben wir in unserem Warenmanagementsystem WAMAS 2 000 bis 3 000 Parameter. Die stehen ja nicht für sich alleine, sondern sind teilweise verknüpft und haben dann Auswirkungen.
Welcher Art?
Die Auftragsstruktur wird ja parametriert. Ändern sich nun die Auftragsstrukturen, kann es sein, dass man zusätzlich logistische Prozesse implementiert und andere Prozesse dazu parametriert. Dann kann das durchaus Implikationen zu dem Bestehenden haben. Aber um die Zusammenhänge zu erkennen, welche Auswirkungen es hat, braucht es auch Experten. Und zwar keine Programmierer, sondern Experten – also Prozessberater im klassischen Sinn. Das ist auch ein Thema bei unseren Kunden: Diese möchten, dass wir ihnen Entscheidungsgrundlagen geben, wie sie die Parameter ändern sollen, damit das System die Anforderungen entsprechend umsetzt. Dazu benötige ich den digitalen Zwilling in Kombination mit KI.