Indoor-Lokalisierung, Intralogistik, Lagerlogistik, Lokalisierung

Ein Beispiel für Indoor-Lokalisierung: Das Kinexon-Sensornetzwerk ermöglicht die zentimetergenaue 3D-Lokalisierung, Bewegungserfassung und integrierte Datenübertragung von verbundenen Geräten/Objekten. - (Bild: Kinexon)

In Logistik- und Produktionsumgebungen werden zukünftig sämtliche Objekte vernetzt sein und autonom interagieren. Somit entwickeln sich starre Produktions- und Fördertechniken hin zu modularen und selbstorganisierenden Prozessen. Entscheidender Punkt bei dieser Begebenheit: Wo und in welchem Zustand befinden sich die Objekte und vor allem: Womit lassen sie sich orten?

Dazu beschreibt die wichtigsten Indoor-Lokalisierungssysteme Experte Jens N. Albers von der CovIQ GmbH: „Dabei stellt sich grundsätzlich die Frage, ob und was alles in einem ‚Tag‘ realisiert werden soll beziehungsweise kann.“ Der Anwender entscheide, was ein Lokalisierungssytem leisten soll. „Prinzipiell ist viel technisch möglich, aber es ist schließlich entscheidend, ob das auch aus Anwendersicht kommerziell sinnvoll ist“, erläutert Albers. Er ist auch Vorstandsmitglied bei AIM-D (Industrieverband für Automatische Identifikation, Datenerfassung und Mobile Datenkommunikation) sowie Leiter des Arbeitskreises RTLS (Real Time Locating System).

Konsolidierung bei Echtzeitlokalisierungssystemen

Seit 2019 findet laut Albers im Marktsegment der Echtzeitlokalisierungssysteme eine Konsolidierung statt. Dies bedeute, dass zunehmend kommerziell attraktive Lösungen auch für den industriellen Markt zur Verfügung gestellt würden. "Es entstehen auch neue Konsortien mit dem Ziel, eine Standardisierung von Technologieangeboten zu erreichen. Hervorzuheben ist neben der Technologieorientierten UWB-Alliance das Omlox-Konsortium und die Global Positioning Group der OPC Foundation", beschreibt Albers.

Übersicht: Indoor-Lokalisierungssysteme

Funktechnologien für Asset/Warehouse Tracking/Monitoring – Stand der Technik
Funktechnologien für Asset/Warehouse Tracking/Monitoring – Stand der Technik (Bild: Altes)

Sicherheit, Prozessoptimierung und Digitalisierung im Blick

Im AIM-D fokussiert sich der AK RTLS laut Albers auf die zunehmende Bedeutung von RTLS in kommerziellen und industriellen Anwendungen in Hinblick auf Sicherheit, Prozessoptimierung und Digitalisierung. "In den Anwendungen werden neben innovativen RF-Technologien Sensorik, optische Systeme und intelligente Software eingesetzt. Kooperation mit Industrie-Konsortien und auch Interoperabilität und Standardisierungsinitiativen sind Schwerpunkte in der AK-Arbeit", so Albers.

Außer den bereits benannten Technologien seien weitere neue RF-Technologien für die Nutzung der industriellen Indoor-Lokalisierung im Fokus, unter anderem in der Produktion und der Logistik. Dazu erklärt Albers: "Hier sind vor allem zunehmend 5G in den neuen Versionen für Campus-Netzwerke, die neuen WiFi-Standards 6E/7 und eventuell GPS für Indoor-Applikationen, Sub-1G, NB-IoT und LoRa - eher geeignet für Outdoor-Anwendungen - zu nennen."

Den Nutzer nicht aus den Augen verlieren

Hervorzuheben sei eine Nutzung von einem Technologie-Mix, um eine Datenbasis für KI-Lösungen und Digital Twins zu erhalten. "Außerdem ist es dabei wichtig, den Nutzer nicht aus den Augen zu verlieren. Neben einem nutzerfreundlichen User Interface ist eine Nutzerakzeptanz aus der Anwenderperspektive von enormer Wichtigkeit. Dabei spielt die verwendete Positionierungstechnologie eine untergeordnete Rolle, außer dass sie verwendbare Ergebnisse liefern muss", betont Albers. Hier könnten selbst Barcode-Scanner oder eine RFID-Lösung brauchbare Ergebnisse liefern.

Video über AIM

Hier gibt es die Erklärung, was hinter AIM steckt und was Sie davon haben.

Interaktive Karte als Schaltzentrale für den Mitarbeiter

Laut Albers ist ein erster wichtiger Schritt zu überlegen, welche Nutzergruppen im Unternehmen von den neuen Daten profitieren können, die über die In-Door-Lokalisierungs-Systeme generiert werden. "Häufig stellen diese Systeme die gewonnenen Daten über Softwareanwendungen Managern zur Verfügung. Dabei ist es jedoch möglich, weitere Nutzergruppen einzubeziehen, und damit die Akzeptanz und so den ROI eines solchen Systems weiter zu steigern", verdeutlicht Albers.

Ein gutes Beispiel liefert hier laut Albers das Start-up-Unternehmen Formation GmbH aus Berlin. "Es nutzt Lokalisierungsdaten aus unterschiedlichen Systemen und kombiniert diese zur Darstellung auf interaktiven Karten und stellt die Ergebnisse für verschiedene Anforderungen auf diversen Endgeräten einer Vielzahl unterschiedlicher Anwendergruppen zur Verfügung und macht diese im Arbeitsalltag einfach nutzbar", erklärt Albers. So würden zum Beispiel auch Maschinen auf der Karte eingebunden und mit Status und dergleichen angezeigt sowie ein Aufgabenmanagement integriert. So werde die Karte zur 'Schaltzentrale' für den Mitarbeiter.

Nachfolgend gibt der Experte eine Einschätzung über die wichtigsten Lokalisierungssysteme.

RFID

Es gibt passive und aktive RFID-Lösungen; passive Applikationen haben nur eine kurze Reichweite mit standardmäßig bis 10 cm, Ausnahmen erlauben auch bis 1 m, aktive Applikationen erlauben Reichweiten von 2 bis 20 m. Dabei ist in beiden Fällen eine mäßige Genauigkeit gewährleistet mit der Aussage: „Etwas ist da“. Der Tag selber hat keinen (im passiven Fall) oder geringen Energieverbrauch, nur der Reader benötigt Energie. Es handelt sich hier um eine, oft ausreichende, reine Identifikationstechnologie. Notwendig für die Leistungsfähigkeit ist entsprechende eingesetzte Software.

Bluetooth

Die aktuelle 5. Bluetooth-Generation hat durchaus Reichweiten von über 50 bis zu 70 m. Die Genauigkeiten schwanken abhängig von der Infrastruktur von 2 bis 5 m. Dabei ist der Energieverbrauch gering. Es werden Triangulationsverfahren zur Lokalisierung verwendet. Übergeordnete Lokalisierungs-Plattformen werden eingesetzt, die Ortsbestimmung erlauben. Bei den schmalbandigen Kanälen kann es durchaus zu Instabilitäten kommen, weil das verwendete 2,4-GHertz-Band auch von anderen Technologien, wie zum Beispiel WiFi, benutzt wird. Dadurch werden Reichweite und Genauigkeit beeinflusst.

Ultraschall

Ultraschall hat nicht eine große Reichweite (3 bis 5 m), da vor allem in einem Lager viele Hindernisse (Objekte) vorhanden sind, die eine Übertragung nicht möglich machen. Bei recht geringem Energieverbrauch ist die Genauigkeit relativ hoch.

WiFi

WiFi ist der bekannte Standard für Funktechnologien. Auch hier gibt es das Problem der line-off-sight- / non-line-off-sight-Thematik. Die Signalstärke ist stark von der Umgebung beeinflusst. Also schwankt die Reichweite enorm – in Tests von 1 bis 500 m. Ähnlich verhält es sich mit der Genauigkeit, die durchaus im Bereich von einigen Metern oder auch von einigen 20 Metern sein kann. Auch ist der Energieverbrauch relativ hoch. Die Problematik der Störfestigkeit kann durch die Verwendung des Alternativ-5-GHz-Frequenzbands gelöst werden.

Ultra-wide-band

UWB ist im Wesentlichen nur für Indoor-Anwendungen erlaubt. UWB wird gerne verwendet, wenn es um hohe Genauigkeiten im Bereich von 10 bis 30 cm geht. Allerdings liegt die Reichweite bei 15 bis 20 m.

Lidar

Lidar ist der derzeitige Highflyer. Die Reichweite ist gut, ebenso die Genauigkeit. Aber weniger für Intralogistiklösungen im Lager, sondern vielmehr für die Außenbereiche.

Lora

Lora funktioniert nur in Outdoor-Anwendungen und ermöglicht große Reichweiten, ist also in Anwendungen wie Smart Cities, zum Beispiel Parkplatzmanagementlösungen, geeignet.

Indoor-Lokalisierung, Intralogistik
Bilstein hat durch die Lokalisierung den Suchaufwand für die Coils reduzieren und die Staplereffizienz erhöhen können. - (Bild: Bilstein)

Automatisierung im Material Handling

Als ein exemplarischer Anwendungsfall soll die Neuentwicklung der Lokalisierung von Coils im Lager bei Bilstein dienen. Dabei lagert der Hersteller von Stoßdämpfern in verschiedenen Bereichen des Rohwarenlagers Stahlcoils (kurz: Coils), für deren Ein- beziehungsweise Auslagerung ein Gabelstapler verwendet wird. Die Coils werden hintereinander in einer Lagerrinne gelagert, wovon mehrere in einem Lagerbereich vorhanden sind. Die Lagerrinnen sind jeweils nur von einer Seite zugänglich. Mit RFID-Technologie wird bisher dokumentiert, in welchen Lagerbereich ein Coil eingelagert wird.

Lagerlogistik im Unternehmen

Mit der Kenntnis über den genauen Lagerort der Coils müssen diese nicht mehr manuell nachverfolgt und gesucht werden, und eine Inventur wird überflüssig. Mit der Weitergabe der Positionsdaten an ein zentrales Lagerverwaltungssystem können zudem die Lagerorte optimiert werden, um die Anzahl der Umlagerungsvorgänge zu minimieren. Zusammen mit den Experten bei Bilstein hat Kinexon für die Lokalisierung der Coils eine Kombination aus RFID-Transponder am Coil, Lastaufnahmesignal des Staplers und Lokalisierungsensor an den Staplern entwickelt. Sozusagen ist dies eine Lagertechnik von Logistik 4.0.

Materialfluss der Ware beim Warenausgang

Nimmt der Stapler ein Coil erstmals im Wareneingangsbereich auf, wird dies durch das Lastaufnahmesignal registriert. Durchfährt der Stapler damit das RFID-Gate am Eingang des Lagerbereichs, wird identifiziert, um welches Coil es sich handelt und Stapler und Coil werden miteinander verknüpft. Nicht nur die Staplerposition, sondern auch die Position des Coils ist nun in Echtzeit lokalisierbar.

Wird das Coil schließlich im Lagerbereich abgesetzt, erlaubt die Kombination aus Positionsdaten und der Veränderung des Lastaufnahmesignals des Staplers die Kenntnis über den genauen Ablageort des Coils. Die genaue Position des Coils wird durch das Abladen registriert und an das WMS übermittelt.

Lagerung im Logistikbereich der Produktion

Bei der Auslagerung reicht die Kenntnis über den Ort der Lastaufnahme aus, um zu identifizieren, welches Coil bewegt wird. Eine weitere Identifizierung durch RFID ist somit nicht mehr nötig. Eine lückenlose Nachverfolgung der Aus- und auch der Umlagerungen wird damit im Materialfluss erzielt. Da sich die Genauigkeit unter vorliegenden Bedingungen in einem Bereich von unter 30 cm bewegt und damit kleiner ist als die Abmessung, sind diese Fehler nahezu ausgeschlossen. Das Null-Fehlerprinzip wird somit durch den Einsatz des Real-Time Locating System gefördert.

Unterm Strich gibt es durch die erwähnten Indoor-Lokalisierungssysteme deutliche Vorteile beim Materialfluss innerhalb der Lagerlogistik.

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