Mobile Industrial Robots MIR

Das Unternehmen ‚Mobile Industrial Robots‘ wird 2013 von Niels Jacobsen in Odense
gegründet. Im Bild zu sehen ist die Montage eines mobilen Roboters in den Anfangstagen des Unternehmens. - (Bild: MIR)

Das Paradies liegt auf einer Insel. Für Robotik-Begeisterte jedenfalls. Denn ‚Robotics Paradise‘ – besser bekannt unter dem Namen Odense – ist auf der dänischen Insel Fünen angesiedelt. Hier ist nicht nur Universal Robots groß geworden und zum Weltmarktführer für Cobots aufgestiegen. Hier treffen nach wie vor Super-Nerds auf Geschäftsmänner oder Investoren und gründen neue Unternehmen.

In Odense teilt man Wissen und der Bürgermeister unterstützt Startups beim Einstieg ins Geschäftsleben. Und vor allem herrscht hier eines: geballte Robotik-Power. „Odense ist die Cobot-Hauptstadt der Welt. Nirgendwo sonst können Robotik Unternehmen von einem so eng vernetzen Ökosystem beziehungsweise Robotik-Cluster profitieren”, erzählt Joost Nijhoff, Direktor von ‘Invest in Odense’.

Doch warum funktioniert das Robotik-Cluster in Odense so außergewöhnlich gut? Um das Ganze zu verstehen, sollte man zunächst an der Universität im Ort auf Spurensuche gehen. Die ‚University of Southern Denmark (SDU) liegt etwas abseits von der Stadt umgeben von einer Sportanlage und Studentenwohnheimen.

Automatisiertes Schweißen als Grundstein für Robotik-Forschung

Die Schiffsreederei Maersk hat hier in den 80er-Jahren den Grundstein für den Robotik-Standort Odense gelegt. Das Unternehmen beschäftigte sich zu dieser Zeit verstärkt mit automatisiertem Schweißen und entschied, sich an der SDU zu engagieren. Maersk baute schließlich ein komplettes Gebäude für die Universität. Es trägt noch heute den Namen ‚Maersk Mc-Kinney Moller Institute‘.

Roboterforscher aus aller Welt tüfteln dort an Themen wie Drohnen, biologisch inspirierten Robotern oder auch industrienaher Robotik. Auch Esben Ostergaard, Co-Founder und heute CTO von Universal Robots forschte Anfang der 2000er an der SDU. Thema seiner PHD-Arbeit dort waren selbstkonfigurierende Roboter.

Video: Was Universal-Robots-CTO Østergaard an Robotern fasziniert

Zusammen mit Kristian Kassow und Kaspar Stoy – die Ostergaard von der Uni kannte - gründet er 2005 das Unternehmen Universal Robots. „Die existierenden Roboter waren zu kompliziert“, erzählt Ostergaard. Gerade für kleinere und mittlere Unternehmen – wie es in Dänemark sehr viele gibt – waren sie nicht geeignet. Das will Universal Robots ändern. Entwickelt wird der neue Roboter in einem Raum an der Uni.

Stoy konzentriert sich jedoch schnell auf seine Forscher-Karriere und arbeitet nicht mehr operativ bei Universal Robots mit. Ostergaard ist auf die Software spezialisiert und Kassow auf die Mechanik. Es fehlt ein Profi für die Elektrotechnik. Aber auch hier wird man an der SDU fündig. Denn im Raum nebenan arbeitet Lasse Kieffer, Bester seines Jahrgangs im Fach Elektrotechnik und schon als Kind vernarrt in alles Elektronische.

Der erste Mitarbeiter von UR ist ein absoluter Elektronik-Nerd

Ostergaard und Kassow heuern Kieffer 2007 als ersten Mitarbeiter von Universal Robots an. Er kümmert sich ab sofort um die Elektronik im Roboter. Im selben Jahr wird der mittlerweile fertig entwickelte Roboter einem ersten Praxis-Test unterzogen: in einem Gewächshaus in Dänemark.

Der Erfolg lässt aber weiter auf sich warten. Und das Geld der jungen Firma wird immer knapper. Das Startup zahlt das Gehalt für seinen einzigen Mitarbeiter Lasse bereits aus der eigenen Tasche. Doch die Rettung naht. Der ‚Danish Growth Fund‘ greift Universal Robots 2008 unter die Arme und investiert in das Startup. Einzige Bedingung: Ein Kaufmann muss her.

Video: Wie Krog Iversen Onrobot zum neuen Robotik-Star machen will

Der findet sich mit Enrico Krog Iversen, der Jahre zuvor ebenfalls an der SDU studiert hat und bereits Erfahrung als langjähriger Vertriebsleiter im Familienbetrieb ‚Krog Iversen & Co‘ hat.  Er führt Universal Robots in den kommenden Jahren als CEO zum Erfolg. „Ziele zu erreichen, ist eine persönliche Entscheidung“, erklärt der Unternehmer.

2012 entscheidet Iversen zum Beispiel, den Umsatz von Universal Robots in den kommenden fünf Jahren auf 1 Milliarde dänische Kronen (rund 134 Mio. Euro) zu steigern.  Es gelingt. Und das Unternehmen wächst weiter. Im Jahr 2015 verkauft er schließlich Universal Robots an den US-Konzern Teradyne. Für 285 Millionen Euro.

Der spektakuläre Verkauf macht Odense quasi über Nacht weltberühmt. Er pusht aber auch das gesamte Robotik-Cluster in Odense. Denn viel Geld aus dem Verkauf wird in neue Startups in Odense investiert. Iversen setzt zum Beispiel auf den Greiferhersteller Onrobot, den er heute als CEO führt.

Thomas Visti, der bei Universal Robots als Sales-Direktor und CCO gearbeitet hat, investiert in das Unternehmen Mobile Industrial Robots (MIR), ebenfalls aus Odense. „Vor rund zehn Jahren war die Stimmung in Odense eher negativ“, erinnert sich Visti und berichtet: „Da haben große Containerschifffirmen zugemacht. Jetzt herrscht hier eine super Stimmung, das hat das Robotik-Cluster geschafft.“

Video: Welche Ziele CEO Visti für Mobile Industrial Robots hat

Und Lasse Kieffer, dem ebenfalls ein sehr kleiner Teil von Universal Robots gehörte, gründet 2017 sein eigenes Unternehmen: Purple Robotics. Er bringt den ersten Vakuumgreifer für Cobots so erfolgreich auf den Markt, dass Geschäftsmann Krog Iversen direkt zuschnappt und das junge Unternehmen nur drei Monate nach der Markteinführung des ersten Produkts übernimmt.

Auch das zeichnet das Robotik-Cluster in Odense aus. Die einen entwickeln Ideen, die anderen vermarkten sie erfolgreich. Während Ostergaard, Kassow und Kieffer zu den Ideengebern zählen, gehören Krog Iversen und Visti eindeutig zu den Geschäftsmännern.

„Hier in Odenese funktioniert es oft wie ein Schneeball, der den Berg herunterrollt und immer größer und größer wird“, sagt Kieffer. Auch die Idee seines Cobot-Vakuumgreifers lässt sich mit Hilfe der Vertriebsstärke von Onrobot noch schneller verbreiten.

Video: Warum Lasse Kieffer von Onrobot gerne in Odense arbeitet

Diesen besonderen Spirit bestätigen auch andere Unternehmen aus dem Ort. „ Odense bietet einfach eine tolles Netzwerk für alle Talente und Unternehmen, die sich im weitesten Sinne mit Robotik beschäftigen“, erzählt Jesper Bach, Managing Director und Partner bei Trivision, einem Spezialist für Bildverarbeitung im Sektor Qualitätssicherung.

Auch die auf Schweißroboter spezialisierte Firma Inrotech stammt aus Odense. „Wir greifen gerne auf den Support der Stadt Odense zurück“, sagt CCO Morten Arndal Nielsen. Und die Universität SDU bilde einfach sehr gute Robotik-Ingenieure aus. Das sei für Inrotech sehr wichtig ist.

Das Unternehmen Easyrobotics hat eine transportable Roboterzelle für die Maschinenbestückung entwickelt und sich ebenfalls auf Grund des tollen Robotik-Netzwerks in der Nähe von Odense niedergelassen. „Dänemark ist nur ein kleiner Markt, um Roboter zu verkaufen“, erklärt CEO Per Lachenmeier. Da das Produkt aber über die Plattform von Universal Robots verkauft werde, habe man einen großen Vorteil.

Video: Darum ist das Robotik-Cluster in Odense so erfolgreich

Auch Gibotech-CEO Henrik Anker bestätigt, dass sich Odense in den vergangenen Jahren zum Epizentrum für Robotik in Dänemark entwickelt hat und weltweit Beachtung findet. „Es ist hier sehr einfach, strategische Partnerschaften zu schließen“, sagt der Firmenchef. So hat Gibotech erst kürzlich ein neues Unternehmen in Zusammenarbeit mit der Sanovo Technology Group gegründet – die sich in direkter Nachbarschaft befindet. Das neue Startup heißt ‘Sanovo Technology Robotics’

Odense ist und bleibt ein Paradies für Robotik-Ingenieure

„Gerade für Ingenieure ist es sehr attraktiv, in Odense zu arbeiten“, fasst Morten Nielsen vom ortsansässigen Robocluster zusammen. Das Potenzial hier im Bereich Robotik sei einfach riesig und es tut sich ständig etwas in Odense, erklärt der leidenschaftliche Netzwerker. Und Robotik soll in Odense weiterhin wachsen und florieren. Die Stadt Odense jedenfalls und insbesondere Bürgemeister Peter Rahbæk Juel backen keine kleinen Brötchen. „Wir bezeichnen unsere Stadt schon heute als ‘Cobot World Capital’“, erzählt Joost Nijhoff von ‚Invest in Odense‘. Jetzt gehe es darum, diese Position auszubauen.

Und diesen Ambitionen folgen – wie man es aus Odense kennt - auch Taten: Etwa 6,5 Millionen Euro wird die Stadt bis 2020 in die Aktivitäten ihrer Robotik- und Drohnen-Cluster investieren. Die beiden Cluster werden von der Stadt zum Beispiel durch Programme wie  den Startup Hub, Recruitment-Kampagnen oder Investoren-Summits unterstützt.

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