Kleine Serien bis hin zu Losgröße 1 stehen heute in vielen Fertigungsbetrieben auf der Tagesordnung. Additive Fertigungsverfahren boomen daher. Der klassische 3D-Metalldruck per Laser oder auf Pulverbasis ist jedoch relativ langsam und teuer. Anders sieht das beim 3D-Metalldruck per Lichtbogentechnik aus.
Das Verfahren eignet sich besonders, um komplexe Strukturen aus schweißbarem Material zu erzeugen. Das berichtet Jan Pitzer, Schweißfachingenieur bei Carl Cloos Schweißtechnik.
„Im Vergleich zu anderen Metall-3D-Druck Verfahren erlaubt der 3D-Druck mit dem Lichtbogen deutlich größere Abschmelzleistungen und baut erheblich höhere Schichtdicken auf“, erklärt der Schweißfachmann. Die Verfügbarkeit von zahlreichen Legierungsmischungen mache das Verfahren für unterschiedliche Werkstoffe interessant. Zudem könne der Lichtbogen-Druck teilweise mit dem Roboter durchgeführt werden, was im Gegensatz zu Pulverbett-Anwendungen mehr Freiheitsgrade in der Anwendung zulässt. „Allerdings stellt die Wärmeführung bei vielen Anwendungen noch eine Herausforderung dar“, berichtet Pitzer.
Grundsätzlich eignet sich der 3D-Metalldruck per Lichtbogentechnik für das Prototyping sowie Kleinauflagenserien, die in akzeptabler Geschwindigkeit hergestellt werden müssen und für die es sich nicht lohnen würde, teure Spritzgusstechnologien zu nutzen beziehungsweise Formen zu produzieren, die der Großserienfertigung vorbehalten sind.
Anbauten an bestehende Gußteile denkbar
Das teilt Dr. Achim Herrmann, technischer Direktor bei OTC Daihen Europe, einem Hersteller von Robotern, Schweiß- und Schneidtechnik, mit. Neben den Kleinauflagen sind laut Herrmann Anbauten an bestehende Gußteile denkbar, für die es sich nicht lohnen würde, Formen im klassischen Spritzgussverfahren herzustellen.
„Ich denke hier beispielsweise an die Serienfertigung von LKW-Kühlern, die jedoch variable Anbaukonstruktionen benötigen“, erläutert der Schweißtechnik-Experte. Diese Anbauten oder Zusatzkonstruktionen könnten über das 3D-Lichtbogen-Metalldruckverfahren hergestellt und wahlweise auch direkt mit den Kühlern verbunden werden.
Ein großer Teil der Nutznießer des 3D-Metalldrucks dürfte Herrmanns Einschätzung nach der Berufszweig der Metallbauer sein, der kleine Serien von Geländern, Fassungen, Rahmen und Profilen auflegt und der generell in seinem Angebot flexibel aufgestellt ist. OTC bietet sogenannte SynchroFeed-Verfahren, um durch das Abschmelzen eines Werkstoffes zunächst eine Trägerfläche aufzubringen und diese anschließend Schicht für Schicht aufzubauen. Daraus entsteht am Ende ein physischer Körper aus einem 3D-Programm.
„In diesem Zusammenhang ist es wichtig zu erwähnen, dass durch unser Verfahren praktisch sämtliche Geometrien realisiert werden können, die lediglich durch die definierten Reichweiten des eingesetzten Roboters determiniert sind“, berichtet Herrmann. Der 3D-Metalldruck in der Lichtbogenschweißtechnik bei OTC erfolgt dazu noch in einer akzeptablen Geschwindigkeit durch das konstante Aufschmelzen von Materialien.
Breites Werkstoffspektrum
Auch die TU Ilmenau beschäftigt sich mit dem additiven Fertigungsverfahren. Am Lehrstuhl von Prof. Jean-Pierre Bergmann wurde zum Beispiel ein 1,2 m hoher Stehtisch sowie eine 300 mm hohe turbinenähnliche Geometrie additiv per Lichtbogentechnik gefertigt. „Auch ein Laufrad für Pumpen haben wir aufgebaut“, erzählt Bergmann und fügt hinzu: „Vom Werkstoff her lässt sich alles fertigen, was vom Draht her vorhanden ist, so zum Beispiel Aluminium und Stahl.“
Derzeit geht Bergmanns Lehrstuhl der Frage nach, wie die Festigkeit der Bauteile beschaffen ist.
„Denn es handelt sich zunächst nicht um homogen hergestellte Halbzeuge, sondern um ein aus mehreren, aufeinanderliegenden Lagen bestehendes Teil“, erläutert der Professor. Die Besonderheit dabei sei, dass die Produktion jeder Lage die darunter liegenden Lagen aufs Neue erwärmt.
Der Werkstoff durchlebe so einen wiederkehrenden Temperaturzyklus. „Die aufgebaute Struktur kann sehr unterschiedliche Festigkeitseigenschaften besitzen“, bringt es Bergmann auf den Punkt. Sein Team forscht daher daran, ob die Bauteile im Anschluss wärmebehandelt werden müssen und wie man den Verzug vorab durch Simulation abschätzen kann. „Hier testen wir beispielsweise, die Geschwindigkeit des Prozesses zu erhöhen, um den Wärmestau zu minimieren“, sagt Bergmann.
Pilotfabrik TU Wien
An der TU Wien wird ebenfalls an dem Thema gearbeitet. Gemeinsam mit dem Hersteller von Schweißrobotern und Systemen IGM betreibt die Universität eine Anlage in der ‚Pilotfabrik TU Wien‘. Neben dem Schweißprozess ist dort auch die weitere spanende Bearbeitung Thema. Die Herausforderung liegt aber im Schweißprozess. Zum Einsatz kommt der CMT-Prozess von Fronius.
Der CMT-Prozess ist grundsätzlich schon ein kühler Prozess, bietet also gute Voraussetzungen. Da eine zu große Schweißraupe davonrinnen würde, bevor eine weitere Raupe aufgeschweißt wird, kommt auch eine Kühlung ins Spiel. Integriert in die Anlage ist auch das sogeannte Slicing, also das schichtenweise Zerlegen des 3D-Modells, um die Schweißraupe programmieren zu können. Weiterhin wird ein 3D-Scan der erzeugten Struktur genutzt, um über einen Soll-Ist-Vergleich mit dem 3D-Modell die nachgelagerte CNC-Maschine zu steuern und eine Regelungsschleife zum Schweißroboter herzustellen.
Bei Cloos läuft die Entwicklung der Lichtbogen-Schweißprozessen ‚Motion Control Weld‘ und ‚Motion Vari Weld‘, mit denen der 3D-Metalldruck machbar ist, derweil auf Hochdruck.
„Die Verfahren sind in der Endphase der Entwicklung und werden an unterschiedlichen Anwendungen getestet“, berichtet Schweißfachingenieur Pitzer. Die Technik baut auf die Reduzierung der eingebrachten Wärme in das Bauteil.
Die Motion-Weld-Prozesse kommen laut Pitzer mit einem Minimum an Energie aus, die es ermöglicht, das Metall zwar aufzuschmelzen, aber nicht so viel Wärme in die filigranen Strukturen einzubringen, dass das Schmelzbad unkontrolliert zur Seite läuft. „Mit den Prozessen haben wir bereits Rohrstrukturen, dünnwandige Strukturen oder Schriftzüge erzeugt“, sagt der Schweißexperte. Das Verfahren sei darüber hinaus auch für Anwendungen mit Auftragsschweißen denkbar.
Auf einen Blick: Das sind die Vorteile des Verfahrens
Prof. Jean-Pierre Bergmann von der TU Ilmenau berichtet: „Additives Fertigen per Lichtbogentechnik ist vergleichsweise günstig. Das liegt zum einen an der hohen Aufbaurate. Auf der anderen Seite sind auch die Investitionskosten niedrig, da man Draht statt Pulver als Ausgangsstoff nutzt. Weiterhin ist die Eintrittsbarriere für den Prozess relativ gering. Denn viele Unternehmen nutzen den Metallschutzgas-Lichtbogen bereits zum Schweißen in der Fertigung. Die Mitarbeiter können also mit dem Prozess an sich bereits umgehen.
Grundsätzlich hat das Verfahren dieselben Vorteile wie jede additive Fertigungstechnik. Häufig geht es zur Zeit um Reparaturfälle. Fällt ein Einzelteil in einer Pumpe, einer Armatur oder im Werkzeugbau aus, können die Lieferzeiten lang sein. Das lässt sich mit einem additiv gefertigten Teil überbrücken. Und für die Lichtbogentechnik ist schließlich die hohe Aufbaurate ausschlaggebend, dass man eben viele Kilogramm pro Stunde produzieren kann.“
OTC wiederum hat bereits ein marktreifes Verfahren entwickelt. „Derzeit liegt die neue Technologie unterschiedlichen Hochschulen vor, die sich in den nächsten Monaten über eingehende Studien zur neuen 3D-Technologie von OTC äußern werden“, erklärt der technische Direktor Herrmann.
Der Markt steht seiner Meinung nach kurz vor einem großen Durchbruch. Die Herausforderung bestehe darin, eine beliebige Losgröße 1 im kostengünstigsten Herstellungsverfahren zu konstruieren. „Unser neues Verfahren dürfte diesbezüglich bei diesem Wettlauf die Nase vorn haben“, sagt Hermann selbstbewusst.
Prof. Bergmann von der TU Ilmenau kennt mit Ramlab aus Rotterdam bereits ein Unternehmen, das Schiffsschrauben per Lichtbogentechnik produziert. Bergmann berichtet außerdem von Nosk Titanium aus den USA, die Umformwerkzeuge mit der Technik gefertigt haben. „Und Gefertec aus Deutschland entwickelt und vertreibt seit 2017 Turnkey-Anlagen“, sagt Bergmann abschließend