Margherita Adragna ist bei Siemens CEO Customer Services for Digital Industries. Im Interview spricht sie über verschiedene Aspekte der Kreislaufwirtschaft.

Margherita Adragna ist bei Siemens CEO Customer Services for Digital Industries. Im Interview spricht sie über verschiedene Aspekte der Kreislaufwirtschaft. (Bild: Siemens AG)

Die Kreislaufwirtschaft ist ein immer wichtigeres Thema in der Industrie. Wie hat sich Siemens in den letzten Jahren in diesem Bereich engagiert?

Margherita Adragna: In Zeiten, in denen Umweltauflagen verschärft werden, ist der Wandel von der linearen zur Kreislaufwirtschaft entscheidend, um nachhaltig zu sein. Als globale Serviceorganisation für Siemens Digital Industries beschäftigen wir uns in der Business Unit Customer Services seit Jahren in diesem Bereich.

Wir helfen unseren Kunden eine Kreislaufwirtschaft in ihren Anlagen durch Aufarbeitungs- und Wiederaufbereitungsangebote zu implementieren sowie ihre Produktlebensdauer zu verlängern. Damit sorgen wir nicht nur dafür, dass die Maschinen unserer Kunden länger laufen, sondern auch Ressourcen geschont werden. Wie wir das machen? Alles beginnt in der Designphase eines neuen Produkts.

Um das Potenzial einer Kreislaufwirtschaft auszuschöpfen, müssen die Prinzipien der Nachhaltigkeit von der Konzeption eines Produkts an in dem Design verankert sein. Aus diesem Grund sind unsere Digital Enterprise Services mit den Serviceability-Funktionen eng in das Produktdesign eingebunden und sorgen dafür, dass die Produkte für die Kreislaufwirtschaft bereit sind – basierend auf den Ökodesign-Kriterien von Siemens.

So sind heute etwa 80 Prozent der Motion-Control-Produkte von Siemens (zum Beispiel unsere Antriebe und numerischen Steuerungen) für die Kreislaufwirtschaft vorbereitet. Aber natürlich wollen wir den Anteil noch weiter ausbauen.

Podcast: Geas Chief Sustainability Officer über Kreislaufwirtschaft

Welche konkreten Maßnahmen und Projekte hat Siemens Digital Industries umgesetzt, um die Kreislaufwirtschaft zu fördern?

Adragna: Mit unseren Digital Enterprise Services haben wir einige Maßnahmen und Projekte umgesetzt, um eine Kreislaufwirtschaft zu fördern. Dazu gehören unsere Circular Spares & Repairs Services. Dabei konzentrieren wir uns darauf, durch Reparatur-, Aufarbeitungs- und Wiederaufbereitungsprozesse das Beste aus Produkten herauszuholen. Dabei geht es darum, die bisherige Funktionalität defekter Produkte wiederherzustellen, ihren Zustand zu verbessern und ihre Lebensdauer zu verlängern.

Unser Long Life Repair Angebot bietet eine erweiterte Verfügbarkeit von Ersatzteilen, auch nachdem das Auslaufen eines Produkts angekündigt wurde. Unsere Angebote unterstützen Kunden bei der Herausforderung, Maschinen für bestimmte Zeiträume länger zu betreiben. Wie etwa während des Übergangs von Verbrennungsmotoren zur E-Mobilität bis 2035.

Außerdem bieten unsere Austauschmodelle für ältere Produktfamilien einen Preisvorteil bei der Ersatzteilbeschaffung – zum Beispiel für unsere Antriebe und CNC-Ersatzteile – und der gleichzeitigen Rückgabe von Altgeräten. Das heißt, im Falle eines defekten Bauteils bestellt der Kunde ein Ersatzteil, schickt das Defekte zurück und erhält dafür eine Gutschrift.

Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik

Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik
(Bild: mi conect)

Experten aus Wissenschaft, Forschung und Industrie tauschen sich jedes Jahr auf der Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik zu den aktuellen Themen rund um klimaneutrale Industrie aus.

 

Prof. Alexander Sauer hat 2023 einen Vortrag zum Thema "Defossilierung der Produktion" gehalten. Im Podcast Industry Insights hat er die wichtigsten Punkte zusammengefast. Hier klicken, um zur Folge zu kommen!

 

Weitere Beiträge, die sich mit den Themen der Konferenz beschäftigen, finden Sie in unserem Fokusthema CO2-neutrale Industrie. Hier geht's entlang!

 

Die nächste Fachkonferenz findet am 15. und 16. Mai 2024 in Würzburg statt. Hier kommen Sie zur Anmeldung: Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik

Welche Herausforderungen sehen Sie für die breite Umsetzung der Kreislaufwirtschaft in der Industrie? Wie kann Siemens Digital Industries dazu beitragen, diese Herausforderungen zu meistern?

Adragna: Eine große Herausforderung besteht darin, ein zirkuläres Geschäftsmodell zu implementieren. Dieses muss rückkehrende Logistikprozesse berücksichtigen und es Kunden einfach machen, Produkte zur Reparatur, Aufarbeitung oder Wiederaufbereitung einzusenden. Wir wollen unsere Kunden dabei unterstützen, indem wir digitale Tools und Technologien bereitstellen, die es Unternehmen ermöglichen, effizienter auf eine Kreislaufwirtschaft umzusteigen.

Zweitens betonen wir bei Siemens Customer Services for Digital Industries, wie wichtig es ist, Produkte unter Berücksichtigung der Kreislaufwirtschaft zu entwickeln und Funktionen zu integrieren, die eine einfache Reparatur, Aufarbeitung und Wiederaufbereitung ermöglichen. Das Serviceability-Konzept orientiert sich eng am Ökodesign des Produkts während des gesamten Produktlebenszyklus und unterstützt die Kunden bei der Erreichung ihrer Nachhaltigkeitsziele.

Inwiefern können digitale Technologien wie das Internet der Dinge und Künstliche Intelligenz dazu beitragen, die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Kreislaufwirtschaft zu steigern?

Adragna: Entscheidend sind Daten und Analysen für die Messung und Nachverfolgung der Effizienz. Wir können Tools anbieten, die der Industrie helfen, ihre nachhaltige Leistung zu erfassen, zu analysieren und darüber zu berichten. Ein Beispiel wäre hier das CO2-Management-Tool Sigreen. Energieeffizienzlösungen basierend auf digitalen Technologien – wie industrielles Energiemanagement und Energieaudits – tragen dazu bei unnötigen Energieverbrauch zu reduzieren.

Darüber hinaus können Predictive Maintenance Services, die durch IoT und KI ermöglicht werden, vorhersagen, wann Maschinen oder Produkte ausfallen könnten. Dadurch werden eine proaktive Wartung und reduzierte Ausfallzeiten möglich. Dies verbessert nicht nur die betriebliche Effizienz, sondern reduziert auch unnötigen Energieverbrauch und unterstützt einen nachhaltigeren Ansatz bei der Ressourcennutzung. Insgesamt bieten digitale Technologien wertvolle Werkzeuge und Fähigkeiten, um die Effizienz und Nachhaltigkeit in der Kreislaufwirtschaft zu steigern.

Welche Rolle spielt die Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Unternehmen und Branchen bei der Förderung der Kreislaufwirtschaft? Gibt es erfolgreiche Kooperationsmodelle, die Sie hervorheben können?

Adragna: Die digitale Transformation begann mit dem Einsatz digitaler Modelle, um die drei traditionellen Treiber Zeit, Qualität und Kosten in der realen Welt noch weiter zu optimieren. Jetzt bedeutet es, noch weiter vor- und nachgelagert zu schauen. Alle Stakeholder (Mitarbeitende, Kunden und Lieferanten) müssen für den umweltschonenden Nutzen einer Kreislaufwirtschaft sensibilisiert und in die Entscheidungsfindung miteinbezogen werden. Leistungskriterien müssen aus einem neuen Blickwinkel betrachtet und Nachhaltigkeitsaspekte berücksichtigen werden.

Recyclingkooperationen mit Partnern zur Wiederverwendung von Materialien sind besonders wichtig. Sie ermöglichen es, Materialkreisläufe zu schließen und Abfall zu minimieren.

Ein erfolgreiches Kooperationsmodell ist Catena-X, ein Konsortium von Automobilherstellern, die im Sinne der Kreislaufwirtschaft zusammenarbeiten. Diese Zusammenarbeit zielt darauf ab, Praktiken der Kreislaufwirtschaft in der Automobilindustrie zu entwickeln und umzusetzen: Sie zielt darauf ab, ein digitales Ökosystem zu etablieren, das Transparenz über die automobile Wertschöpfungskette bietet. Dadurch soll die Wiederverwendung, Wiederaufbereitung und das Recycling von Altprodukten erleichtert werden.

Was ist die langfristige Vision von Siemens Customer Services for Digital Industries für die Kreislaufwirtschaft in der Industrie und welche Schritte planen Sie, um diese Vision zu verwirklichen?

Adragna: Wir als Siemens Customer Services for Digital Industries streben eine Kreislaufwirtschaft in der Industrie an, die die Beschleunigung zirkulärer Geschäftsmodelle wie Product-as-a-Service und Modelle beinhaltet, um die Produktnutzung zu maximieren. Unser Ziel ist es, ein nachhaltiges und effizientes Ökosystem zu schaffen, in dem Ressourcen verantwortungsvoll genutzt, Abfall minimiert und Produkte unter Berücksichtigung von Langlebigkeit und Recyclingfähigkeit entwickelt werden.

Welche Ratschläge oder Empfehlungen haben Sie für Unternehmen, die Kreislaufwirtschaft in der Industrie stärker fördern wollen?

Adragna: Beim Übergang von der linearen zur Kreislaufwirtschaft spielen viele Facetten eine Rolle: Zum einen ein Produktdesign für die Kreislaufwirtschaft, End-of-Life-Szenarien und zirkuläre Geschäftsmodelle. Darüber hinaus ist es wichtig, einen kostengünstigen und skalierbaren Ansatz für die Rückführung von Industrieprodukten zur Wiederaufbereitung zu entwickeln und technologische Innovationen für die standardisierte Demontage zu nutzen.

Die Mitarbeitenden eines Unternehmens abzuholen ist auch sehr relevant. Stellen Sie Schulungen und Ressourcen bereit, um alle in die Lage zu versetzen, zu Kreislaufinitiativen beizutragen. Schauen Sie über Ihren eigenen Betrieb hinaus und arbeiten Sie gemeinsam mit Lieferanten, Kunden und Partnern an Lösungen, die eine Kreislaufwirtschaft fördern.

Auf diese Weise können Unternehmen nicht nur zu einer nachhaltigeren Zukunft beitragen, sondern auch neue Geschäftsmöglichkeiten erschließen, den Ruf ihrer Marke verbessern und ihre Widerstandsfähigkeit in einem sich entwickelnden Markt stärken.

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