Zukunftsthema Kreislaufwirtschaft.

Kreislaufwirtschaft setzt sich aus vielen unterschiedlichen Ansätzen zusammen. (Bild: Kannapat - stock.adobe.com)

„Zielsetzung der Kreislaufwirtschaft ist es, die Umwelt und die Menschen zu schonen, indem Energie und Rohstoffe sowohl sinnvoll eingesetzt als auch so verwendet werden, dass sie den Kreislauf möglichst mehrfach durchlaufen, und am Ende des Produktlebens eine vernünftige Entsorgung oder ein Wiederverwenden der Rohstoffe stattfindet“, fasst Heinz Mäder, Werkleiter der Siemens Smart Infrastructure Factory in Zug, das Prinzip zusammen.

Aus dieser Definition wird deutlich, dass das, was heutzutage allgemein als die Kreislaufwirtschaft bezeichnet wird, sich in Wirklichkeit aus vielen unterschiedlichen Ansätzen zusammensetzt.

Das Zukunftsthema war für Rolls-Royce schon immer sinnvoll

Mit klassischem Remanufacturing, also neue Motoren aus nach einem vordefinierten Prozess aufbereiteten Komponenten herzustellen, haben wir bereits 2009 begonnen. MTU-Motoren aber mit einer individuellen Überholung ein neues Leben geben, das machen wir eigentlich schon immer“, sagt Marc Goldschmidt, Vice President Remanufacturing & Overhaul+ Technologies des Rolls-Royce Geschäftsbereichs Power Systems.

Marc Goldschmidt, Rolls-Royce.
Marc Goldschmidt ist Vice President Remanufacturing & Overhaul+ Technologies des Rolls-Royce Geschäftsbereichs Power Systems. (Bild: Rolls-Royce)

Der Grund für diese Tradition liegt im Anwendungsbereich der Produkte: Schiffe werden oftmals um die Technologie herum gebaut, das heißt der Motor passt genau in den Schiffsraum. Wäre es nicht möglich, den Motor, der auch teilweise mehr als 60 Jahre im Feld ist, immer wieder aufzubereiten, müsste der Betreiber das Schiff außer Betrieb nehmen.

„Beim Factory Overhaul bleibt das Kundenprodukt das Kundenprodukt“, erklärt Goldschmidt den wesentlichen Unterschied zu einem Reman-Produkt. Das steckt dahinter: Beim Factory Overhaul wird das Produkt komplett zerlegt, alle Teile gewaschen, befundet und aufbereitet, Bauteile gegebenenfalls ausgetauscht und Updates oder Upgrades implementiert. Natürlich wird all dies auch dokumentiert und nachdem das aufbereitete Produkt dieselben Prüfläufe wie ein Neuprodukt durchlaufen hat, erhält der Kunde für sein Produkt eine Fabrik-Garantie über zwei Jahre.

Die Reman-Produkte für den Wiederverkauf sehen ebenfalls aus wie neu, enthalten allerdings sowohl aufbereitete Komponenten als auch neue, um dem aktuellen Stand der Technik zu entsprechen. Hierfür greift Rolls-Royce zum größten Teil auf ein Lager zu, in dem gebrauchte und gegebenenfalls aufbereitete Komponenten gesammelt werden.

Prof. Schuh über Kreislaufwirtschaft und die besten Fabriken

Der Vorteil dieses Vorbestands ist der signifikante Einfluss auf die CO2-Reduzierung, wie Goldschmidt erklärt: „Wir haben weder Transporte noch den Energieaufwand, den es braucht, um zum Beispiel einen Motorblock zu gießen und zu bearbeiten.“ Die Aufbereitung benötigt nur einen Bruchteil dieser Energie und gerade das macht sie für den Kunden so interessant, da er seinen CO2-Footprint in Scope 3 merklich reduzieren kann.

„Im Reman-Leitwerk Magdeburg haben wir sowohl MTU-Produkte zur Energieerzeugung in der Überholung und im Reman-Prozess als auch zum Beispiel MTU-Rail-Powerpacks für Triebzüge. Bahnbetreiber legen in der Regel großen Wert auf Reman-Produkte, weil sie diese sofort austauschen können, wenn der Zug ins Depot kommt. Das ausgetauschte Produkt geht sofort zurück in die Revision und das Powerpack wird binnen 15 Tagen generalüberholt,“ schildert Goldschmidt die risikolose Versorgungskette.

„Wir machen das vermeintliche Zukunftsthema an 15 Standorten weltweit schon lange, da es für unsere Produkte einfach sinnvoll ist. Dass wir mit unserer zirkulären Produktion nun auch das Thema Nachhaltigkeit sinnvoll bedienen, kommt als Add-on hinzu. Aktuell sind wir gerade dabei, den Reman-Bereich strategisch weiter auszubauen, da wir noch viel Potenzial in der Kreislaufwirtschaft sehen“, verrät Goldschmidt.

Voith: Remanufacturing rechnet sich auch für den Maschinenpark

Auch Voith hat für die fünf in Garching produzierten Produkte für den klassischen Antriebsstrang schon vor 20 Jahren das so genannte Tauschteil-Konzept entwickelt, das vom Prinzip dem Remanufacturing entspricht. Die Aggregate werden aus dem Feld zurückgeholt, demontiert und Baugruppen regeneriert, während der Kunde ein überholtes Produkt zurückerhält. „Wir haben für das Getriebe über 30 Systembaugruppen, die wir generalüberholen und ihnen somit ein zweites oder drittes Leben geben.

Das Prinzip hat in den letzten zehn Jahren enorm an Fahrt aufgenommen, weil Kunden nicht nur von der schnellen Verfügbarkeit profitieren. Für sie ist ein überholtes Produkt auch preislich attraktiv, da wir weniger Wertschöpfung einbringen müssen als bei einem Neuprodukt, erklärt Steffen Krippendorf, COO Mobility bei Voith.

Steffen Krippendorf, Voith.
Steffen Krippendorf ist COO Mobility bei Voith. (Bild: Voith)

In letzter Zeit lag der Anteil des Reman-Geschäfts an der Wertschöpfung im Werk bei zwölf Prozent, ließe sich aber auf 20 Prozent ausbauen. Das Potenzial von Remanufacturing hat Voith auch anderer Stelle erkannt „Hersteller von Bearbeitungsmaschinen haben ja dasselbe Problem wie wir, wenn wir Getriebe überholen“, weiß Krippendorf.

Viele Jahre hat man in Garching immer die großen Technologiesprünge gesucht, vier alte Maschinen durch eine neue ersetzt, die alle Bearbeitungsschritte erledigen kann. „Seit zwei, drei Jahren stellen wir aber fest: nicht bei jeder Technologie hat sich das so geändert, dass man eine Neuinvestition wirklich rechnen kann. Wenn eine Bearbeitungszeit für ein Getriebe 20 Minuten beträgt und man sie durch Automatisierung auf zehn Minuten reduzieren kann, kann man natürlich einsparen und rechnen. Wenn man durch neue Technologie und schlechterer Automatisierbarkeit nur 18 Minuten erreicht, sind wir dazu übergegangen, dass wir ein Maschinen-Reman anfragen“, erläutert Krippendorf die Vorgehensweise.

„Man muss hier die Ökonomie betrachten: Wenn die Maschine grundsätzlich noch in Ordnung ist, lassen wir sie überholen und haben damit eine rechenbare Lösung und eine Maschine, die ein neues Leben für die nächsten sechs bis zehn Jahre hat.“

Genau das ist seiner Meinung nach der Punkt, worauf es bei Kreislaufwirtschaft eigentlich ankommt: „Wenn man einmal verstanden hat, dass man Kreislaufwirtschaft nicht macht, weil es gerade cool ist, sondern weil es einfach sinnvoll ist und damit auch auf CO2- und Energieeinsparung einzahlt, hat man einen Qualitätssprung geschafft, mit dem man selbst in den aktuell anspruchsvollen Zeiten Geld verdienen kann.“

Fabrik des Jahres

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(Bild: SV Veranstaltungen)

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Rational setzt auf lange Lebensdauer und Recyclingfähigkeit

Kreislaufwirtschaft muss nachhaltig sinnvoll sein. Genau deshalb sagt Peter Wiedemann, COO von Rational, ganz klar: „Eine Aufbereitung ist für uns weder wirtschaftlich noch ökologisch sinnvoll.“ Der Grund dafür ist einfach: Wenn ein Gerät zur thermischen Speisenzubereitung nach 20 Jahren zurück ins Werk kommt, dann ist dies derart durch Fett verschmutzt, dass man für eine Reinigung der Teile so viel Energie und Chemie einsetzen müsste, wodurch die Nachhaltigkeits-Bilanz wesentlich schlechter ausfällt als bei dem Recyclingkreislauf, den der Fabrik-des-Jahres Sieger schon seit langem verfolgt.

„Das Geschäftsmodell von Rational zielt auf den maximalen Kundennutzen ab. Von daher wollen wir von vorne herein Geräte herstellen, die möglichst langlebig sind und sich nicht durch Verschleiß aus dem Markt bringen, sondern durch Innovation“, erläutert er die Denkweise des Unternehmens, auf der seit Jahren die Produktentwicklung beruht.

Peter Wiedemann, Rational.
Peter Wiedemann ist COO von Rational. (Bild: Rational)

„Wir haben also Kunden, die unsere Produkte 24 Stunden am Tag benutzen und diese nach zwölf Jahren voll funktionsfähig aus dem Betrieb nehmen, weil sie ein moderneres Gerät möchten“, sagt Wiedemann. Und deshalb liegt der Fokus der Kreislaufwirtschaft auf der Recyclingfähigkeit der Produkte, bei denen Edelstahl mit 98 Prozent den überwiegenden Gewichtsanteil ausmacht. Weil es wegen der problematischen Reinigung wesentlich besser ist, den Edelstahl wieder einzuschmelzen statt das Gerät aufzubereiten, geht das Metall automatisch ins Recycling zurück.

„Wir beschäftigen uns immer mehr damit, was wir mit Platinen oder Kunststoffen machen“, berichtet Wiedemann. Dies sei für ihn allerdings eine relativ schwierige Herausforderung, denn die Anforderungen an das recycelte Material sind nicht mit denen für eine Türverkleidung eines Autos zu vergleichen.

Wiedemann erklärt: „Wir haben für unsere Geräte sehr extreme Umweltbedingungen. Von extremen Temperatursprüngen bis hin zu viel Fett in der Umgebung und dementsprechend aggressiven Reinigungsmitteln. Hinzu kommen noch Auflagen zum Thema Flammschutz, die wir uns zum Teil selbst auferlegen, aber eben auch Zulassungen in den USA. Und da wird es spannend, wie wir das mit recyceltem Material erfüllen wollen.“

Heinz Mäder, Siemens SI.
Heinz Mäder ist Werkleiter Siemens Smart Infrastructure Factory in Zug. (Bild: Siemens SI)

Siemens SI lebt das eigene Geschäft

Auch in der Schweiz kennt man den Problemfall Kunststoff „Man muss in Konstruktion und Entwicklung darauf achten, dass man zum einen möglichst wenig davon einsetzt, und zum anderen Kunststoffe verwendet, die auch wirklich rezyklierbar sind“, weiß Heinz Mäder. Dem Vorsatz, Materialeinsatz für elektronische Schaltungen zu reduzieren, kommen neue Technologien zu Gute, durch die Leiterplatten immer dünner und die Geometrien immer kleiner werden.

Auch werden in den Produkten von Siemens SI Kunststoffe bereits zu einem hohen Prozentsatz mit rezykliertem Material angereichert. Doch den Bestrebungen, diesen Anteil auf mehr als die Hälfte zu erhöhen, steht ein Problem gegenüber: Jeder Spritzgießer möchte wissen, was er in seine Maschine gibt, weil er für das Ergebnis verantwortlich ist. „Deshalb versuchen wir hier, möglichst immer unsere Produkte im Kreis zu halten“, sagt Mäder.

In Zug hat man noch weitere Wege gefunden, den Kreislauf von Rohstoff und Energie möglichst mehrfach zu durchlaufen. „Schließlich ist Optimieren, Minimieren oder auch die Rückführung von Energie unser eigentliches Geschäft“, sagt Mäder und verweist unter anderem auf die Nutzung effizienter Wärmepumpen und Wasser aus dem Zugersee zur Kühlung und Heizung sowie der eigenen Produkte zur Gebäudeautomation und -steuerung.

Auch auf die Transporte wird geachtet: Vom Logistikdienstleister, der dank Bahnanschluss elektrisch in die Produktion liefert, bis hin zur Verwendung von Mehrwegverpackungen in der Hochvolumen Fertigung. „Aus Holzabfällen, die in größerem Stil von Überseefrachten anfallen, und wir früher in Heizkraftwerke gegeben haben, machen wir heute Spanplatten, aus denen zum Beispiel Möbel hergestellt werden oder eben auch wieder Transportkisten“, ergänzt Mäder sein Motto der Kreislaufwirtschaft

Möglichst viel von dem, was man verbraucht, sollte zurück in den Kreislauf kommen, aber möglichst wenig neues Material hinzu. Für Rohstoffe wie Metall oder Holz und zum Teil auch Energie mag dies gut funktionieren. Bei beiden Intentionen sind aber wieder die Kunststoffe das Problem.

Torsten Ratzmann, Egeplast.
Torsten Ratzmann ist Mitglied der Geschäftsführung bei Egeplast. (Bild: Egeplast)

Bei Rezyklat schaut Egeplast in die Röhre

„Beim Recycling muss man zwischen dem Post Consumer Recycling (PCR) von Plastikmüll aus den Haushalten und dem Industrial Recycling von Kunststoffabfällen aus der Industrie unterscheiden“, erklärt Torsten Ratzmann. Die unterschiedlichen Typen und Materialien kann man nur dort wieder einsetzen, wo sie ursprünglich herkommen.

Für Egeplast selbst wäre es einfach, wie das Mitglied der Geschäftsführung erklärt: „Wir verwenden Polyethylen. Das, was wir als Ausschuss produzieren oder auch zurückbekommen, setzen wir einfach wieder ein. Und dann liegen die Rohre für mindestens 100 Jahre unter der Erde.“ Rohre bieten sich theoretisch für die Anwendung von recyceltem Material an.

Allerdings ist Kunststoff von Verpackungen aufgrund seiner chemischen Zusammensetzung ungeeignet. Beim Rohr selbst scheitert ein Recycling an dessen langen Lebenszyklen. „Natürlich versuchen wir, auf dem Rezyklat-Markt abzunehmen. Zumal auch immer mehr Kunden das von uns in Bezug auf den CO2-Footprint fordern“, sagt Ratzmann.

Doch während es für Verpackungen von Consumer-Produkten mittlerweile 13 verschiedene Kreislaufwirtschaftssysteme gibt, die einzelne Kunststofftypen fragmentieren und untereinander wieder in die einzelnen Industrien verkaufen, existierten solche Systeme für die Industrie nicht.

„Dabei würden wir uns sehr darüber freuen, denn für die Tonnagen, die wir im Monat produzieren, bekommen wir das Rezyklat einfach nicht“, bedauert Ratzmann und weist auch auf die Stoffströme hin. Es gibt nicht genügend Rezyklat für alle Anwendungen, die wir heute haben. Die Diskussion darum, ob die Industrie ausreichend Rezyklat verwendet, ist seiner Ansicht nach eine Scheindiskussion, da einfach nicht genügend Rücklaufmaterial vorhanden ist.

Deshalb ist die Fragestellung der Kreislaufwirtschaft für Egeplast eigentlich eher die, wo aus anderen Kunststoffen noch etwas abgegriffen werden kann. „Dafür braucht es Entwicklung, Normung und Freigaben, die wir im Moment noch nicht haben. Als Gesellschaft sind wir noch nicht so weit, dass wir diese Dinge vorantreiben“, so Ratzmann.

Einen Grund dafür sieht er darin, dass die Gesellschaft rezyklierte Kunststoffware als gebraucht ansieht, und sie deshalb günstiger sein soll. Doch warum sollten gebrauchte Kunststoffe, in deren Kreislauf durch Abholung, Trennung, Reinigung und Aufbereitung eine Wertschöpfung stattfand, günstiger sein? Hier gilt es ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass Kunststoff ein Wertstoff ist und ein Produkt aus Rezyklat einen gesellschaftlichen Mehrwert hat.

(Bearbeitet von Anja Ringel und Sabine Königl.)

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