Im Hintergrund Solarzellen und Windräder. Im Vordergrund deutet ein Geschäftsmann auf einen grünen Kreis, von dem viele andere Kreis mit Bezug zu Nachhaltigkeit abgehen

Die große Herausforderung auf dem Weg zum grünen Weg ist nicht, die eigene Fabrik CO2-neutral zu stellen, sondern die ganze Lieferkette. (Bild: Blue Planet Studio - stock.adobe.com)

In Deutschland gibt es etwa 23 000 Unternehmen im produzierenden Gewerbe, die in 2020 für rund 24 Prozent der Gesamtemissionen verantwortlich waren. Diese Zahlen vom Statistischen Bundesamt und dem Klimaschutzbericht 2021 verdeutlichen das große Potenzial für Nachhaltigkeitsmaßnahmen, die es auf verschiedenen Ebenen zu ergreifen gilt.

Als Bosch vor Jahren angab, nach Scope 1 und 2 CO2-neutral zu sein, war das für viele Unternehmen ein Anstoß, diesem Beispiel zu folgen. Mittlerweile hat Nachhaltigkeit bei allen größeren Unternehmen höchste Priorität. Dass viele in ihren Plänen und auch in der Umsetzung schon sehr weit sind, liegt aber auch daran, dass der Kapitalmarkt nunmehr extrem darauf achtet und nur in Unternehmen investiert, die Nachhaltigkeitsziele auch umsetzen.

Zusätzlich üben die Politik – Stichwort European Green Deal – sowie die junge Generation, die schon profane Dinge wie Plastikflaschen in Besprechungsräumen kritisch sehen, einen sehr großen Druck auf die Unternehmen aus, sich zu transformieren und deutlich nachhaltiger zu werden.

Podcast: Lisa Reehten (Bosch Climate Solutions) über Nachhaltigkeit

People, Planet und Profit in Einklang bringen

Auch in der Fabrik des Jahres spielt Nachhaltigkeit seit Jahren eine Rolle und wird im Wettbewerb in einem separaten Kapitel berücksichtigt, das Kategorien wie Qualität oder der Effizienz eines Unternehmens ebenbürtig ist. Dabei geht es sowohl um die Ressourceneffizienz als auch um die soziale Verantwortung. People bildet für Kearney neben Planet (ökologische Verantwortung) und Profit (ökonomische Verantwortung) die dritte Dimension, auf die sich Nachhaltigkeit stützt.

„Vor Jahren war zum Beispiel Kärcher schon sehr auf Nachhaltigkeit ausgerichtet“, erinnert sich Daniel Stengel, Director bei Kearney, an das Audit im Jahre 2019. Schon damals gab es ein Energie-Monitoring in der Fabrik, wodurch jeder Mitarbeiter den Energieverbrauch in der letzten Schicht oder noch weiter zurück auf einem Bildschirm sehen konnte. Der damalige Sieger der Kategorie ‚Hervorragende Standortentwicklung‘ hat seitdem konsequent daran gearbeitet, Strom- und Druckluftverbrauch vor allem auch in den Pausenzeiten zu reduzieren.

Die diesjährigen Gewinner haben ebenfalls sehr großes Augenmerk auf die Nachhaltigkeit gelegt Der Gesamtsieger Siemens sowie der Sieger der Kategorie ‚Hervorragende Transformation: Standort‘ Beiersdorf haben mit ihren Maßnahmen verdeutlicht, dass das soziale Umfeld für die Nachhaltigkeit ebenso wichtig ist wie die Ressourcenschonung.

Unternehmen suchen händeringend nach Fachkräften

Der Umgang mit der Ressource Mensch wird vor allem im zentraleuropäischen Bereich immer wichtiger, da alle Unternehmen händeringend nach Fachkräften suchen. „Wir sehen dies auch als einen der Erfolgsfaktoren, der bei der Fabrik des Jahres immer mehr in den Vordergrund gestellt wird. Es ist wichtig, ein gutes Team zu haben, das motiviert und engagiert an Themen arbeitet“, sagt Stengel.

Um die komplette Mannschaft dafür zu gewinnen, braucht es unter anderem eine Durchgängigkeit im Unternehmen, damit jeder, der ambitioniert ist, auch eine Perspektive hat, sich im Unternehmen weiterzuentwickeln. Vor allem aber muss Nachhaltigkeit ein Teil der Unternehmensstrategie und mit Ressourcen und Budgets hinterlegt werden.

Fabrik des Jahres

Logo Fabrik des Jahres
(Bild: SV Veranstaltungen)

Die Fabrik des Jahres zählt zu den renommiertesten Industrie-Wettbewerben in Europa. Auf dem gleichnamigen Kongress werden jedes Jahr die Gewinner geehrt. Der nächste Kongress wird am 18. und 19. März 2025 stattfinden.

 

Nutzen Sie Ihre Chance und melden Sie sich jetzt zum Wettbewerb an! Weitere Informationen zum Wettbewerb gibt es auf der Website der Fabrik des Jahres: Hier klicken!

 

Mehr zu den diesjährigen Siegerwerken lesen Sie hier!

 

Hören Sie sich auch die Podcast-Sonderfolge zur Fabrik des Jahres an. Johann Kraus von Rohde & Schwarz erklärt darin unter anderem, wie auch Ihr Werk gewinnen kann. Hier kommen Sie zu Industry Insights!

Zielkonflikte in der Wertschöpfungskette

Auch wenn Nachhaltigkeit bei vielen ein brisantes Thema ist, so zeigt sich spätestens bei den Kosten und dem Nutzen, wie konsequent die Umsetzung vorangetrieben wird. Ein Blick auf die Nachhaltigkeitskennzahlen aus der Datenbank der Fabrik des Jahres bestätigt aktuell ein zweigeteiltes Bild: Im Vergleich zu den Vorreiterunternehmen (44 Prozent) sind die Nachzügler nicht oder nur mittelmäßig mit der Umsetzung der Nachhaltigkeitsmaßnahmen zufrieden. In den nächsten Jahren wird sich herausstellen, wie ernst es ganze Branchen mit der Nachhaltigkeit nehmen. In der Automobilindustrie zum Beispiel ist die klare Forderung der OEMs, dass die Zulieferunternehmen zur Nachhaltigkeit beizutragen haben, jedoch ohne höhere Kosten.

Nachhaltigkeit funktioniert so aber nur bis zu einem gewissen Grad. Manches lässt sich kostenneutral oder sogar mit einer Kosteneinsparung umsetzen. „Irgendwann ist es aber unausweichlich, Maßnahmen umzusetzen, die auch zu höheren Kosten führen werden. Zum Beispiel, weil Energieträger substituiert werden oder bisher verwendete Rohmaterialien durch nachhaltigere Materialien ersetzt werden, die zu höheren Kosten hergestellt und eingekauft werden müssen“, sagt Stengel über die Notwendigkeit zur Investitionsbereitschaft.

Nach diesen KPIs wählt der Einkauf in der produzierenden Industrie aus

Doch nach welchen KPIs wählt der Einkauf in der produzierenden Industrie aus? Zählen am Ende nur der Preis und die Lieferzuverlässigkeit oder setzt man hier noch weitere KPIs, die das Thema Nachhaltigkeit bei der Lieferantenauswahl bewerten? „Ein Unternehmen funktioniert über Ziele und KPIs. Solange man dem Einkauf keine Nachhaltigkeitsziele gibt, wird er weiterhin das Günstigste kaufen“, weiß Stengel. Ein Unternehmen muss also bereit sein, auch die Konsequenzen hierfür zu tragen.

Einfach ausgedrückt: Wer grünen Strom haben möchte, muss eben ein bisschen mehr bezahlen als für Kohle- oder Atomstrom. Aktuell sind wir jedoch in der Situation, dass die Einkaufspreise in den letzten 12 Monaten extrem gestiegen sind, die Unternehmen aber noch nicht in vollem Umfang in der Lage waren, diese Preissteigerung an ihre Kunden weiterzugeben. Entsprechend ist es beim Thema Nachhaltigkeit. „Zukünftig wird es so sein, dass wenn man sich nicht auf das Nachhaltigkeitsspiel einlässt, man gegebenenfalls gar keine Zukunft hat, weil gewisse Kunden es einfordern“, so Stengel’s Prophezeiung.

Daniel Stengel, Director bei Kearney
Zitat

„Bei Nachhaltigkeit geht es darum, die digitalen Tools aus der Produktion so einzusetzen, dass man seine Ziele auch erreicht.“

Daniel Stengel, Director bei Kearney
(Bild: Kearney)

Digitalisierung als Enabler für Nachhaltigkeit

Die große Herausforderung auf dem Weg zum grünen Weg ist also nicht, die eigene Fabrik CO2-neutral zu stellen, sondern die ganze Lieferkette. Der Hebel ist, die Lieferkette transparent zu machen. Der Schlüssel dazu wiederum ist die Digitalisierung. Sie allein macht noch kein Unternehmen nachhaltig, sie ist aber der Enabler. Stengel erklärt: „Bei Nachhaltigkeit geht es darum, die digitalen Tools aus der Produktion so einzusetzen, dass man seine Ziele auch erreicht.“

Mit der Transparenz zu den Energieverbräuchen aus dem Monitoring zum Beispiel. Seine Supply Chain nachhaltiger zu gestalten ist eine langfristige Strategie, in der man die gesetzten Ziele Zug um Zug umsetzen muss. Während Energieeinsparungen zum Beispiel durch die Minimierung von Leckagen relativ schnell umgesetzt werden können, ist dies bei Substitutionen eher mittelfristig zu realisieren. Grundsätzliche Änderungen in der Supply Chain, weil man gewisse Rohmaterialien oder Energieträger nicht mehr einsetzen will, müssen unter Berücksichtigung sämtlicher Randbedingungen einer realistischen Timeline unterliegen.

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

Bei den ersten Schritten in Richtung Nachhaltigkeit ist es wichtig zu verstehen, wie es im eigenen Unternehmen aussieht. Wie sind die Ressourcen- und Energieverbräuche mit Blick Richtung Planet? Wie stabil ist die Säule People? Herrscht bereits ein Fachkräftemangel oder werden auch in den kommenden Jahren noch genügend qualifizierte Mitarbeiter im Unternehmen sein? Und ist die Wertschöpfungskette so ausgelegt, dass sie einen langfristigen, nachhaltigen Unternehmenserfolg sicherstellen kann? Erst dann folgen Gedanken über mögliche Maßnahmen und deren Effekte sowie einen zeitlichen Umsetzungsplan.

Dossier Klimaneutrale Industrie - hier zum Download

Frau hält ein Tablet in der Hand und wählt auf dem Display Beiträge aus, die außerhalb des Tablets virtuell angezeigt werden
(Bild: mi connect)

Entdecken Sie, wie Sie den steigenden Energiekosten entkommen und gleichzeitig Ihr Unternehmen klimaneutral für die Zukunft aufstellen. Wie das geht, ist in dem Dossier Klimaneutrale Industrie verständlich erklärt. Hier gelangen Sie zur Leseprobe. Weitere Informationen und den Link zum Download der Studie gibt es hier.

Das erwartet Sie:

 

  • Wirtschaftliche Vorteile eines klimaneutralen Unternehmens
  • Welche pragmatischen Lösungen es für die Reduzierung von CO2-Emissionen gibt
  • Wie Sie an die richtigen Fördertöpfe kommen
  • Experteninterviews mit Tipps aus der täglichen Praxis und gezielten Lösungsstrategien zu Fragen wie „Was will ich erreichen, was kann ich erreichen und wo fange ich überhaupt an?“
  • Best Practice-Cases aus der Industrie

„Alle Einsparungsbemühungen schlagen natürlich auch beim Profit durch. Deshalb sollte man versuchen, diese zuerst umzusetzen. Vorrang haben sollten auch diejenigen, die sich möglichst kostenneutral gestalten lassen“, rät Stengel. Was seiner Meinung nach aber immer dazu gehört, ist die eigene Mannschaft. Mitarbeiterumfragen, wie zufrieden sie mit dem Unternehmen sind, oder wie sie die geplanten Maßnahmen einschätzen, sind ohne großen Aufwand möglich. Zudem signalisieren sie die ersten Schritte in eine andere Richtung. „Wichtig ist auch, das Thema Continuous Improvement auf Nachhaltigkeit auszurichten, da Mitarbeiter sehr genau wissen, dass irgendwo ein Kühlaggregat läuft, das niemand braucht“, nennt Stengel ein Beispiel, für das es die Sinne zu schärfen gilt.

Nachhaltigkeitsleistung steigern: So kann es gehen

Die Sinne schärfen, um Nachhaltigkeitsbemühungen zu verbessern – dabei unterstützt das Kearney Nachhaltigkeitsschachbrett. Aus vier Strategien, aufgeteilt in 16 Ansätze, ergeben sich 64 Hebel, mit denen die Nachhaltigkeitsleistung in Unternehmen in allen drei Dimensionen gezielt gefördert werden kann.

Von der Planungs- bis zur Umsetzungsphase können Unternehmen aller Art, unabhängig ihrer Größe oder Branche, diesen praktischen Ansatz intuitiv und einfach anwenden, um ihre Nachhaltigkeitspotenziale zu eruieren und diese in konkrete Maßnahmen und belegbare Ziele umzusetzen.

So kann die Nachhaltigkeitsleistung in Unternehmen gefördert werden

Aus vier Strategien, aufgeteilt in 16 Ansätze, ergeben sich laut Kearney 64 Hebel, mit denen die Nachhaltigkeitsleistung in Unternehmen gefördert werden kann. Dazu zählen unter anderem:

  • Rahmenstruktur für das Management von Nachhaltigkeitsrisiken
  • Erweiterte Nachhaltigkeitszertifizierung
  • Verhaltenskodex
  • Nachhaltigkeitsteam auf Unternehmensebende
  • Externer Sustainability Board
  • Zirkuläres Geschäftsmodell
  • Nachhaltigkeitsfördernde Produkte
  • Wesentlichkeitsanalyse
  • Kooperation mit NGOs
  • Nachhaltigkeits-KPIs
  • Wissensaustausch mit Partnern
  • Bewusstsein für Nachhaltigkeitsrisiken
  • Trad-off Guidelines

(Bearbeitet von Anja Ringel)

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