Eine Frau arbeitet an einem Laptop, um das Thema Nachhaltigkeit zu analysieren. Um ihre Hände herum sind Symbole rund um das Thema.

Nachhaltigkeitsberichte werden für Unternehmen immer wichtiger. (Bild: Pcess609 - stock.adobe.com)

Spieglein, Spieglein an der Wand: Wer ist das schönste – nein – nachhaltigste Unternehmen im ganzen Land? Um das herauszufinden, brauchen Sie natürlich keinen Spiegel. Die Nachhaltigkeitsberichte sollten ausreichen. Denn darin stellen die Firmen ihre nachhaltigen Entwicklungen in Bezug auf Ökonomie, Ökologie und Soziales vor.

Doch leider ist es (noch) nicht ganz so einfach. Denn zum einen müssen nicht alle Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht erstellen. Und zum anderen orientieren sich nicht alle Firmen an den gleichen Richtlinien für die Erstellung ihres Reports.

Zumindest der erste Punkt wird sich in den kommenden Jahren etwas ändern, weshalb sich immer mehr Unternehmen mit dem Thema auseinandersetzen müssen. PRODUKTION beantwortet alle wichtigen Punkte für Sie:

(Eilige gelangen über die Links direkt zu den jeweiligen Abschnitten.)

Podcast: Lisa Reethen (Bosch Climate Solutions) über Nachhaltigkeit

Nachhaltigkeitsberichte: Wer einen Report erstellen muss

Derzeit müssen in Deutschland rund 500 Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Dabei handelt es sich um kapitalmarktorientierte Konzerne, Banken und Versicherungen mit über 500 Mitarbeitenden. Diese Firmen fallen unter die aktuelle europäische Berichtspflicht, erklärt Sabine Braun gegenüber PRODUKTION. Sie ist Gründerin und Managing Partnerin der Nachhaltigkeitsberatung Akzente, die seit Mai zur Unternehmensberatung Accenture gehört.

Neben den Konzernen, die zur Herausgabe verpflichtet sind, veröffentlichen inzwischen aber auch viele andere Firmen Berichte, „weil ihre Wettbewerber es tun und auch weil ihre Kunden es erwarten“, sagt Braun.

Diese Freiwilligkeit der kleineren Unternehmen wird sich in den kommenden Jahren ändern. Denn die EU hat dieses Jahr eine neue Richtlinie beschlossen. Demnach sollen Nachhaltigkeitsberichte ab 2023 für wesentlich mehr Betriebe verbindlich werden.

Das bedeutet, Unternehmen müssen dann 2024 ihren Bericht für das Geschäftsjahr 2023 veröffentlichen. Auch neu: Die Nachhaltigkeitsberichte sollen dann nicht mehr separat veröffentlicht werden, sondern Teil des Lageberichts von Unternehmen sein.

Sabine Braun
Zitat

Schon vor 15 Jahren haben nahezu alle DAX-Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt, weil die Investoren bzw. die Ratingagenturen solche Informationen erwartet haben.

Sabine Braun, Gründerin und Managing Partnerin der Nachhaltigkeitsberatung Akzente
(Bild: Accenture)

Von der neuen Richtlinie sind dann alle Firmen betroffen, die mehr als 250 Mitarbeitende haben. Und zwar unabhängig davon, ob sie an der Börse notiert sind oder nicht. Weitere Kriterien: Es muss eine Bilanzsumme von 20 Millionen Euro oder ein Umsatz von 40 Millionen Euro überschritten sein.

Zwei Jahre später, also ab 2026, sind auch alle KMU zur Berichterstattung verpflichtet – allerdings in vereinfachter Form. Die Berichte müssen zudem laut Richtlinie von Wirtschaftsprüfern geprüft werden. Der Grund: Die Geschäftsführung ist künftig für die Nachhaltigkeitsberichte haftbar.

Zur EU-Richtlinie geht es hier: „Richtlinie des Europäischen Parlamentes und des Rates“

Das Ziel der EU-Richtlinie ist übrigens genau die „Spieglein, Spieglein“-Frage vom Anfang: Durch einheitliche Standards sollen die Nachhaltigkeitsaktivitäten der Firmen vergleichbar werden.

Vorbereitung ist das A und O

Um zum besagten Stichtag einen vollständigen Nachhaltigkeitsbericht abliefern zu können, sollten sich Unternehmen schon jetzt vorbereiten. Sie sollten laut Braun ihre Datenerfassung aufbauen beziehungsweise erweitern, und zwar gemäß den Anforderungen, die in den neu erarbeiteten European Sustainability Reporting Standards (ESRS) dargelegt werden.

Daneben müssen Firmen, die das noch nicht getan haben, ein Nachhaltigkeitsmanagement aufbauen, also Verantwortlichkeiten in der Unternehmensführung und für die relevanten Themen benennen sowie Abläufe und Prozesse definieren, wie sie mit Risiken umgehen und Ziele erreichen wollen. „Mit diesen Vorbereitungen sollten Unternehmen rasch beginnen, denn die Anforderungen sind komplex und ihre Umsetzung entsprechend zeitaufwändig“, rät Braun.

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

Auch die Experten von KPMG raten keine Zeit bei der Umsetzung der neuen Vorgaben zu verlieren. Sie empfehlen, dass Unternehmen unter anderem eine Lückenanalyse durchführen und eine Reporting-Road-Map aufstellen sowie einen Implementierungsplan beschließen sollten. Sie erklären außerdem: „Kurzfristig werden umfangreiche Daten berichts- und prüfungspflichtig, die von Personen erstellt werden, die bisher nicht mit einer professionellen Berichterstattung vertraut sind.“

Das gehört in einen Nachhaltigkeitsbericht

Aber was muss eigentlich alles in einen Nachhaltigkeitsbericht? „Unternehmen müssen Angaben zu Umwelt-, Sozial-, und Arbeitnehmerbelangen, zur Achtung der Menschenrechte sowie zur Bekämpfung von Korruption und Bestechung machen“, erklärt Sabine Braun. Und weiter: „Sie sollen zu diesen Aspekten aufzeigen, welche Risiken bestehen, wie sie mit diesen umgehen, welche Managementkonzepte implementiert sind und welche Ergebnisse diese zeigen.“

Natürlich sollen sie Braun zufolge auch die wichtigsten Leistungsindikatoren darstellen. Zudem werde eine Beschreibung des Geschäftsmodells gefordert, um die gemachten Angaben einordnen zu können.

So sollte ein guter Nachhaltigkeitsbericht aussehen

„Ein guter Nachhaltigkeitsbericht fokussiert sich auf die wesentlichen Themen, zeigt die Entwicklung von Kennzahlen über mehrere Jahre hinweg und stellt die Nachhaltigkeitsziele samt zentraler Maßnahmen, wie diese erreicht werden sollen, vor“, erklärt Expertin Braun.

Zudem soll die Veröffentlichung für das jeweilige Jahr aufzeigen, ob die Ziele erreicht werden konnten oder nicht. Ebenfalls wichtig: „Ein guter Nachhaltigkeitsbericht ist ehrlich und keine Imagebroschüre mit gefälligen Geschichten“, so die Expertin. Er sollte Braun zufolge aber dennoch gut gestaltet und vor allem nachvollziehbar strukturiert sein und den Leserinnen und Lesern leicht verständlich Einblick in die Aktivitäten des Unternehmens geben. 

Dossier Klimaneutrale Industrie - hier zum Download

Frau hält ein Tablet in der Hand und wählt auf dem Display Beiträge aus, die außerhalb des Tablets virtuell angezeigt werden
(Bild: mi connect)

Entdecken Sie, wie Sie den steigenden Energiekosten entkommen und gleichzeitig Ihr Unternehmen klimaneutral für die Zukunft aufstellen. Wie das geht, ist in dem Dossier Klimaneutrale Industrie verständlich erklärt. Hier gelangen Sie zur Leseprobe. Weitere Informationen und den Link zum Download der Studie gibt es hier.

Das erwartet Sie:

 

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Von den besten lernen: Die Top 10 der Nachhaltigkeitsberichte

Wie es gehen kann, zeigt das Ranking der Nachhaltigkeitsberichte vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) und der Unternehmensvereinigung Future. Dafür wurden die Berichte von 62 Großunternehmen und 39 KMU nach bestimmten Kriterien untersucht.

Sieger des Rankings 2021: Bei den KMU belegen die Nachhaltigkeitsberichte von Assmann (Büromöbel), Pure Taste Group/Lebensbaum (Lebensmittel) und Neumarkter Lammsbräu (Getränkehersteller) die Plätze eins bis drei.

Die besten drei Berichte der Großunternehmen sind von der Deutschen Telekom, der Rewe-Gruppe und Merck.

Die Top 10 der Großunternehmen sehen Sie in der Grafik:

Doch auch bei den besten Nachhaltigkeitsberichten sehen die Expert:innen noch Nachholbedarf. Ihr Fazit: Die Unternehmen können mit den gestiegenen Anforderungen nicht mithalten. Nachdem die Bewertungskriterien überarbeitet und verschärft wurden, erreichen die KMU durchschnittlich 58,5 von 100 Punkten (im Ranking 2018 waren es nach Neuberechnung mit der aktualisierten Systematik 69 Punkte), die Großunternehmen im Schnitt 44,7 (2018: 54,8).

Weitere Trends und Kritikpunkte, die IÖW und Future durch das Ranking ermittelt haben:

  • Klimaschutz ist das Thema in den Nachhaltigkeitsberichten. 74 Prozent der Konzerne und 46 Prozent der KMU haben sich das Ziel gesetzt, klimaneutral zu werden oder haben es schon erreicht. Kritikpunkt: Die Unternehmen geben laut IÖW und Future nicht immer an, was sie unter klimaneutral verstehen.
  • Auch über ihre Lieferketten berichten die Unternehmen – zum Beispiel über Lieferantenüberprüfungen und Lieferantenkodizes. Dennoch ist die Berichterstattung weiter lückenhaft, bemängeln die Expertinnen und Experten. Der Grund: Oft fehlen „aussagekräftige Angaben, die die Wirksamkeit verdeutlichen – etwa zur Anzahl von Prüfungen, festgestellten Verstößen oder erreichten Verbesserungen.“
  • Zudem gibt es in den Reportings eine unterschiedliche Berichterstattung über Ziele, Maßnahmen und Ergebnisse. Während die Firmen die Ziele transparent kommunizieren, erklären sie oft nicht, mit welchen Maßnahmen sie diese erreichen wollen. Indikatoren zur Bewertung der Ergebnisse fehlen laut der Expert:innen ebenfalls häufig.

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Die Kritikpunkte zeigen: Nachhaltigkeitsberichte werden nicht einfach so nebenbei erstellt. Sie erfordern einiges an Arbeit, ihr Stellenwert wächst aber zunehmend. „Schon vor 15 Jahren haben nahezu alle DAX-Unternehmen einen Nachhaltigkeitsbericht vorgelegt, weil die Investoren beziehungsweise die Ratingagenturen solche Informationen erwartet haben“, erklärt Akzente-Gründerin Braun.

Heute achten die Banken auch bei Mittelständlern auf die Nachhaltigkeitsperformance. Denn sie wissen laut Braun, dass mit einer Missachtung von Anforderungen bezüglich Umwelt- und Klimaschutz, Arbeitnehmer- und Menschenrechte sowie einer guten und transparenten Unternehmensführung enorme Compliance- und Geschäftsrisiken verbunden sind. „Ein Unternehmen, das Nachhaltigkeit negiert, kann nicht dauerhaft erfolgreich sein“, so die Expertin.  

Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik

Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik
(Bild: mi conect)

Experten aus Wissenschaft, Forschung und Industrie tauschen sich jedes Jahr auf der Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik zu den aktuellen Themen rund um klimaneutrale Industrie aus.

 

Prof. Alexander Sauer hat 2023 einen Vortrag zum Thema "Defossilierung der Produktion" gehalten. Im Podcast Industry Insights hat er die wichtigsten Punkte zusammengefast. Hier klicken, um zur Folge zu kommen!

 

Weitere Beiträge, die sich mit den Themen der Konferenz beschäftigen, finden Sie in unserem Fokusthema CO2-neutrale Industrie. Hier geht's entlang!

 

Die nächste Fachkonferenz findet 2025 statt. Hier gibt es weitere Informationen: Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik

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