Wirtschaft

Exportkontrollen, unfaire Politik: Wird China unsicherer?

Exportkontrollen, Preisdruck, politische Spannungen: Für europäische Firmen wird China zunehmend zum Unsicherheitsfaktor. Seltene Erden, Magneten und Chipabhängigkeiten zeigen, wie verletzlich Europas Industrie im globalen Machtkampf geworden ist.

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Eigentlich wollte Deutschland weniger abhängig von China werden, aber das Gegenteil ist eingetreten. Die Industrie hat gerade wieder mit einem Materialmangel zu kämpfen. Und das ausgerechnet wegen der Politik in Peking.
Insbesondere die Politik Chinas mit Bezug auf seltene Erden war für Europa ein Weckruf.

Exportkontrollen, neue Vorgaben zur Lokalisierung und zunehmender Preisdruck: Aus Sicht der EU-Handelskammer verschärft Chinas Wirtschaftspolitik die Unsicherheit vieler europäischer Unternehmen. Betrachtet man die deutlichen Abhängigkeiten bei seltenen Erden, Magneten oder den in China weiterverarbeiteten Nexperia-Chips, stelle sich die Frage, wie unabhängig Europa tatsächlich sei, erklärte Kammerpräsident Jens Eskelund in Peking. Sobald wirtschaftlicher Austausch sicherheitspolitische Relevanz bekomme, müssten Regierungen ihre bisherigen Annahmen überdenken, so der Däne. Bereits im April hatte China im Zuge des erhitzten Handelskonflikts mit den USA Exportkontrollen für sieben seltene Erden sowie daraus hergestellte Magnete eingeführt – ein Schritt, der Europas Abhängigkeit unmissverständlich verdeutlichte. Diese Materialien sind für zahlreiche Branchen in Deutschland und Europa unverzichtbar, stammen jedoch nahezu vollständig aus chinesischer Produktion. Im Herbst folgte eine weitere Belastungsprobe: Der Streit Pekings mit den Niederlanden um die Firma Nexperia ließ die Sorge vor Engpässen in der Autoindustrie wachsen. Die Befürchtung möglicher Produktionsstopps machte die Verwundbarkeit globaler Lieferketten erneut sichtbar.

Die Entwicklung rund um seltene Erden sei ein „Signal mit Nachdruck“ und zeige, dass Europa keineswegs davor gefeit sei, ungewollt zum Kollateralschaden geopolitischer Auseinandersetzungen zu werden, so Eskelund. Der neue Bericht der EU-Kammer zu Lieferketten beschreibt China als einzige „Fertigungs-Supermacht“ weltweit. Gleichzeitig verschärften strukturelle Herausforderungen wie Benachteiligungen bei Ausschreibungen sowie neue Hürden durch Exportkontrollen die Belastung für internationale Unternehmen.

Vorteile und Risiken zugleich

Vor diesem Hintergrund kämpfen viele Firmen damit, die nach wie vor überzeugenden Stärken chinesischer Lieferketten – etwa Effizienz, Geschwindigkeit und Kosten – gegen die wachsende Notwendigkeit von Risikovorsorge, Flexibilität und Widerstandsfähigkeit abzuwägen. Besonders die Exportbeschränkungen für seltene Erden und Magnete, die im April in Kraft traten, wirken sich spürbar aus. Nach einer aktuellen Umfrage der Kammer geben 68 Prozent der Firmen an, dass ihre Standorte außerhalb Chinas weiterhin auf chinesische Vorprodukte angewiesen sind. Zwar stellt Peking inzwischen in Aussicht, breiter gefasste Exportlizenzen einzuführen. Doch wie schnell entsprechende Anträge bewilligt werden und wie verlässlich der Prozess sein wird, ist bislang unklar. Gleichzeitig lokalisieren immer mehr Unternehmen Teile ihrer Produktion direkt in China, damit ihre Produkte für den lokalen Markt als ausreichend „chinesisch“ gelten und damit besser akzeptiert werden.

Strategien zur Anpassung

Seltene Erden und Magnete seien nur ein kleiner Ausschnitt eines viel größeren Problems, betonte Eskelund. Früher habe der Fokus in erster Linie auf Wettbewerb und wirtschaftlichen Auswirkungen für europäische Firmen gelegen. Heute gehe es zunehmend um strategische Autonomie, politische Handlungsfähigkeit und die grundlegende Frage, welches Europa sich die Mitgliedsstaaten künftig vorstellen. Der Kammerbericht enthält zahlreiche Hinweise darauf, wie sich Unternehmen bereits anpassen: Einige erhöhen bewusst ihre Lagerbestände, um kurzfristige Schocks abzufedern, nehmen dafür höhere Kosten in Kauf und setzen bei bestimmten Bauteilen gleichzeitig auf zwei oder mehr Zulieferer. Aus Sicht der EU-Kammer kann diese Strategie jedoch an Grenzen stoßen – besonders dann, wenn alternative Vorprodukte aus Ländern stammen, mit denen China selbst in Handelskonflikten steht. In solchen Fällen könne die vermeintliche Diversifizierung sogar neue Unsicherheiten schaffen, statt Abhängigkeiten zu verringern.

mit Material von dpa/AFX

Die wichtigsten Fragen zu China

Warum wird China für europäische Unternehmen unsicherer? Weil politische Eingriffe wie Exportkontrollen, Lokalisierungsdruck und unklare Genehmigungsprozesse die Planungssicherheit und Versorgung mit Schlüsselvorprodukten gefährden.

Welche Rolle spielen seltene Erden und Magnete? China kontrolliert fast die gesamte globale Produktion. Neue Exportkontrollen zeigen Europas Abhängigkeit schonungslos auf und betreffen besonders Auto-, Maschinenbau- und Elektronikindustrie.

Was bedeutet der Streit um Nexperia? Der Konflikt mit den Niederlanden und Unsicherheiten um Chiplieferungen verstärken die Sorge vor Produktionsstopps und machen geopolitische Risiken unmittelbar spürbar.

Wie reagieren Unternehmen auf die wachsenden Risiken? Viele erhöhen Lagerbestände, diversifizieren Zulieferer oder lokalisieren ihre Produktion in China, um Lieferfähigkeit vor Ort zu sichern – oft verbunden mit höheren Kosten.

Kann Europa seine Abhängigkeit reduzieren? Teilweise: Diversifizierung, eigene Rohstoffprojekte und strategische Vorräte helfen. Doch kurzfristig bleibt Europa in zentralen Bereichen wie seltenen Erden stark auf China angewiesen.