Produktion beflügelt: Digitale Gebäudezwillinge im Metaverse
Für Produktionsbetriebe kann das Industrial Metaverse künftig ein Hebel für mehr Nachhaltigkeit und Effizienz sein, meint Clarissa Hack, Head of Digital Transformation bei Spie Germany Switzerland Austria. Basis dafür: Ein digitaler Gebäudezwilling.
Daniela HoffmannDanielaHoffmann
Veröffentlicht
Mit der Entwicklung vom digitalen Zwilling zum Metaverse zeigt Spie, wie das Industrial Metaverse zur Grundlage für mehr Effizienz und Transparenz in komplexen Infrastrukturen wird.Spie)
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Frau Hack, welchen Stellenwert hat das Thema Industrial
Metaverse für Spie?
Unser Fokus liegt auf innovativen Services, mit denen wir
zum einen die Effizienz unserer Kunden, zum anderen aber auch unsere eigene Leistungsfähigkeit
steigern können. Dafür befassen wir uns schon seit 2018 unter anderem im Rahmen
der ARENA2036 mit dem Thema digitale Gebäudezwillinge. Zusammen mit einem
großen Automotive-Kunden und dem Fraunhofer IAO sind wir der Frage
nachgegangen, wie sich damit Facility-Management-Prozesse optimieren lassen. In
Richtung Industrial Metaverse kann diese Perspektive noch um viele weitere
Domänendaten erweitert werden, beispielsweise aus der Produktion und dem
Energie-Monitoring. Damit lassen sich anhand von Simulationen noch einmal ganz
andere Optimierungspotenziale ableiten.
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Dann hat das
Metaverse auch eine wirtschaftliche Bedeutung?
Auf jeden Fall. Wir können insbesondere im Hinblick auf
Nachhaltigkeit erhebliche Effizienzgewinne erzielen, wenn wir Daten aus
Produktion, Energiemanagement und Gebäudemanagement zusammenführen. Ähnlich ist
es bei der Vermeidung von Ausfällen durch Predictive Maintenance. Hier sehen
wir einen Hebel, unsere bisherigen Services weiter zu verbessern. Zum Beispiel
sind wir in der Planung, der Errichtung und im Betrieb von Anlagen, Gebäuden
und Infrastrukturen tätig. Schon zu Projektbeginn entstehen umfangreiche, auch
3D-basierte, Daten. Mit BIM (Building Information Modeling) verfolgen wir das
Ziel, diese Daten über alle Ziele hinweg präzise und konsistent zu erfassen. Damit
schaffen wir die Grundlage für ein vollständiges digitales Abbild der
Infrastruktur direkt ab dem Start der Betriebsphase, das wir anschließend über
die gesamte Lebensdauer effizient fortführen können.
Wie würden Sie die Reise in Richtung Industrial Metaverse
bei Spie in den letzten Jahren beschreiben?
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Clarissa Hack ist Head of Digital Transformation bei Spie Germany Switzerland Austriawww.foto-grothues.de
Unsere Entwicklung begann mit digitalen Zwillingen, um ein
erweitertes remotefähiges Monitoring zu ermöglichen. Anschließend haben wir
Gebäudedaten um visuelle Informationen ergänzt und stärker vernetzt. Der Unterschied zwischen einem digitalen
Zwilling und dem Industrial Metaverse besteht darin, dass der digitale Zwilling
eine einzelne Domäne abbildet, während im Metaverse mehrere Domänen ihre Daten
zusammenführen und dadurch umfassendere Analysen möglich werden. Mittlerweile verfügen
wir für sämtliche Anwendungsbereiche bereits über Piloten oder Proof of
Concepts und beschäftigen uns mit der Überführung dieser Ansätze in Standards.
Welche Mehrwerte
konnten Sie damit erreichen?
Dank des digitalen Zwillings können wir uns vor
Instandhaltungen oder Störungen optimal auf die Situation vor Ort vorbereiten –
etwa indem wir benötigte Ausrüstung wie eine Podest-Leiter gleich mitnehmen und
unnötige Wege vermeiden. So erzielen wir bereits einfache, aber wirkungsvolle
Effizienzgewinne. Die relevanten Daten stehen zudem auch direkt vor Ort zur
Verfügung. Für uns bietet das Metaverse zudem eine Möglichkeit,
Herausforderungen wie dem demografischen Wandel oder dem Fachkräftemangel
entgegenzuwirken – beispielsweise, indem wir übergreifende Daten für Predictive
Maintenance nutzen, um Ausfälle zu vermeiden und Instandhaltungsmaßnahmen
besser planen zu können. Damit entfallen viele ungeplante Ad-hoc-Einsätze: Wir
können unsere Fachkräfte gezielter einsetzen, ohne dass der reguläre Ablauf
gestört wird.
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Welche Systeme kommen
dafür zum Einsatz?
Unternehmensintern führen wir die Daten zunächst auf einer
eigenen Data Integration Plattform zusammen. Dort können wir unterschiedliche
Systeme verbinden und kombiniert auswerten. Für unsere Proofs of Concept in der
Arena2036 nutzen wir zudem das Omniverse von Nvidia, um übergreifende Daten
einzubinden. Aktuell implementieren wir außerdem Building X von Siemens für
Gebäudedaten. Die Zusammenarbeit mit Siemens in der Arena2036 ist für uns
besonders spannend, da wir für den Betrieb zahlreicher Liegenschaften des
Unternehmens zuständig sind.
Helfen diese
Technologien, Themen besser für die Kunden zu visualisieren?
Definitiv. Durch eine Visualisierung im digitalen Zwilling
und im Industrial Metaverse lässt sich vor allem eine höhere Transparenz
erzielen. Wenn wir beispielsweise einen neuen Facility-Management-Vertrag übernehmen,
erfassen wir das Gebäude direkt digital – und zwar mittels Camera Walk, der das
ganze Gebäude in 3D abscannt. So können wir vorhandene Mängel sofort erfassen
und dokumentieren. Gespräche mit Kunden sind auf dieser Basis natürlich viel
effizienter: Bilder sagen mehr als tausend Worte.
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Könnte man sagen,
dass im Produktionsumfeld die Gebäude das räumliche Fundament im Industrial
Metaverse sind?
Grundsätzlich wirken im Industrial Metaverse alle relevanten
Daten zusammen. Teilweise haben Kunden schon ein Industrial Metaverse, in dem
Produktionsprozesse und Produkte gemeinsam simuliert und als digitaler Zwilling
abgebildet werden. Das Gebäude selbst hat allerdings einen starken Einfluss auf
die wertschöpfenden Prozesse, schon allein hinsichtlich der Medienversorgung,
sodass wir diese Daten zusätzlich integrieren. Ein Beispiel: Nur wenn alle Tore
funktionsfähig sind, läuft auch die Intralogistik reibungslos. Von diesen scheinbar
trivialen Korrelationen gibt es viele. Betrachtet man alle Faktoren gemeinsam,
entsteht ein deutlich größerer Hebel.
Sie hatten das Thema
Energieeffizienz genannt. Was kann das Zusammenspiel von Daten im Industrial
Metaverse hier beispielsweise bewirken?
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Es macht einen großen Unterschied für die Auslegung und
Steuerung einer Lüftungsanlage, ob ein Produktionsbetrieb im Ein- oder Mehrschichtbetrieb
arbeitet. Werden solche Nutzungsmodelle mit weiteren Betriebs- und
Produktionsdaten verknüpft, lässt sich die Lüftung deutlich gezielter steuern
und entsprechend optimieren. Die Potenziale variieren je nach Branche, Produktionsbetrieb
und Gebäudetechnik. Dieses Thema untersuchen wir derzeit in einem gemeinsamen
Forschungsprojekt der Arena2036 in der Industrial Metaverse Community.
Über SPIE Germany Switzerland Austria
SPIE Germany Switzerland Austria ist eine
Unternehmenseinheit der SPIE Gruppe und der führende Multitechnik-Dienstleister
für Gebäude, Anlagen und Infrastrukturen. Rund 20.000 Technikbegeisterte setzen
sich täglich an 750 Standorten gemeinsam mit unseren Kunden für eine
klimafreundliche und digitale Zukunft ein.
Die SPIE Gruppe ist der unabhängige europäische Marktführer
für multitechnische Dienstleistungen in den Bereichen Energie und
Kommunikation. Mit 55.000 Mitarbeitenden und einer starken lokalen Präsenz
erwirtschaftete SPIE im Jahr 2024 einen konsolidierten Umsatz von 9,9
Milliarden Euro und ein konsolidiertes EBITA von 712 Millionen Euro.
Können Datenräume
eine Rolle für das Industrial Metaverse spielen?
Datensouveränität ist ein zentrales Thema. Der jüngste
Gipfel zur Europäischen Digitalen Souveränität zeigt, dass die Unabhängigkeit
allgemein stärker in den Fokus rückt. Wir arbeiten im Rahmen von Arena2036-X an
einem Projekt, das Datentransfers innerhalb von Datenräumen untersucht. Für uns
steht dabei im Mittelpunkt, wie wir Energieeffizienzdaten schnell und sicher mit
unseren Kunden teilen und gemeinsam nutzen können. Gleichzeitig ist in
Deutschland die Bereitschaft, Unternehmensdaten zu teilen, weiterhin gering. Datenrauminfrastrukturen
wie Catena-X oder Manufacturing-X haben sich hier als sehr hilfreich erwiesen. Wir
wollen daher als Lösung die Open-Source-Infrastruktur Traktus-X einbinden, die vielen
dieser Datenräumen als technologisches Rückgrat zugrunde liegt.
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Welche Hürden sind zu
nehmen, um die passenden Daten für das Metaverse zu erheben?
Die größte Herausforderung besteht darin, von Kundenseite die
Daten für die Infrastrukturen, Anlagen oder Gebäude zu erhalten, die wir
betreiben. Teilweise sind bereits (3D-)Daten aus der digitalen Fabrikplanung
vorhanden, die wir gewinnbringend integrieren können. Dennoch lassen sich BIM-Daten
aus der Bauphase im späteren Betrieb nicht eins zu eins weiterverwenden – sondern
wir müssen Daten ergänzen oder entfernen, wenn sie keinen Mehrwert liefern. Am
Anfang steht daher immer eine komplette Datenerfassung in unseren Systemen. Wir
nutzen in diesem Kontext auch die Lösung des Scan-Technologie-Herstellers Faro,
um die Gebäude per Laserscan in unserem System zu visualisieren. Die einfache
Bedienbarkeit ist ein wichtiger Faktor, damit wir nicht jedes Mal einen
Vermessungsingenieur benötigen, um eine Aufnahme zu machen. Stattdessen können unsere
eigenen Mitarbeitenden den Scan direkt im Prozess durchführen. So erfassen sie visuelle
Daten, die unmittelbar in den digitalen Zwilling einfließen. Insgesamt gilt: Die
Qualität der Daten ist typischerweise sehr heterogen. Klassisches Beispiel ist
ein Instandhaltungsprotokoll, in dem Maßnahmen unvollständig protokolliert sind.
Am Ende hängt gute Datenqualität auch immer vom Menschen ab.
Also geht es darum,
dass die Mitarbeitenden den Nutzen der Daten verstehen?
Genau. Technik allein reicht nicht aus. Wir arbeiten deshalb
kontinuierlich an unserer digitalen Kultur und daran, das Bewusstsein zu schärfen,
warum gute Datenqualität wichtig ist. Aus meiner Sicht ist es entscheidend,
Mehrwerte schnell aufzuzeigen und spürbar zu machen: Nur dann entsteht intrinsische
Motivation.
Digital Twins dienen bei Spie als Abbild von Gebäuden und Anlagen.Spie)
Warum ist es so
essentiell, die Daten für den Digitalen Zwilling immer aktuell zu halten – und
wie bekommt man das hin?
Wie gut die Daten sind, hängt maßgeblich von ihrer
Aktualität ab. Wenn das System auf einem veralteten Stand ist, funktioniert es
nicht zuverlässig und die Akzeptanz sinkt. Hier haben wir den Vorteil, dass wir
als technischer Dienstleister direkt vor Ort sind, wenn sich Anlagen,
Infrastrukturen oder Gebäude ändern. Diese Änderungen dokumentieren wir nun
direkt in unseren Regelprozessen: Die Mitarbeitenden aktualisieren per Faro-Laserscan
oder 360-Grad-View die Daten und übertragen sie direkt ins System. KI-gestützte
Computer Vision wird für uns immer wichtiger, um den gesamten Prozess zu
optimieren. In ersten Pilotprojekten trainieren wir Modelle bereits auf
spezifische Objekte wie Brandschutzklappen oder einen Feuerlöscher, damit sie
diese automatisch erkennen und während der Aufnahme direkt markieren. Ziel ist
es, diese Objekte dann in ein BIM-Modell oder in unsere Anlagenstruktur zur transferieren.
Gerade bei 3D-Modellen hilft die KI dabei, die visuelle Darstellung stets aktuell
zu halten.
Wie gut funktioniert
es schon, die Realität automatisiert abzubilden?
Seit unseren ersten Experimenten zur automatisierten
Objekterkennung 2019 mit einem Forschungsinstitut hat sich viel getan. Wir
sehen jetzt, dass wir einige Objekte im Vorbeigehen mit einer 360-Grad-Kamera
identifizieren können. Da es im Gebäudekontext sehr viele Objekte gibt, ist das
Training der KI entsprechend aufwendig. Im Schaltanlagenbau hingegen geht es um
eine begrenzte Anzahl an Komponenten – da kann man die KI deutlich einfacher
anlernen. Aber ich denke, wir sind schon auf einem sehr guten Weg und erwarten
zeitnah umfassendere Lösungen.
Welchen Nutzen kann
GenAI für die Datenqualität bringen?
Derzeit führen wir Piloten durch, um unsere Servicetechniker
und -technikerinnen zu befähigen, künftig während Instandhaltungsmaßnahmen aktiv
mit GenAI zu arbeiten. Die KI gibt ihnen Tipps und Empfehlungen aus unserem gebündelten
Erfahrungswissen. Gleichzeitig lernt die KI durch ihre Rückmeldungen, welche
Lösung jeweils zur Fehlerbehebung geführt hat.
Wie können Maschinen-
und Anlagenbauer in solchen Szenarien vom Industrial Metaverse profitieren?
Die Produktionsplanung kann auf Basis aktueller Daten
beispielsweise die nächste Nachtschicht im Industrial Metaverse präziser simulieren.
Bei Umplanungen kann man dank beschleunigter Echtzeitdaten schneller reagieren.
AGVs (Automated Guided Vehicles) sind zudem darauf angewiesen, dass ihre Umgebung
exakt den hinterlegten optimalen Routen entspricht. Dafür braucht es eine
aktuelle Übersichtskarte für die Routenplanung.
Ein Blick in die
Glaskugel: Wird sich das Industrial Metaverse durchsetzen – und wenn ja: wie
schnell?
Ich bin mir sicher, dass sich das Industrial Metaverse
durchsetzen wird. Die Frage ist nur wann, denn die einzelnen Branchen sind unterschiedlich
weit entwickelt. Das Beispiel von BIM (Building Information Modeling) zeigt: Sobald
Auftraggeber den Mehrwert erkennen und entsprechende Anforderungen in
Ausschreibungen aufnehmen, müssen Anbieter nachziehen. Das könnte die
Verbreitung des Industrial Metaverse deutlich beschleunigen.