Nachhaltigkeits-KPIs steuern bei Siemens die Produktionsprozesse. Auch in der Zellfertigung von Batterien.

Nachhaltigkeits-KPIs steuern bei Siemens die Produktionsprozesse. Auch in der Zellfertigung von Batterien. (Bild: Siemens)

Nachhaltigkeit ist aus unserer Zeit nicht mehr wegzudenken. Schon gar nicht bei Konzernen, die auch eine Vorbildfunktion innehaben. Das ist auch bei Siemens nicht anders, wie Klaus Löckel, Managing Director DACH von Siemens Digital Industries Software zu verstehen gibt: "In unserem Erlanger Elektronikwerk steuern Nachhaltigkeits-KPIs die Produktionsprozesse mit. Diese Effekte können wir auch im Produktionsergebnis nachmessen. Somit haben wir den Footprint im eigenen Unternehmen im Blick. Ebenfalls den Handprint-Teil mit unseren Digitalisierungsinitiativen, denn diese haben eine maßgebliche Verbesserung der Entwicklungszeit und der Produktionszyklen ergeben. Dadurch konnten wir immense Nachhaltigkeitseffekte erzielen."

Nachhaltigkeit auch bei Entwicklung, Service und Reparatur

Inwieweit es heutzutage möglich ist, die Nachhaltigkeit beispielsweise bei Pumpen mit einem Wirkungsgrad von 96 Prozent noch zu steigern, erklärt Löckel folgendermaßen: "Nachhaltigkeit entsteht immer dann, wenn der Normalzustand nicht mehr eintritt. Wenn eine Pumpe defekt ist und ausgewechselt werden muss, repariert, geserviced oder neu entwickelt werden muss. An dieser Stelle entstehen die Nachhaltigkeitseffekte."

Das könne man laut Löckel gut oder schlecht machen. "So können wir mit einer hohen Varianz entwickeln, um After Sales-Zyklen zu vermeiden, indem wir beispielsweise besser recycelbare Materialien in die Varianz einplanen", erklärt Löckel.

Klaus Löckel Siemens
Zitat

Wir haben mit Bausch + Ströbel nachgewiesen, dass durch die Verwendung des digitalen Zwillings in deren Entwicklungsprozess 67 Prozent Entwicklungszeit eingespart werden konnte.

Klaus Löckel, Managing Director DACH von Siemens Digital Industries Software
(Bild: Siemens)

Nachhaltigkeit durch Künstliche Intelligenz

Laut Löckel ermögliche auch KI mehr Nachhaltigkeit, denn "wir können auch AI-Technologien einbetten, um dafür zu sorgen, dass die Pumpe eben nicht stehenbleibt und nicht repariert werden muss sowie an der richtigen Stelle gewartet wird – hier sind wir beim Thema Predictive Maintenance. An dieser Stelle entstehen immer viele Effekte, die auf Nachhaltigkeit einzahlen."

Löckel gibt einen Einblick, an welchen Aspekten Siemens in diesem Zusammenhang arbeitet: "An der Optimierung der Produktion, der Verbesserung des Service und an dem Front loading – also was ich aus der Produktion für die Entwicklungsprozesse lerne. So kann ich heute bei dem Gießen eines Pumpengehäuses aus Aluminium - vielleicht auch durch additive Fertigungsverfahren - zehn bis 20 Prozent an Material sparen – bei identischer Pumpleistung. Da entstehen die größten Nachhaltigkeitseffekte, wenn man die Dinge integriert diskutiert."

Virtualisierung in der Automatisierung spart Material

"Auch bei unserer Automatisierungstechnologie versuchen wir Material zu sparen – darum virtualisieren wir ja beispielsweise Controller, um keine Hardware mehr liefern zu müssen. Das gibt uns auch eine andere Flexibilität, Maschinen zu steuern", betont Löckel und freut sich, dass Siemens somit beispielsweise den Einsatz seltener Erden und von Elektronikbestandteilen vermeide.

"Das Thema Vermeidung ist zentral und essenziell. Denn es geht um die Vermeidung von Prototypen, die Vermeidung von Rüstzeiten und auch um Qualitätssicherungsaspekte. Da zahlt die Digitalisierung richtig drauf ein", unterstreicht Löckel.

Digitaler Zwilling spart 67 Prozent Entwicklungszeit

Siemens bewerte den Effekt der verbesserten Entwicklungszeiten und Produktionszyklen auf Nachhaltigkeits-KPIs. "Dadurch haben wir bei Bausch + Ströbel, einem Hersteller von Verpackungsmaschinen, mit Automatisierungstechnologien und Entwicklungsthemen die höchste Durchgängigkeit erreicht", erklärt Löckel.

So könne er zum Thema Verwaltungsschale sagen, dass Siemens Teil eines Konsortiums sei, das sich damit beschäftige, den digitalen Zwilling zu standardisieren, um digitale Zwillinge transportieren zu können. "Da haben wir mit Bausch + Ströbel nachgewiesen, dass durch die Verwendung des digitalen Zwillings in deren Entwicklungsprozess 67 Prozent Entwicklungszeit eingespart werden konnte. Wir können nun auch herausfinden, welche Lösung aus Nachhaltigkeitsaspekten die beste ist, wenn es um den Materialaufwand und den Footprint der Produktion geht", rechnet Löckel vor.

Fertigung von Batterien sowie deren Recycling

Zum Thema Batteriefertigung hat Löckel ebenfalls konkrete Verbesserungsvorschläge: "Wir glauben, dass bei den Batterien ganz neue Prozessketten entstehen, weil viele Dinge komplett neu sind. Denn wir recyclen die Batterie, es gibt ein Aufarbeiten der Batterie und auch die Entwicklung der Batterie verändert sich. Denn die heutige Produktion von Batteriemodulen bietet noch Potential."

So verweist Löckel darauf, wieviel von den produzierten Batterien letztlich Ausschuss wären und wie schlecht der Wirkungsgrad von Batterien sei, weil sie einfach schlecht gewickelt und schlecht produziert seien. "Das Problem war immer nur, dass niemand in die Batterie reingucken konnte und so auch keiner wusste, ob sie gut oder schlecht ist." Denn man sehe im Prinzip nur die Leistung, aber nicht, was die optimale Leistung der Batterie gewesen wäre.

"In diese Richtung gehen wir jetzt, dass man die Produktionsprozesse verbessert. So gibt es heute keinen OEM mehr, der sich nicht mit Zellfertigung beschäftigt. Jeder will in die Zellfertigung einsteigen, weil die OEMs zum einen die gewünschte Qualität nicht geliefert bekommen und zum anderen sich nicht von asiatischen Anbietern abhängig machen wollen", stellt Löckel dar.

Mit Batteriesimulationen lässt sich die Kreislaufwirtschaft von Batterien verbessern. Denn mittels digitaler Batterieakte lässt sich erkennen, ob ein bestimmter Anteil von Batteriezellen wieder aufarbeitbar oder wieder verwendbar ist.
Mit Batteriesimulationen lässt sich die Kreislaufwirtschaft von Batterien verbessern. Denn mittels digitaler Batterieakte lässt sich erkennen, ob ein bestimmter Anteil von Batteriezellen wieder aufarbeitbar oder wieder verwendbar ist. (Bild: Siemens)

Deshalb sei die Zellfertigung gerade ein wichtiges Thema. "Aber auch das Thema Life Cycle der Batterie ist im Blickfeld, denn mittlerweile kommen viele gebrauchte Elektroautos zurück, bei denen sich die Frage nach dem weiteren Umgang mit den Akkus stellt - ob es eine weitere Verwendung gibt oder ob es um Entsorgung geht", denkt Löckel laut nach.

Software unterstützt Batterie-Kreislaufwirtschaft

Um die Kreislaufwirtschaft von Batterien zu verbessern, "haben wir eine digitale Batterieakte erstellt, wo wir erkennen können, dass ein bestimmter Anteil von Batteriezellen wieder aufarbeitbar oder wieder verwendbar ist", beschreibt Löckel. Er verweist auch darauf, dass solche Batteriesimulationen früher eher hochwissenschaftlich gewesen seien, nun aber schon als Standard gelten. So könne bewertet werden, wie die Entladezeiten und der Abnutzungsgrad von Batterien tatsächlich im Lifecycle seien.

"Das können wir schon vor der Herstellung simulieren. Auch, wie man Batterien paketieren muss, damit sie den optimalen Wirkungsgrad erzeugen. Zudem sind Wärmeabführungsmechanismen digitalisierbar und es lässt sich für den besten Wirkungsgrad klären, ob ich im Auto eine Zusatzkühlung für den Akku benötige. Dadurch gibt es immense Effekte, wie Gewichtsersparnis, Materialersparnis und weniger Zellen, die man für die gleiche Leistung produzieren muss. Das zahlt alles auf die Nachhaltigkeit ein", unterstreicht Löckel.

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Dietmar Poll, Redakteur mi connect
(Bild: mi connect)

Der Autor Dietmar Poll ist Redakteur bei mi-connect und fokussiert sich auf Themen rund um die klimaneutrale Industrie. Nach einem Geographiestudium (ja, er wollte die Welt retten) und mehrjähriger Arbeit als wissenschaftlicher Angestellter wechselte er in den Fachjournalismus, arbeitete in verschiedenen Verlagen und betreute dort unterschiedlichste Ressorts. Spannend findet er, bei der Recherche die Geschichte hinter der Geschichte zu entdecken. Privat erwischt man in häufig auf seinem Mountainbike durch die Berge rumpeln.

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