Sechs Mythen über Quantencomputing
Quantencomputer gelten als hochkomplizierte Alleskönner, vor denen kein Passwort mehr sicher ist und die unsere herkömmlichen Rechner überflüssig machen werden. Aber was ist wirklich dran am riesigen Hype um die winzigen Quanten?
„Quantencomputing hat enormes Potenzial, aber noch keine gute Marketing-Abteilung“, sagt Christian Nietner, Innovation Center Lead for Quantum Computing bei NTT DATA DACH. „Während KI durch ihre Alltagsanwendungen aktuell entmystifiziert wird, ist Quantencomputing für viele noch ein abstraktes Konzept. Das wird sich ändern – vielleicht sogar schneller, als wir denken.“
Annette Koroll)
Quantencomputing ist ein faszinierendes Feld. Weil die eng
mit der Physik und Mathematik verwobene Technologie allerdings für die meisten
Menschen ein Buch mit sieben Siegeln ist, ranken sich weiterhin hartnäckige
Mythen, Halbwahrheiten und falsche Ideen um die Nutzung der winzigen
Energiepakete, auf denen unser Universum aufbaut. Damit geht es den Quanten
nicht besser als anderen neuen Technologien zuvor, wobei der Hype von
überzogenen Erwartungen bis zu unbegründeten Ängsten reicht. Sechs der häufigsten
Mythen hat NTT DATA jetzt einem Faktencheck unterzogen:
Mythos 1: Quantencomputer werden klassische
Computer vollständig ersetzen
Faktencheck: Nein, sie ergänzen herkömmliche
Computer.
Quantencomputer sind Spezialisten für bestimmte mathematische Probleme, etwa in
der Materialforschung, Logistik oder Finanzanalyse. Für alltägliche Aufgaben
wie Textverarbeitung oder Gaming bleibt der klassische Computer aber deutlich
effizienter. Ähnlich wie Grafikkarten beschleunigen Quantencomputer spezielle
Berechnungen, ohne die Basisrechner dabei überflüssig zu machen. Sie sind also
kein Ersatz, sondern eine Erweiterung des digitalen Werkzeugkastens. Die Kunst
wird darin liegen, Quantencomputer so mit klassischen Rechenzentren zu
verbinden, dass die Stärken der verschiedenen Systeme optimal zusammenspielen.
Mythos 2: Unsere Passwörter sind bald wertlos
Faktencheck: Das Problem sind nicht die Passwörter,
sondern ihre Verschlüsselung.
Die Angst, dass Quantencomputer bald jedes Passwort knacken, ist übertrieben.
Denn: Entscheidend ist nicht das Passwort selbst, sondern der Algorithmus
dahinter. Bestimmte Verschlüsselungsverfahren wären tatsächlich verwundbar,
wenn leistungsfähige Quantencomputer heute zur Verfügung stehen würden. Mit
sogenannter Post-Quanten-Kryptografie existiert aber bereits eine Lösung. Sie
schützt Daten auch vor zukünftigen Quantenangriffen und wird heute schon
implementiert. Unsere Passwörter bleiben also sicher, sofern die Anbieter ihre
Infrastruktur rechtzeitig modernisieren.
Mythos 3: Quantencomputing ist zu kompliziert, um
es jemals zu verstehen
Faktencheck: Es ist komplex, wird aber immer
zugänglicher.
Quantenphysik in Computern klingt futuristisch und erinnert an Star Trek, folgt
aber klaren mathematischen Regeln. Die Schwierigkeit liegt daher weniger im
Verständnis selbst, sondern in der technischen Umsetzung. Dank cloudbasierter
Plattformen und vereinfachter Programmiersprachen können heute auch Entwickler
ohne Physikstudium durchaus mit Quantenalgorithmen experimentieren – bequem vom
Büro oder sogar vom heimischen Schreibtisch aus, ganz ohne Laborumgebung. Wie
beim klassischen Computing werden Abstraktionsschichten und Tools die
Technologie schrittweise entmystifizieren – bis sie eines Tages so
selbstverständlich sein könnte wie Künstliche Intelligenz heute.
Mythos 4: Quantencomputer können alles
gleichzeitig berechnen
Faktencheck: Parallelisierung funktioniert nur unter
bestimmten Bedingungen.
Das quantenphysikalische Prinzip der Superposition ermöglicht, dass auf einem
Quantencomputer mehrere Rechenanweisungen gleichzeitig ablaufen. Das bedeutet
jedoch nicht, dass sie damit automatisch jede Aufgabe parallel lösen können.
Nur speziell konstruierte Algorithmen nutzen dieses Prinzip gezielt aus. Dabei
spielt der Zufall eine erschwerende Rolle: Das Ergebnis einer auf Superposition
basierenden Berechnung ist nicht immer eindeutig, sondern durch
Wahrscheinlichkeiten bestimmt. Anders als bei der klassischen Parallelisierung
lassen sich die Ergebnisse deshalb nicht direkt und zuverlässig auslesen, was
für manche Anwendungen ein Hindernis darstellt. Quantencomputer sind also nicht
bei allem schneller, spielen bei bestimmten mathematischen Problemen wie
Risikomodellierung oder Kryptografie das Prinzip der Superposition so aus, dass
sie klassische Rechner potentiell übertreffen.
Mythos 5: Die Kosten sind unwirtschaftlich hoch
Faktencheck: Noch ja – aber das ändert sich.
Derzeit kostet allein ein erster Machbarkeitstest für geplante Projekte leicht
fünfstellige Summen, während der praktische Nutzen begrenzt bleibt. Dieses
Muster ist allerdings nicht neu: Auch klassische Computer waren anfangs
unbezahlbar, groß wie Einbauschränke und ineffizient. Mit wachsender
Konkurrenz, technischen Durchbrüchen und Skalierung werden die Kosten rapide
sinken. Große Player investieren Milliarden in Forschung und Fortschritt. Der
entscheidende Punkt, an dem sich Quantencomputing wirtschaftlich rechnet, rückt
damit merklich näher.
Mythos 6: Viele Anwendungsfälle sind noch unbekannt
Faktencheck: Kein Mythos – das macht das Feld so
spannend.
Quantencomputing steht erst am Anfang und viele potentielle Anwendungen sind
tatsächlich noch nicht absehbar. Das liegt an der immensen Vielfalt möglicher
Hardwareansätze und Algorithmen. Sobald sich wirtschaftlich rentable,
leistungsstarke Systeme durchsetzen, werden auch Innovation und Anwendungsfälle
zunehmen – ähnlich wie beim Internet oder bei der KI. Eine der spannendsten
Wahrheiten über Quantencomputing lautet daher: Wir wissen noch gar nicht, was
alles möglich sein wird.
FAQ zum Thema Quantencomputing
Werden Quantencomputer klassische Computer ersetzen? - Nein. Quantencomputer ergänzen klassische Systeme und sind nur für spezielle mathematische Probleme überlegen.
FAQ 2: Sind unsere Passwörter durch Quantencomputer bald wertlos? - Nein. Mit Post-Quanten-Kryptografie existieren bereits sichere Verschlüsselungsverfahren, die auch zukünftigen Quantenangriffen standhalten.
FAQ 3: Ist Quantencomputing zu kompliziert, um es zu verstehen? - Nein. Obwohl komplex, wird die Technologie durch Cloudzugänge, Tools und vereinfachte Programmiersprachen immer zugänglicher.
FAQ 4: Können Quantencomputer alles gleichzeitig berechnen? - Nein. Parallelisierung funktioniert nur bei speziell entwickelten Algorithmen und unterliegt probabilistischen Ergebnissen.
FAQ 5: Sind Quantencomputer derzeit unwirtschaftlich teuer? - Ja, aber das wird sich ändern. Wie bei frühen klassischen Computern werden technologische Fortschritte und Skalierung die Kosten deutlich senken.
FAQ 6: Sind viele Anwendungsfälle von Quantencomputing noch unbekannt? - Ja. Da das Feld noch am Anfang steht, werden mit zukünftigen technischen Durchbrüchen neue, heute noch unvorhersehbare Anwendungen entstehen.