Verbände können auch schnell Konzepte entwickeln, wenn es drauf ankommt. Normalerweise folgt die Schaffung eines neuen Berufsbildes einem ganz formalen Ablauf. Sachverständige aus Betrieben und Sozialpartner erarbeiten mit Unterstützung des des Bundesinstituts für berufliche Bildung (BiBB) die neue Verordnung. Und dies unter Federführung der Bundesministerien für Wirtschaft und Wissenschaft. „Dieses Verfahren dauert erfahrungsgemäß relativ lang“, sagte Jörg Friedrich, der Leiter der Abteilung Bildung des VDMA, gegenüber der Fachzeitung Produktion.
Um die Ausbildung in der Metallindustrie und in der Elektroindustrie fit für die Digitalisierung zu machen und die Unternehmen für diese digitale Herausforderung zu wappnen, waren sich die Sozialpartner einig, dass sie dafür ein schnelleres Verfahren benötigten. „Wir wollten daher in die Diskussion über die Neuordnung unserer Ausbildungsgänge mit konkreten Änderungsvorschlägen ins Rennen gehen“, erläuterte Friedrich.
In einem agilen Verfahren haben Gesamtmetall, IG Metall, VDMA und ZVEI einen Entwurf für die Novellierung der Ausbildung in der Metallindustrie und der Elektroindustrie ausgearbeitet. Zur Vorbereitung trafen sich die Sozialpartner in Achtergruppen sechs Mal in den jeweiligen Verbandsgebäuden, wobei drei Workshops integriert waren. Diesen Entwurf diskutierten die Sozialpartner schrittweise in Workshops mit Praktikern und Wissenschaftlern. Schließlich überreichten sie einen bearbeiteten Entwurf an den Verordnungsgeber.
Das eigentliche Verfahren zur Novellierung der Verordnungen für die Ausbildung erfolgte unter Federführung des Bundeswirtschafts- und des -Wissenschaftsministeriums durch rund 20 Sachverständige der Arbeitgeber- und der Arbeitnehmerseite. Beteiligt waren nach Informationen von Produktion Unternehmen aus unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen wie zum Beispiel Siemens, Audi, Daimler, Volkswagen, Dillinger Hüttenwerke, Trumpf, B. Braun und ZF Friedrichshafen. Dort saßen sich Menschen von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gegenüber, wodurch der Praxisbezug sichergestellt werden soll.
Dieses agile Verfahren hat sich bewährt“, meinte der VDMA-Bildungsexeperte. In diesem Fall sei man gegenüber dem üblichen Verfahren einen Schritt schneller gewesen.
Für die IG Metall war es notwendig, die Ordnungen für die Ausbildung zu überarbeiten, weil sich in den Betrieben die beruflichen Anforderungen ändern. „Deshalb müssen wir nun auch die Ausbildungsordnungen behutsam anpassen“, sagte der IG Metall-Vorstand Thomas Ressel gegenüber Produktion. Grundsätzlich seien die Berufe in der Metallindustrie und der Elektroindustrie gut aufgestellt. „Aber beispielsweise bei IT-Kompetenz, Systemverständnis und interdisziplinäre Kommunikation und Zusammenarbeit sind jetzt weitergehende Kompetenzen gefordert und deswegen haben wir uns entschlossen, zusammen mit den Arbeitgebern die Ausbildungsordnung anzupassen.“
In der Industrie 4.0 werden Hierarchien abgebaut
Nach Ansicht von Friedrich musste die Ordnung für die Ausbildung erneuert werden, weil sich durch Industrie 4.0 sowohl die Technologie als auch die Organisationsform ändern. „Darauf müssen die jungen Leute zukünftig vorbereitet werden.“ Denn die Digitalisierung wird die Organisation in den Unternehmen umkrempeln und nicht nur die Maschinen verändern. So wird zum Beispiel diskutiert, dass Hierarchien abgebaut und Entscheidungen nach unten delegiert werden. „Die jungen Leute müssen zukünftig selbständiger Entscheidungen treffen können und sie müssen strärker in Teams zusammenarbeiten“, meinte der Fachmann vom VDMA.
Diese Herausforderungen gingen über die Technologie, die schon relativ gut in den Ausbildungen abgebildet sei, hinaus. „Technologische Inhalte, Prozessdenken und überfachliche Kompetenzen haben wir versucht, in die neuen Ordnungen einzubauen“, so Friedrich.
Dabei gab es Stimmen, die im Zuge von Industrie 4.0 die Schaffung neuer Berufe forderten. Für den Bildungsexperten ist es jedoch sinnvoller, alle bestehenden Ausbildungen in einem Schritt anzupassen, da es bereits 330 Berufe gibt und alle von der Digitalisierung betroffen seien.
Das Konzept für die Teilnovellierung der industriellen Metall- und Elektro-Berufe sieht vor, dass das Ausbildungsprogramm um die Themen „Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und Informationssicherheit“ erweitert wird. Die betrieblichen Ausbildungsinhalte und schulischen Lerninhalte werden aktualisiert, damit Betriebe und Berufsschulen im Zusammenspiel diejenigen Qualifikationen vermitteln können, die für die Anforderungen von Industrie 4.0-Prozessen wichtig sind.
Auch werden Zusatzqualifikationen zu Themen der Digitalisierung als Optionen für die Betriebe und ihre Auszubildenden angeboten. Dabei geht es zum Beispiel um digitale Vernetzung, Prozess- und Systemintegration, Sicherheit in der Informationstechnik und um Additive Fertigungsverfahren (3D-Druck). Mit insgesamt sieben Zusatzqualifikationen sollen die zentralen Qualifizierungsschwerpunkte für Industrie 4.0 in den Bereichen Metall, Elektro und Mechatronik abgebildet werden. Dieses Teilnovellierung beschloss der Hauptausschuss des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB).
„Wir sind mit dem Ergebnis sehr zufrieden“, sagte Friedrich. Zum einen, weil die Zusammenarbeit mit den weiteren beteiligten Stellen wie zum Beispeil den Ministerien, dem BiBB oder der KMK, die für die Rahmenlehrpläne in den Berufsschulen zuständig ist. Dies sei keine Selbstverständlichkeit.
„Bei dem Verordnungsgeber sind wir auf ein hohes Maß an Flexibilität gestoßen“, ergänzte IG-Metall-Vorstand Ressel. „Wir haben gezeigt, dass die Sozialpartner Verantwortung für die Berufe übernehmen und auch dafür sorgen, dass diese zukunftsfähig bleiben.“ Die Partner sind im Zeitplan: Sie wollten, dass die neuen Ausbildungsordnungen bis zum 1. August 2018 in Kraft treten und es sieht so aus, als wenn der Gesetzgeber dies bis zu diesem Zeitpunkt umsetzen kann.
Die Sozialpartner haben verabredet, sich regelmäßig zu treffen und zu überprüfen, ob die Ausbildungen noch State of the Art sind und ob neue Berufe kreiert werden müssen. Da es große Veränderungen zum Beispiel im Bereich Daten gibt, müsse laut Friedrich überlegt werden, ob die Berufsausbildung dort richtig aufgestellt sei. Im Feld der Datenaufbereitung und -analyse sind zum Beispeil große Veränderungen zu erwarten.
Kann der Digitalisierungsbaustein bei allen Berufen eingeführt werden?
Die Treffen sind auch deshalb geplant, weil durch die Digitalisierung eine hochdynamische aber ungleichzeitige Entwicklung in den Betrieben stattfindet, sagte Ressel. Diese Entwicklungen sollten beobachtet werden, um gegebenenfalls künftig Anpassungen zügig vornehmen zu können. Vorgesehen ist, dass diese Treffen jährlich stattfinden.
Die Fäden laufen schließlich bei den Ministerien und beim Bundesinstitut für Berufsbildung zusammen, die dann auch die integrative Berufsfeldposition ‚Digitalisierung der Arbeit, Datenschutz und Informationssicherheit‘ in andere Berufsausbildungen einfließen lassen können. „Ich glaube, wir haben hier eine gute Vorarbeit geleistet, die auch für andere Branchen und Berufe hilfreich sein können“, meinte Friedrich.
Laut Ressel wird derzeit eine Diskussion in den Gremien des Bundesinstituts für Berufsbildung geführt, ob diese integrative Berufsfeldposition Digitalisierung für alle Berufe so weiterentwickelt werden kann, dass sie in alle Berufe, nicht nur in die Metall- und Elektroberufe, eingefügt werden kann. Bei über 330 Ausbildungsberufen sei das „natürlich ein sehr ehrgeiziges Vorhaben.
Die Teilnovellierung der industriellen Metall- und Elektro-Berufe und des Mechatronikers wird voraussichtlich im Mai im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.