Wie KI mit fundierter Governance beherrschbar wird
Der hohe Innovationsdruck erfordert im Maschinen- und Anlagenbau wirksame Governance-Strukturen – gerade bei der KI-Nutzung in Prozessen und Produkten. In einem CBA-Lab-Projekt erarbeiteten acht Unternehmen gemeinsam Best Practises, mit denen eine durchgängige Governance gelingt.
Daniela HoffmannDanielaHoffmann
Veröffentlicht
Governance ist kein Selbstzweck. Im Maschinenbau entscheidet sie über Erfolg oder Scheitern moderner KI-Initiativen.Kannapat - stock.adobe.com)
Anzeige
Was ist KI-Governance?
KI‑Governance ist der strategische und operative Rahmen aus Prozessen, Richtlinien und Rollen, der den verantwortungsvollen Einsatz von KI im Unternehmen sichert. Sie schafft Transparenz, Fairness und Sicherheit, indem sie Datenqualität, ethische Standards und Kontrollmechanismen für alle Phasen eines KI‑Projekts festlegt. Im Maschinenbau hilft sie, die Chancen von KI zu nutzen und Risiken wie Sicherheits‑ oder Qualitätsprobleme zu minimieren.
Der Geschwindigkeitsdruck, neue Technologien zu erschließen,
gilt insbesondere für Innovationsführer wie Festo. „Trotz schneller
Innovationszyklen brauchen wir ein wirksames Regelwerk. Das ist sicherlich
eines der größten Spannungsfelder – einerseits braucht es den
Governance-Durchgriff, andererseits darf das ‚Korsett nicht zu eng geschnürt‘
werden, wenn Neues ausprobiert wird“, erklärt Klaus Schug, Enterprise Architect
bei Festo.
Dabei geht es immer häufiger um Künstliche Intelligenz
(Artificial Intelligence - AI). „AI-Governance ist ein Riesenthema, weil hier
praktisch jeden Tag eine neue Dynamik entsteht, sei es bei generativen
KI-Lösungen wie etwa Large Language Models, bei Datenanalyse oder AI-Agents“,
stellt Schug fest. Gerade mit dem EU-AI-Act und allen Regularien, die künftig
von den anderen geopolitischen Spielern wie China und USA kommen werden, müsse
es auch perspektivisch eine gute Abstimmung geben. „Hier müssen kontrollierte Spielwiesen
und Freiräume für Innovationen zur Verfügung gestellt, aber auch ganz klare
Grenzen definiert werden. Denn es ist klar: Wenn diese KI-Tools ordentlich
umgesetzt sind und die Governance erfüllen, dann helfen sie enorm“, sagt der Enterprise
Architect.
Anzeige
Austausch über
Unternehmensgrenzen hinweg
Über das Cross-Business-Architecture Lab
Das CBA Lab ist ein Anwenderverband von Unternehmen aus
allen Wirtschaftszweigen, die gemeinsam neue Best Practices erschließen,
erarbeiten und trainieren. Es erarbeitet mit und für seine Mitglieder
innovative „Bausteine“ für die Digitale Transformation, die die Architektur
prägen und organisieren. Am Cross-Business-Architecture Lab beteiligen sich
CIOs, CDOs und Chefarchitekten aus führenden Unternehmen und Organisationen im
deutschsprachigen Raum. Die Mitglieder profitieren vom gemeinsamen Netzwerk und
dem Vertrauensraum des Verbandes, der sie sehr offen Know-how und Ideen teilen
lässt.
Wie wichtig das Thema für die Branche ist, zeigt sich auch
daran, dass vier der der acht Teilnehmer des CBA-Lab-Projekts „Wirksame Enterprise
Architecture Governance“ (EA Governance) aus dem Maschinen- und Anlagenbau
kommen. Das Cross-Business-Architecture Lab
ist ein Verband, in dem Anwenderunternehmen gemeinsam erfolgreiche
Herangehensweisen an neue Technologien erproben. „KI ist ein Querschnittsthema,
das sich überall niederschlägt und sich auch organisatorisch nicht unbedingt
fest an einer Stelle verorten lässt: Das birgt natürlich die Gefahr, dass bei
unterschiedlichen Personen und Instanzen ein Stückwerk aus Regeln entsteht“,
sagt Tim Schultz, Lead Governance & Risk bei den Schweizerischen
Bundesbahnen SBB, der das Projekt geleitet hat.
Auch vor dem Gemeinschaftsprojekt des CBA Labs hatte man
sich bei Festo bereits intensiv mit dem Thema EA Governance beschäftigt. „Es
hat uns aber noch viel gebracht, in diesem Rahmen unsere Sichten zu
‚challengen‘ und mit anderen, auch ähnlich großen Unternehmen, in einer Peer
Group zu diskutieren und zu validieren“, sagt Schug: So kämen wichtige andere
Blickwinkel hinzu.
Anzeige
Enterprise
Architecture bildet die Grundlage
Festo setzt bereits seit rund zehn Jahren auf die
IT-Strategie der Enterprise Architecture, um Geschäft und IT-Architektur –
ausgehend von der Business-Anforderung – übergreifend zu betrachten und sich
von Silos zu lösen. Gerade die zunehmende Bedeutung der Daten mache eine
durchgängige Architektur wichtiger denn je, meint Schug: „Der Schlüssel zur
Nutzung von KI-Anwendungen und dafür, den Kunden KI-Anwendungen anbieten zu
können, ist eine nachhaltige Datenarchitektur. Es ist eine Riesenstärke, wenn
man durch die Governance Daten zugänglich und transparent macht, aber auch
Zugriff und Datenpflege regelt“. Wenn man sich derzeit umhöre in den deutschen
Firmen, sowohl vom Mittelstand bis zu Großkonzernen, täten sich viele sehr
schwer, an diese Datenthematik heranzugehen. Aber eigentlich sei das genau der
Hebel, um überhaupt für das KI-Thema befähigt zu sein. Hier helfe eine
EA-Governance maßgeblich, weil sie auch die Daten einbezieht. „Ein proaktives,
vorausschauendes Planen und Bebauen im Vierklang von Geschäftsarchitektur,
Applikationen, Daten und Technologie“, nennt das Klaus Schug. Das sei gerade
auch für Mittelständler ein wichtiges Thema. „Architektur geschieht, ob mit
oder ohne Prinzipien“, konstatiert Schug. Allerdings müsse ohne entsprechende
Geschäftsarchitektur später oft viel Aufwand in nachträgliche Anpassungen
investiert werden.
Klaus Schug, Enterprise Architect bei FestoFesto
Messen, ob Regeln
wirklich funktionieren
Anzeige
Zu den wichtigsten Learnings aus dem Projekt gehört für ihn
das Thema Darstellen und Messen von Architektur-Governance. „Bislang war teils
ein höherer manueller Aufwand damit verbunden, um etwa auf Anfrage der
Geschäftsleitung die Wirksamkeit der Maßnahmen bei entsprechenden Themen
herauszustellen. Hier haben wir viele gute Ideen mitgenommen und gemeinsam
erarbeitet, wie sich diese Aufgabe bessser automatisieren lässt“, berichtet der
Festo-Enterprise-Architect. Dafür habe man die Architekturprinzipien „nachgeschärft“,
auch um die daraus abgeleiteten Kennzahlen und Messgrößen automatisiert zu
erheben. Hier sei eine intensive Auseinandersetzung wichtig, um wirklich die
„richtigen“ Themen zu messen.
„Wir haben im Projekt gesehen, dass gerade Themen wie
Performance und Berichterstattung durchaus anspruchsvoll und teilweise am
wenigsten weit umgesetzt waren. Dazu gehören Fragen wie: Welche Indikatoren
gibt es, um die Wirkung der Unternehmensarchitektur-Governance zu messen und an
wen wird rapportiert?“, berichtet auch Schultz.
Mehr Wirksamkeit
Ein weiterer Schlüsselfaktor war aus Sicht der
Projektbeteiligten, dem teilweise eher stiefmütterlich behandelten Thema Governance
mehr Aufmerksamkeit zu verschaffen – etwa indem es eine enge Zusammenarbeit mit
der Cybersicherheit gibt. „Eine enge fachliche Verzahnung mit der Cybersecurity
ist nicht nur wesentlich, weil dieser Bereich großes Gewicht hat. Viele
Sicherheitsthemen treiben die Entwicklung der IT-Architektur grundlegend –
etwa, wenn Konzepte wie Zero Trust umgesetzt werden sollen“, merkt der Festo-Governance-Experte
an.
Anzeige
Laut Projektleiter Tim Schultz scheitert das Einhalten von
Regeln häufig daran, dass Menschen sie nicht kennen – oder es aus ihrer Sicht
zu zeitintensiv ist, die Regeln zu recherchieren. Hier könne die generative KI
selbst künftig zu einer deutlichen Verbesserung beitragen. Bisher sind
Governance-Vorgaben oft in Dokumentenform in PDFs abgelegt, die erst einmal gefunden
und gelesen werden müssen, teilweise wird auch mit Rahmenprinzipien gearbeitet,
die Interpretationsspielraum lassen, vielfach werden Checklisten genutzt. Gerade
Large Language Models, die auf diesen textbasierten Quellen trainiert werden,
können einen schnellen Überblick zu allen relevanten Regeln mit Blick auf eine
konkrete Fragestellung liefern. „Das ist ein großer Hebel, um die Wirkung von
Governance signifikant zu erhöhen“, sagt Schultz aus Erfahrung.
Menschen gut
mitnehmen ist der Schlüssel
Tim Schultz, Lead Governance & Risk bei den Schweizerischen Bundesbahnen SBB und Projektleiter CBA LabSBB
„Kommunikation, Change Management und kulturelle Aspekte
sind bei der Akzeptanz entscheidend“, nennt Tim Schultz eine weitere Erfahrung
aus dem Projekt. Je größer die Organisation, desto weiter sei typischerweise
eine zentrale Governance von der Alltagssituation der Betroffenen entfernt und
umso schwieriger werde es, fachlich präzise Vorgaben zu machen, die von allen
gut anwendbar sind. „Über mehr Partizipation lässt sich eine sehr breite
Abdeckung erreichen und zugleich verhindern, dass Vorgaben entstehen, die in
der Praxis gar nicht umsetzbar sind“, ergänzt Schultz. Ziel müsse sein, die
Menschen, die mit einer Vorgabe arbeiten sollen, in einer Feedback-Schleife mit
denjenigen Menschen zu verbinden, die Regeln entwickeln. „So lässt sich eine
kontinuierliche Verbesserung von Vorgaben erzielen“, rät der SBB-Experte. Dabei
helfen Konsent-basierte Ansätze, bei denen die betroffenen Bereiche ein
Vetorecht bekommen.
Anzeige
„Für uns ist ganz
wichtig, dass eine Governance einen konkreten Nutzen erfüllen muss. Nur dann
lässt sich Akzeptanz in der breiten Mehrheit im Unternehmen erreichen – und
genau davon lebt Governance!“, erklärt Klaus Schug. Statt Zeigefinger und
Vorgaben von oben sei intrinsische Motivation gefragt: Dafür gelte es, immer
die Nutzer-Perspektive mitzudenken und so in den Fachbereichen ein besseres
Verständnis zu schaffen. „Manchmal kann das auch einfach sein, dass wir uns
durch eine Vorgabe gegen Cybersecurity-Bedrohungen schützen. Damit sichern wir
letztlich auch den jeweiligen Arbeitsplatz ab“, sagt der Festo-Experte.
Gute Kompromisse
finden
Die Erfahrung zeige, dass es deutlich weniger Widerstände
gebe, wenn der Benefit spezifisch für einzelne Rollen klargestellt werde. Das
gelte vor allem dort, wo es um schnelle Time-to-Market gehe und Menschen
vielleicht der Ansicht sind, dass die Governance eher Steine in den Weg legt
und zusätzliche Bürokratie darstellt. „Wir haben die Erfahrung gemacht, dass es
oft einen guten Mittelweg gibt, wenn man ganz bewusst schaut, wie sich beide
Bedürfnisse weitestgehend übereinander legen und zusammenbringen lassen“,
konstatiert der Festo-Experte. So seien beispielsweise Wege geschaffen worden,
um mit einer ersten Vorfreigabe das Ausprobieren neuer KI-Lösungen zu
beschleunigen, die als Software as a Service bezogen werden. Davon profitiert
nicht zuletzt die IT-Abteilung, die dann frühzeitig weiß, welche neuen Themen
relevant sind: Anstatt dass die Fachbereiche zu komplexe Vorgaben umgehen –
Stichwort Schatten-IT, die gerade im KI-Umfeld ein Problem darstellen kann.
FAQ – Häufige Fragen rund um KI-Governance im Maschinenbau
Was bedeutet KI-Governance konkret im Maschinenbau? KI-Governance umfasst alle Regeln, Prozesse und Verantwortlichkeiten, um den Einsatz Künstlicher Intelligenz in Unternehmen sicher, effizient und regelkonform zu gestalten – von der Datenarchitektur bis zur ethischen Verantwortung.
Warum ist KI-Governance so wichtig? Weil KI ohne klare Leitplanken schnell unkontrollierbar wird. Governance schafft Vertrauen, verhindert Risiken und sorgt dafür, dass Innovationen nicht zum Problem, sondern zur Lösung werden.
Welche Rolle spielt die Enterprise Architecture?
Sie bildet das Fundament: Eine gut strukturierte Enterprise Architecture ermöglicht den transparenten Zugang zu Daten, steuert Anwendungen gezielt und vermeidet technische sowie organisatorische Silos – der Schlüssel zur erfolgreichen KI-Integration.
Wie lässt sich die Wirksamkeit von Governance messen? Mithilfe definierter Architekturprinzipien, KPIs und automatisierter Tools lassen sich Governance-Maßnahmen objektiv bewerten – etwa in Bezug auf Sicherheit, Compliance oder Time-to-Market.
Was sind typische Herausforderungen bei der Umsetzung? Unklare Zuständigkeiten, schwer auffindbare Regeln, Widerstand in Fachbereichen und fehlendes Verständnis für den Nutzen. Viele dieser Hürden lassen sich durch partizipative Prozesse und klare Kommunikation lösen.
Wie kann generative KI bei der Governance helfen? Large Language Models können textbasierte Governance-Dokumente analysieren und kontextbezogen ausgeben – damit relevante Regeln schneller auffindbar und anwendbar sind.
Was bringt eine „kontrollierte Spielwiese“ für KI-Experimente? Sie erlaubt das sichere Testen neuer KI-Tools, ohne die Governance auszuhebeln. Innovation und Kontrolle gehen Hand in Hand – ohne den Druck vollständiger Freigaben in der Frühphase.
Wie profitieren mittelständische Unternehmen davon? Gerade kleinere Unternehmen können durch standardisierte, skalierbare Governance-Modelle schneller auf KI setzen, Sicherheitsrisiken vermeiden und gleichzeitig ihre Innovationskraft stärken.
Was passiert ohne funktionierende Governance? Ohne Governance drohen Chaos, Schatten-IT, Sicherheitslücken und regulatorische Risiken. Im schlimmsten Fall wird KI zur Kostenfalle statt zum Wettbewerbsvorteil.
Gibt es Best-Practice-Beispiele? Ja – Festo zeigt im CBA-Lab-Projekt, wie sich Governance erfolgreich in den Alltag integrieren lässt. Von automatisierter Messung bis zu Vorfreigaben für neue KI-Tools liefert das Unternehmen konkrete Erfolgsrezepte.