Symbolbild Industrie: Arbeiter steht zwischen Rohren in einem Heizwerk. Wie steht es um die Wettbewerbsfähigkeit der Deutschen Industrie?

Das Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie in Deutschland ist gesunken. (Bild: dusanpetkovic1 – stock.adobe.com)

„Die Bevölkerung hat erhebliche Zweifel an der Wettbewerbsfähigkeit Deutschland“, fasst VDI-Direktor Adrian Willig die Ergebnisse einer aktuellen, repräsentativen Bevölkerungsbefragung des VDI zusammen, die VDI/VDE Innovation + Technik durchgeführt hat.

Nur neun Prozent sind der Meinung, Deutschland sei aktuell bei der Entwicklung neuer Technologien sehr wettbewerbsfähig. Insgesamt hält nur eine knappe Mehrheit (54,2 %) Deutschland zumindest für eher wettbewerbsfähig. „Das heißt, die deutsche Bevölkerung hat geringes Vertrauen in die Wettbewerbsfähigkeit des Landes“, bilanziert Willig.

„Die Bevölkerung sieht die Stärken Deutschlands vor allem bei traditionellen Werten einer Industrie 'Made in Germany',“ betont der VDI-Direktor. Zwei von drei Deutschen halten hier entwickelte Technologien außerdem für besonders nachhaltig. „Aber Deutschland ist zu langsam“, ordnet Adrian Willig ein. Der Aussage „Im Vergleich mit anderen Ländern ist Deutschland besonders schnell und bringt neue Technologien zügig auf den Markt“ stimmen nur 6 Prozent voll zu. 23 Prozent stimmen immerhin eher zu. Eine deutliche Mehrheit der Deutschen, 71 Prozent, stimmt dieser Aussage (eher) nicht zu.

Ansehen des Automobilsektors erodiert

Bemerkenswert ist die Perspektive der Befragten auf den Automobilsektor als Schlüsselindustrie des Landes. Mehr als die Hälfte der Befragten (55 Prozent) glaubt, dass in 10 oder 15 Jahren die besten Autos der Welt aus anderen Ländern kommen werden, nicht mehr aus Deutschland.

Auf die Frage, ob Deutschland auch 2035 noch zu den führenden Innovationsstandorten der Welt gehört, antworten nur 13 Prozent der Befragten mit „Ja“. Hinsichtlich der Zukunftsaussichten bestehen demnach erhebliche Unsicherheiten bei den Deutschen. Nur gut jede und jeder Zehnte ist sich sicher, dass Deutschland 2035 eine führende Rolle in der Welt spielen wird.

Bedingt innovativ

Hierzulande entwickelte Technologien hält die Hälfte (54 Prozent) der befragten Personen für besonders innovativ und neuartig.

Bevölkerung erkennt die Relevanz technischer Innovationen

Aber die repräsentative Befragung zeige erfreulicherweise, dass die Bevölkerung erkannt hat, wie wichtig technologische Innovationen für unseren Wohlstand, aber auch für unsere Gesellschaft in Summe sind, so VDI-Präsident Prof. Lutz Eckstein. „Und hier kommen wir Ingenieure und Ingenieurinnen ins Spiel – denn wir entwickeln die dringend notwendigen technischen Innovationen, die in vielfältigen Produkten und effizienten Prozessen und Produktionsverfahren münden.“

Deutsche sind offen für Innovation

Vier von fünf Deutschen denken, dass technische Innovationen nicht nur für den langfristigen wirtschaftlichen Erfolg des Landes, sondern auch für die Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen wichtig sind. Jede dritte befragte Person ist der Ansicht, dass technische Innovationen für die Schaffung neuer Arbeitsplätze sehr wichtig sind. Und eine große Mehrheit (84 Prozent) nimmt technologischen Fortschritt als persönliche Chance wahr.

Expertinnen und Experten sehen den Standort Deutschland positiver als die Bevölkerung

Die für die Studie befragten Expertinnen und Experten zeigten sich mehrheitlich nicht überrascht über die hohe Aufgeschlossenheit der Deutschen beim Thema Innovation, berichtet der VDI. „Ich werde immer wieder mit dem Bild konfrontiert, dass die Beschäftigten in Deutschland angeblich Angst vor Digitalisierung und Veränderungen haben. Das lässt sich aus der Empirie aber nicht belegen“, stellt Prof. Sabine Pfeiffer vom Institut für Soziologie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg im Bericht zur Studie fest.

Die Fachleute bewerten die Leistungsfähigkeit des Innovationsstandortes positiver als die Bevölkerung. Das gilt vor allem für die Innovationshöhe und die -Geschwindigkeit, etwa in Schlüsselbranchen wie dem Maschinenbau. Dies könnte damit zusammenhängen, dass ein Großteil des Innovationsgeschehens hierzulande nicht im B2C-Segment sondern im B2B-Segment stattfindet. Dadurch sind viele Innovationen für die breite Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar: Eine Neuerung bei Smartphones, wie sie in den USA entwickelt werden, ist beispielsweise für die Verbraucher viel sichtbarer als die Digitalisierung von Industrieprodukten, für die der deutsche Maschinenbau bekannt ist.

Welche Chancen hat die deutsche Industrie?

„Die Chance für unseren Wissenschafts- und Wirtschaftsstandort liegt darin, die global notwendigen Technologien zur Erzeugung nachhaltiger Energieträger, zur Speicherung sowie zum Transport und schließlich zur Wandlung in Kraft und Wärme nicht nur zu entwickeln und zu produzieren, sondern auch dorthin zu exportieren, wo sie mindestens so notwendig sind, wie hier in Deutschland“, so Lutz Eckstein.

„Uns muss aber auch bewusst sein, dass die aktuellen Herausforderungen globaler Natur sind und nicht mittels eines Sprints in wenigen Jahren, sondern über einen Zeitraum von Jahrzehnten zu lösen sind – vergleichbar mit einem Marathon, bei dem man fit an den Start gehen und sich die Kräfte gut einteilen sollte“, mahnt der VDI-Präsident.

Zu der Umfrage

Für die Studie wurde eine repräsentative Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Im Auftrag von VDI/VDE Innovation + Technik befragte das UZ Bonn im April 2023 insgesamt 1097 Personen. Ergänzend dazu wurden insgesamt sechs Experteninterviews mit Vertreterinnen und Vertretern aus den Bereichen Technik-, Wirtschafts- und Sozialwissenschaften geführt.

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