Umbau bei Siemens

Digital-Offensive: Siemens investiert in KI-Zukunft

Wie Siemens nach dem Ausstieg bei Healthineers Milliarden in KI und Software steckt – und warum das Digitalgeschäft jetzt Priorität hat.

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Mit der Trennung von Healthineers, massiven Investitionen in KI und Software sowie einer klaren Fokussierung auf Digitalisierung schlägt Siemens ein neues Kapitel in der Industriegeschichte auf.

Der Technologiekonzern Siemens setzt in den kommenden Jahren auf den Ausbau seines Digitalgeschäfts. Dieses soll bis 2030 im Schnitt jährlich um 15 Prozent wachsen und seine Umsätze so von 9,4 Milliarden Euro im vergangenen Geschäftsjahr verdoppeln, teilte der Dax-Konzern im Rahmen seines Investorentages in München mit. Dazu will Siemens in den nächsten drei Jahren eine Milliarde Euro in seine KI-Angebote investieren. Vermehrt sollen dabei Gelder in die USA, China und Indien fließen.

Im Vergleich zu den riesigen Summen, die die großen US-Tech-Unternehmen in KI stecken, wirkt die Summe klein, Konzernchef Roland Busch betonte allerdings, Siemens investiere hier nicht in die teure Rechenleistung, sondern in konkrete Anwendungen für die industrielle KI.

Für den Gesamtkonzern erhöhte Siemens seine Umsatzerwartungen und rechnet mittelfristig mit einem vergleichbaren Erlöswachstum von 6 bis 9 Prozent. Ausgeklammert sind Währungs- und Portfolioeffekte. Beim letzten Kapitalmarkttag 2021 hatte der Konzern noch ein Wachstum von 5 bis 7 Prozent auf der Agenda. Das Ergebnis je Aktie vor bestimmten Kaufpreiseffekten soll weiterhin im hohen einstelligen Prozentbereich wachsen.

Nicht mehr enthalten in der mittelfristigen Prognose ist Siemens Healthineers. Siemens hatte bereits angekündigt, sich von seiner Medizintechniktochter trennen zu wollen. In einem ersten Schritt sollen 30 Prozent an dem ebenfalls im Dax notierten Unternehmen vorzugsweise in Form einer Abspaltung an die Aktionäre der Siemens weitergereicht werden. Investoren hatten diesen Schritt schon länger gefordert, weil das Geschäft von Healthineers keine Synergien zu Siemens aufweist und dazu viel Kapital bindet. Die Entkonsolidierung wird jedoch dauern: So müssen etwa die Details noch ausgearbeitet werden und die Aktionäre beider Unternehmen dem Vorhaben zustimmen. Einzelheiten will Siemens im zweiten Quartal 2026 nennen. Mittelfristig strebt der Konzern eine reine Finanzbeteiligung an.

Der Schritt ist Teil der laufenden Transformation zu einem integrierten Technologiekonzern mit einem größeren Digital- und Software-Anteil. Dazu leistete sich Siemens zuletzt mit den US-Unternehmen Altair und Dotmatics milliardenschwere Übernahmen.

Siemens hat in der Vergangenheit immer wieder Teile abgespalten - sei es die Halbleitersparte, die heute unter dem Namen Infineon läuft, den Lichtkonzern Osram oder die 2020 an die Börse gebrachte Energietechniksparte Siemens Energy. An der hält Siemens noch gut 10 Prozent - und will weiterhin "in einem sinnvollen Zeitrahmen" vollständig aussteigen, sagte Finanzchef Ralf Thomas.

Siemens fährt erneut Rekordgewinn ein

Trotz des schwierigen wirtschaftlichen Umfelds erzielte Siemens im vergangenen Geschäftsjahr erneut einen Rekordgewinn. Unter dem Strich verdiente der Konzern 2024/25 (per Ende September) 10,4 Milliarden Euro. Das sind 16 Prozent mehr als vor einem Jahr.

Konzernchef Busch sprach angesichts der Zahlen von einem Meilenstein: "Zum dritten Mal in Folge haben wir einen Rekord beim Gewinn nach Steuern erzielt und sind sowohl bei Auftragseingang als auch bei den Umsatzerlösen im mittleren einstelligen Prozentbereich gewachsen." Siemens sei "stärker denn je".

Den Gewinnsprung verdankt Siemens einerseits einem milliardenschweren Sondereffekt aus dem Verkauf von Innomotics, der schon im ersten Quartal wirksam geworden war, andererseits einem brummenden Geschäft in der Sparte Smart Infrastructure. Zudem erholt sich das zuletzt schwächelnde Geschäft von Digital Industries mit der Automatisierungstechnik und konnte im vierten Quartal des Geschäftsjahres leicht zulegen.

Für das neue Geschäftsjahr setzt Siemens auf weiteres Wachstum. Jedoch dürften negative Währungseffekte - wie etwa der schwache US-Dollar - erheblichen Gegenwind für die Umsatz- und Ergebnisentwicklung bringen, erklärte Finanzvorstand Thomas. Vergleichbar sollen die Erlöse um 6 bis 8 Prozent zulegen.

dpa

FAQ: Die Siemens-Umstrukturierung im Überblick

Was sind die wichtigsten Stationen der Siemens-Umstrukturierung?

Seit über einem Jahrzehnt verfolgt Siemens eine konsequente Fokussierung auf das Kerngeschäft rund um Digitalisierung, Automatisierung und industrielle Software. Zu den markantesten Meilensteinen zählen die Abspaltungen von Infineon (2000), Osram (2013), Siemens Energy (2020) und nun die geplante Trennung von Siemens Healthineers (2026).

Warum trennt sich Siemens von so vielen Tochtergesellschaften?

Der Konzern verfolgt eine Strategie der Portfoliobereinigung: Bereiche ohne direkte Synergien zum Kerngeschäft sollen ausgelagert oder verkauft werden. Ziel ist ein fokussierter, agiler Technologiekonzern, der auf digitale Wachstumsfelder ausgerichtet ist.

Was passiert mit Siemens Healthineers?

30 Prozent der Anteile sollen vorzugsweise per Abspaltung an die Siemens-Aktionäre übergehen. Mittelfristig plant Siemens, Healthineers nur noch als Finanzbeteiligung zu halten. Der vollständige Schritt wird bis voraussichtlich 2026 abgeschlossen sein.

Wie wirkt sich die neue Strategie auf das Digitalgeschäft aus?

Siemens investiert gezielt in Software, KI und Industrieplattformen – mit dem Ziel, den Umsatz des Digitalgeschäfts bis 2030 auf über 18 Milliarden Euro zu steigern. Eine Milliarde Euro sollen allein in KI-Anwendungen fließen.

Welche Rolle spielen Zukäufe wie Altair und Dotmatics?

Die beiden US-Firmen erweitern das Technologieportfolio von Siemens um hochspezialisierte Softwarelösungen. Altair stärkt den Bereich Simulation und Engineering, Dotmatics bringt Know-how in datengesteuerter Forschung und Cloud-Anwendungen mit.

Wie positioniert sich Siemens heute im Markt?

Siemens versteht sich zunehmend als „integrierter Technologiekonzern“ mit einem klaren Fokus auf industrielle Digitalisierung. Mit Plattformen wie Siemens Xcelerator und einem wachsenden Softwareangebot konkurriert der Konzern zunehmend mit globalen Tech-Unternehmen.

Wird es weitere Abspaltungen geben?

Ja, Siemens hält aktuell noch rund zehn Prozent an Siemens Energy und plant, sich auch hiervon „in einem sinnvollen Zeitrahmen“ vollständig zu trennen – als Teil der übergeordneten Digitalstrategie.

Wie reagiert der Kapitalmarkt auf die Umstrukturierungen?

Kurzfristig gibt es häufig Kursreaktionen, wie zuletzt ein Rückgang nach der Healthineers-Ankündigung. Langfristig schätzen Analysten den Fokus auf margenstarke, digitale Geschäftsfelder als zukunftsträchtig ein.