Flugzeug fliegt über Container-Umschlagplatz

Das Prinzip der Glokalisierung wird angesichts veränderter Rahmenbedingungen wichtig. Es geht um Dekarbonisierung, regionale Lieferketten und die Umstellung auf Kreislaufwirtschaft. Unternehmen müssen sich dem anpassen. - (Bild: Alija - Getty Images)

Der Begriff Glokalisierung bezeichnet einen neuen Megatrend, der Auswege aus den aktuellen Krisen der Globalisierung zeigt. Nicht nur die Auswirkungen der Pandemie offenbaren: Die Zeiten, als es ausreichte, Lieferketten zunehmend global zu gestalten, sind vorbei.

Es geht nun um eine nachhaltige Neuausrichtung der gesamten Wertschöpfung, maßgeblich getrieben durch immer strengere staatliche Maßnahmen zur Klimaneutralität. Mit der Diskussion um Dekarbonisierung bekommt das Prinzip der Circular Economy (deutsch: Kreislaufwirtschaft) einen erheblichen Auftrieb.

Nahezu jede Branche ist betroffen – manche Unternehmen müssen stärker kämpfen als andere, und manchen bieten sich besondere Chancen. Hierzu gehört der Maschinen- und Anlagenbau.

Die Globalisierung gerät an ihre Grenzen

Die Covid-19-Pandemie brachte die Globalisierung mit ihren effizient getakteten Lieferströmen über Kontinente hinweg an ihre Grenzen. Doch das Image des weltumspannendenden Handelsaustauschs leidet schon länger. So werfen Handelskriege und Dekarbonisierung kritische Fragen zu Prinzipien der Globalisierung auf. Deshalb verlieren internationale Lieferketten zwar nicht ihre Berechtigung, geraten aber von vielen Seiten unter Druck.

Seit einigen Jahren wachsen globale Handelsströme langsamer, ausländische Direktinvestitionen sind auf dem Rückzug. Neue Schlagworte machen die Runde: Glokalisierung und Slowbalisierung beschreiben eine langsamere Taktung der Entwicklung. Neben der Herausforderung, Lieferketten transparent und weniger risikoanfällig zu gestalten, zwingt der zunehmende Druck zur Klimaneutralität Unternehmen zum Handeln.

Der Weg zur Klimaneutralität ist festgeschrieben

Klimaneutralität bis 2050 – dieses große Ziel der Europäischen Union, ist ambitioniert, doch der eingeschlagene Weg ist unumkehrbar. Unternehmen müssen darauf reagieren.

Zur Dekarbonisierung gehört unter anderem die Abkehr von fossilen Energieträgern. Wenn der CO2-Preis steigt und Regulierungen schärfer werden, lohnen sich Geschäftsmodelle und Lösungen mit einem hohen Ausstoß an Treibhausgasen immer weniger. Dazu gehört, Komponenten und Produkte auf globalen Lieferketten wegen winziger Kostenvorteile um die Welt zu senden. Regionale Ökosysteme werden jedoch an Bedeutung gewinnen.

Will eine Industrie die Klimaschutzziele erreichen und mögliche Strafzahlungen vermeiden, muss sie in allen Bereichen konsequent CO2-Emissionen entlang der gesamten Wertschöpfungskette reduzieren. Von entscheidender Bedeutung ist die Energieeffizienz. Gefragt sind außerdem Innovationen und neue Produkte. Unternehmen müssen frühzeitig nachhaltige Geschäftsmodelle entwickeln, Stakeholder überzeugen und konsequentes Handeln beweisen. So sind sie vorbereitet auf zukünftige Regulierungen und dynamische Marktentwicklungen.

In allen Branchen besteht Bedarf an innovativen, effizienten Anlagen. Das kann gerade Maschinen- und Anlagenbauern profitable neue Geschäftsfelder eröffnen.

EY-Podcast: Transformation Tacheles

Im EY-Podcast Transformation Tacheles sprechen Experten über die neue Normalität und aktuelle Trends. Es geht um Themen wie New Work, Strategie, Digitalisierung und Megatrends.

Das Thema von gleich zwei Folgen: "Globale Märkte, Deglobalisierung der Lieferketten". Hier gehts zur ersten Folge des EY-Podcasts zur Deglobalisierung. Martin Neuhold (EY), Dr. Ralph Wiechers (Chef-Volkswirt des VDMA), Susanna Schneeberger (zuletzt Digital-Vorstand von KION und Aufsichtsrat bei SKF) sprechen mit Moderator Thomas Lütkemeier (EY) darüber, welche ökonomischen Auswirkungen haben Deglobalisierungszenarien für den Maschinenbau, und wie sähe die Zukunft dieser Branche aus, wenn die Globalisierung zurückgedreht würde?

Um zum zweiten Teil des EY-Podcasts "Globale Märkte, Deglobalisierung der Lieferketten" zu gelangen, klicken Sie hier.

Maschinenbau hat eine Schlüsselrolle bei der Dekarbonisierung

Viele im Kampf gegen den Klimawandel benötigte grüne Technologien müssen erst noch entwickelt oder ausgebaut werden. Teilweise werden hierzu völlig neue Produktionsprozesse benötigt. Das geht nicht ohne Maschinen- und Anlagenbauer. Seine Schlüsselposition eröffnet dem Maschinenbau daher einmalige Chancen. Die Möglichkeiten, sich an neuen Prozessen zu beteiligen und davon zu profitieren, sind riesig.

Der Maschinen- und Anlagenbau hat großen Einfluss auf die Entwicklung des weltweiten CO2-Ausstoßes. Zwar ist die Branche selbst nur für einen winzigen Teil davon direkt verantwortlich: Laut Erhebungen von Our World in Data gerade einmal für 0,5 Prozent der weltweiten Emissionen. Der größte Teil entsteht entlang der Lieferketten, nur 11,0 Prozent bei der eigenen Fertigung.

Trotz dieser geringen eigenen Emissionen hat der Maschinenbau aber eine entscheidende Funktion: Indem er die entsprechenden Anlagen herstellt, schafft er erst die Voraussetzungen dafür, dass Unternehmen etwa in der Energie- oder Automobilbranche die strengen Klimaziele erreichen können.

EYCarbon

Um die Herausforderungen der Dekarbonisierung zu meistern und die Chancen zu ergreifen, wurde EYCarbon gegründet. EYCarbon bietet eine End-to-End-Lösung für Nachhaltigkeit und Dekarbonisierung: www.ey-carbon.de

Die Revolution der Kreislaufwirtschaft nimmt Fahrt auf

Die Diskussion um Dekarbonisierung sowie die Corona-Krise verändern nicht nur die Wirtschaft, sondern auch das Wertegefüge unserer Gesellschaft. Nachhaltigkeit gewinnt weiter an Bedeutung. Konsumenten dürften künftig noch mehr Wert auf nachhaltige und regionale Produkte legen. So bekommt die Circular Economy erheblichen Auftrieb. Dabei spielen Recycling und Weiterverwertung eine zentrale Rolle.

Die Lebensdauer von Komponenten kann dann länger sein als die der Endprodukte. Das Prinzip der Kreislaufwirtschaft wird unsere Gesellschaft und unseren Konsum revolutionieren. Und es gibt viel zu tun: Bislang werden in der Wirtschaft nicht einmal zehn Prozent – konkret 8,6 Prozent – des weltweiten Materialflusses wiederverwertet.

Unternehmen sollten ihre Geschäftsmodelle auf Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft hin prüfen und ausrichten. Nachhaltige Produktionszyklen und ein verantwortungsbewusster Umgang mit Ressourcen punkten nicht nur in der Krise, sondern auch in der Zeit danach.

Schon vor der Corona-Krise präsentierte die EU-Kommission einen Aktionsplan zur Circular Economy, um Europa ökologisch sauberer, wettbewerbsfähiger und unabhängiger zu machen. Viele Regulierungen werden folgen. Dem Aktionsplan zufolge sollen in der EU womöglich schon ab 2030 nur noch kreislauffähige Produkte auf den Markt gebracht werden.

Aus linearen, globalisierten Wertschöpfungsketten wird eine Reihe zirkulärer, regionaler Ökosysteme werden – ganz im Sinne der Glokalisierung. Unternehmen müssen nicht mehr zwangsläufig neuwertiges Material weit transportieren, um es einzusetzen. Stattdessen können sie viel vor Ort aufbereiten und wiederverwerten. Dies wiederum wird der Dekarbonisierung einen Schub geben. Studien gehen davon aus, dass Circular-Economy-Prinzipien, die Produkte länger im Lebenszyklus halten, bis 2050 zwischen 40 und 60 Prozent zur CO2-Reduktion beitragen können.

Über den Autor

Martin Neuhold von EY
Autor Martin Neuhold - (Bild: EY)

Martin Neuhold ist Partner bei der Ernst & Young GmbH Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. Er leitet das Marktsegment Advanced Manufacturing & Mobility sowie den Bereich Industrial Products im DACH-Raum.

Schwerpunkte seiner Arbeit sind operative Exzellenz und Digitalisierung in der Automobil-, Maschinenbau- und Chemiebranche.

Kontakt: martin.neuhold@de.ey.com

Produkte müssen neu gestaltet werden

Für Unternehmen geht es nun nicht nur darum, Materialien zu ersetzen. Sie müssen auch viele Produkte anders designen. Die Materialauswahl muss mit dem Produktdesign und dem Geschäftsmodell in Einklang gebracht werden. Wer sich daran wagt, kommt zu spannenden Ergebnissen, die in vielen bisherigen Fällen auch höchst profitabel waren.

Ein Beispiel dafür, warum sich die Mühe lohnt, hat EY gemeinsam mit einem Hersteller von Wasseruhren umgesetzt. Diese wurden so gestaltet, dass sie mehrere Lebenszyklen überstehen. Die Kunden – in diesem Fall Stadtwerke – geben die Uhren mit Ablauf der Eichfrist zurück, der Hersteller arbeitet sie mit geringem Aufwand wieder auf. Dann gehen sie in die zweite Lebensphase. Durch den Einsatz höherwertiger Materialien verdient der Hersteller im ersten Zyklus weniger. Dafür ist die Marge danach größer.

Noch vor wenigen Jahren wurde der Komplex der Circular Economy zuweilen als Öko-Thema für Heile-Welt-Prediger abgetan. Doch inzwischen ist klar, dass Unternehmen um Veränderungen in diese Richtung nicht mehr herumkommen werden.

Das ist die Rolle des Maschinenbaus in der Kreislaufwirtschaft

Wenn die Circular Economy tiefgreifende Veränderungen bringt und in Zukunft immer mehr wiederverwendet statt verschrottet wird, eröffnet das Maschinen- und Anlagenbauern besondere Chancen. So benötigen technologische Branchen und die Automobilindustrie neuartige Anlagen, um ihre gebrauchten Geräte automatisiert in Einzelteile zu zerlegen und zum Beispiel Rohstoffe aus Batterien wiederzugewinnen.

Die Stahlindustrie – deren Bedeutung für den weltweiten CO2-Ausstoß besonders groß ist – muss ihre Produkte wiederverwenden und zum Beispiel alte Schienen in gleicher Qualität aufbereiten. Verlängerte Einsatzzyklen von Stahl und Edelstahl sind auf jeden Fall nötig, bis die Produktion selbst komplett dekarbonisiert ist. Für all dies werden spezielle Maschinen gefragt sein.

Bei der Gestaltung von Anlagen schließlich ermöglicht das Prinzip „Features per Knopfdruck“ anstelle aufwendiger Sonderserien ein Second Life für Maschinen: Kunden können sie besser an andere Anwender weiterverkaufen, sobald sie ihren ursprünglichen Zweck erfüllt haben. Die neuen Nutzer können sie dann leicht umrüsten und neu konfigurieren, um sie noch lange weiter zu verwenden.

Das ist das Ziel der Transformation

Es geht nicht darum, Globalisierung per se in eine „Schmuddelecke“ zu stellen. Auch im Begriff der Glokalisierung ist sie ja enthalten. Ein simples Zurückdrehen, eine reine Lokalisierung, kann nicht das Ziel sein. Bei der Lösung von vielen weltumspannenden Problemen kann Globalisierung eine wichtige Rolle spielen: Ein globaler wirtschaftlicher Ansatz hilft etwa dabei, die ungleiche Verteilung von Wohlstand weltweit zu reduzieren oder Flüchtlingsströme zu verhindern.

Es muss aber eine faire und transparente Globalisierung sein, in der neue Lösungen gefunden werden. Deshalb wird die Kreislaufwirtschaft so wichtig werden. Der unumkehrbare Trend zu Umwelt- und Ressourcenschutzschutz beschleunigt in allen Wirtschaftsbereichen Innovationen. Stellen Unternehmen frühzeitig die richtigen Weichen und setzen auf Konzepte wie die Circular Economy, schaffen sie auch in Zeiten großer Umwälzungen neue Wettbewerbschancen und Wachstum.

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