Milliardeninvestitionen für grüne Luftfahrt
Klimaneutrale Luftfahrt kostet 5,1 Billionen Dollar
Die Dekarbonisierung des Luftverkehrs ist eine Mammutaufgabe – und sie wird teuer. Eine aktuelle Studie zeigt, welche Stellschrauben nötig sind und wo es heute noch klemmt
Auch wenn die Flugzeughersteller wie Airbus vieles entwickeln: Eine klimaneutrale Luftfahrt ist weit entfernt und wohl nur mit Investitionen in Billionenhöhe erreichbar.
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Infos in Kürze
- 5,1 Billionen US-Dollar Investitionsbedarf bis 2050
- Klimaschädliche Emissionen deutlich über CO2 hinaus
- SAF deckt aktuell nur 0,3 % des Kerosinbedarfs
- PtL-Quote in Deutschland gestrichen – Mangel an
Treibstoff
- Emissionszertifikate zu günstig, um Investitionen zu
motivieren
- Alter der Flugzeuge steigt – lange Lieferzeiten
- Nachfrage nach Flugreisen wächst weltweit rapide
- Verlagerung auf Bahn und höhere Ticketsteuern empfohlen
Milliardeninvestitionen als Grundvoraussetzung
Die Umstellung auf einen klimaneutralen Luftverkehr bis zum Jahr 2050 wird laut einer neuen Studie des Kreditversicherers Allianz Trade nur mit immensen Investitionen möglich sein. Die Experten beziffern den notwendigen Finanzbedarf auf rund 5,1 Billionen US-Dollar – umgerechnet etwa 4,4 Billionen Euro. Ziel ist es, den CO₂-Fußabdruck der Branche drastisch zu reduzieren.
Die internationale Luftfahrtorganisation IATA hat sich zu CO₂-Neutralität bis 2050 verpflichtet. Maria Latorre, Luftfahrtexpertin bei Allianz Trade, spricht von einer „Herkulesaufgabe“, die nur mit einem komplexen Maßnahmenpaket zu bewältigen sei: „Die Reduzierung des aktuell großen CO₂-Fußabdrucks in der Luftfahrt erfordert ein umfassendes Maßnahmenpaket, das sowohl Technologie, Treibstoffe, Betrieb als auch Politik umfasst.“
Klimaschäden über CO₂ hinaus
Neben CO₂-Emissionen tragen auch Kondensstreifen und Stickoxide erheblich zur Erderwärmung bei. Die Studie sieht die zivile Luftfahrt daher für rund sechs Prozent der menschengemachten Erwärmung verantwortlich. Ein zentraler Hebel liegt in der Nutzung nachhaltiger Treibstoffe (Sustainable Aviation Fuels, SAF). Diese könnten die CO₂-Emissionen der Branche um 60 bis 90 Prozent reduzieren.
Tatsächlich decken SAFs heute jedoch nur rund 0,3 Prozent des globalen Kerosinbedarfs. Damit bleibt der ökologische Effekt aktuell gering. Zwei Wege stehen für die Herstellung zur Verfügung: Zum einen biogene Materialien, zum anderen synthetische Kraftstoffe auf Basis regenerativer Energien (Power-to-Liquid, PtL).
Synthetische Kraftstoffe als Schlüsseltechnologie
Der Vorteil von PtL liegt in der nahezu unbegrenzten Verfügbarkeit – theoretisch. Praktisch mangelt es an Produktionskapazitäten, klaren politischen Rahmenbedingungen und ausreichenden Investitionen. Die Studie unterstreicht die Notwendigkeit großangelegter Produktionsanlagen und stabiler politischer Förderinstrumente.
Ein aktuelles Beispiel für die politische Unsicherheit liefert der Deutsche Bundestag: Die ursprünglich geplante nationale PtL-Quote für das kommende Jahr wurde gestrichen. Begründung: Es gibt keinen verfügbaren PtL-Treibstoff am Markt. Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) sieht daher die Gefahr reiner Strafzahlungen ohne Umweltwirkung.
Emissionshandel ohne Durchschlagskraft
Als Übergangslösung nennt Allianz Trade den Emissionshandel – sowohl auf europäischer als auch auf internationaler Ebene. Dieses marktwirtschaftliche Instrument soll Investitionen in saubere Technologien belohnen und Verschmutzungskosten verursachergerecht verteilen.
Doch die Realität sieht anders aus. „Aktuell seien die Zertifikate aber immer noch billiger als nachhaltige Kraftstoffe“, kritisiert Latorre. Damit fehlen finanzielle Anreize, auf emissionsarme Lösungen umzusteigen. Eine Nachbesserung der Preisstruktur scheint unumgänglich.
Alternde Flotten und Produktionsengpässe
Auch beim Fluggerät selbst stockt der Fortschritt. Laut Studie ist das Durchschnittsalter der eingesetzten Flugzeuge auf 15 Jahre gestiegen – ein Rekordwert. Gleichzeitig betragen die Wartezeiten auf neue Maschinen aktuell rund sechs Jahre. Die Gründe: Lieferschwierigkeiten der führenden Flugzeughersteller.
Neue, effizientere Flugzeuge könnten zwar kurzfristig Emissionen senken, doch die Industrie hinkt ihrer eigenen Nachfrage hinterher. Das erschwert die schnelle Umsetzung von Klimazielen zusätzlich.
Prognose: Nachfrage wächst massiv
Der Blick auf die Entwicklung der Fluggastzahlen verstärkt die Problematik: Weltweit wird sich die Anzahl der Flugreisen laut Allianz Trade bis 2050 mehr als verdoppeln – von aktuell 5 auf 12,4 Milliarden. Selbst bei optimaler Technologie und Betriebsführung entsteht damit ein Zielkonflikt zwischen Klimaschutz und globaler Mobilität.
In Europa fällt das Wachstum mit 52 Prozent vergleichsweise moderat aus. Etwa 1,81 Milliarden Passagiere werden hier 2050 erwartet. Besonders auffällig: Mehr als die Hälfte aller Reisen findet innerhalb Europas statt. Für die Studie ergibt sich daraus ein entscheidender Handlungsansatz.
Fokus auf Verlagerung und Steueranreize
Kurzstreckenflüge innerhalb Europas bieten großes Einsparpotenzial. Allianz Trade empfiehlt, diese durch sehr schnelle Bahnverbindungen zu ersetzen. Parallel könnten höhere Flugticketsteuern die Nachfrage begrenzen und zusätzliche Mittel für Investitionen in nachhaltige Mobilität generieren.
Der kombinierte Effekt aus Verkehrsverlagerung, technologischem Fortschritt und wirtschaftlicher Steuerung könnte die notwendige Transformation beschleunigen. Ob das Ziel der Klimaneutralität bis 2050 jedoch erreichbar bleibt, ist unter den aktuellen Bedingungen fraglich.
Mit Material der dpa
FAQ zur Studie „Klimaneutraler Luftverkehr 2050“
Wie hoch sind die Investitionskosten bis 2050? - Rund 5,1 Billionen US-Dollar (ca. 4,4 Billionen Euro).
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Wie groß ist der heutige Beitrag der Luftfahrt zur Erderwärmung? - Etwa 6 Prozent durch CO₂, Stickoxide und Kondensstreifen.
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Wie viel des aktuellen Kerosinbedarfs wird mit SAF gedeckt? - Lediglich 0,3 Prozent weltweit.
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Welche Rolle spielt Power-to-Liquid? - PtL gilt als Schlüsseltechnologie, ist aber noch nicht in industriellem Maßstab verfügbar.
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Warum wurde die PtL-Quote in Deutschland gestrichen? - Es fehlt derzeit an verfügbarem PtL-Treibstoff, eine Quote hätte nur zu Strafzahlungen geführt.
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Wie lange dauert die Lieferung neuer Flugzeuge? - Derzeit rund sechs Jahre.
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Wie soll die Nachfrage in Europa reduziert werden? - Durch Verlagerung auf schnelle Bahnverbindungen und höhere Flugticketsteuern.