Zwei Mitarbeitende stehen hinter einer Maschine, tragen Maske und schauen auf ein Dokument.

Die deutsche Wirtschaft könnte sich nächstes Jahr von der Coronakrise erholen. - (Bild: littlewolf1989 - stock.adobe.com)

Mehr Infizierte, geschlossene Shops und große Verunsicherungen: Die zweite Welle geht auch nicht an der Wirtschaft vorbei. Aber: „Die Auswirkungen werden nicht so drastisch sein wie im ersten Lockdown“, sagte Claus Michelsen, Leiter der Abteilung Konjunkturpolitik des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Berlin (DIW) heute. Der Grund: Sowohl Unternehmen als auch die Haushalte haben sich auf die neuen Gegebenheiten eingestellt.

PRODUKTION fasst die wichtigsten fünf wichtigsten Punkte der Wirtschaftsexperten zusammen:

Pleiten werden nicht zu vermeiden sein

Die Frage sei nicht, ob es zu Insolvenzen kommen wird, sondern wann, sagte DIW-Präsident Marcel Fratzscher. Im September und Oktober sei die Zahl der gemeldeten Insolvenzen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 35 Prozent gesunken. Das habe vor allem zwei Gründe: Zum einen die Aussetzung der Antragspflicht für zahlungsunfähige und überschuldete Unternehmen, die bis Ende September galt. Zudem seien die „massiven wirtschaftlichen Hilfen“ der Bundesregierung auch ein Grund für weniger Pleiten, so Fratzscher. Die Frage sei nun, was der wichtigere Grund der beiden sei. Das könne man jedoch empirisch noch nicht sagen.

Marcel Fratzscher ist Präsident des DIW.
Marcel Fratzscher ist Präsident des DIW. Er geht davon aus, dass es mehr Insolvenzen geben wird. - (Bild: DIW Berlin/Florian Schuh)

Wenn die Wirtschaftshilfen die Erklärung sind, dann könne man darauf hoffen, dass die Zahl der Insolvenzen im ersten Quartal 2021 nicht dramatisch ansteigt, sondern sich über einen gewissen Zeitraum strecken. Dadurch würden dann auch keine Dominoeffekte entstehen, denn viele Firmenpleiten würden letztendlich auch die Banken belasten.  Und: Insolvenzen führen natürlich auch zu Arbeitslosigkeit, was zu einer sinkenden Konsumnachfrage führen wird. Das würde sich dann negativ auf die Gesamtwirtschaft auswirken, erklärte der DIW-Präsident.

Von den Pleiten betroffen sein werden laut Michelsen vor allem kleinere und mittelständische Unternehmen und hier besonders im Dienstleistungsbereich. Denn diese Betriebe haben – anders als große Industriekonzerne – wenig Eigenkapital.

Die Risiken für die Wirtschaft sind weiter enorm

Vor allem das unkontrollierte Infektionsgeschehen sei für die Wirtschaft ein großes Risiko, sagte Michelsen. Daraus resultierend könnten dann Unternehmenspleiten und Entlassungen folgen. Zudem herrsche eine tiefe Verunsicherung bei Haushalten und Unternehmen.

Wenn es den Firmen schlecht geht, könne die Krise auch den Bankensektor treffen, erklärte Michelsen weiter. Unabhängig von der Coronakrise sieht das DIW auch einen No-Deal-Brexit als großes Risiko für die Firmen.

Positive Auswirkungen könnten dagegen schnellere Impfungen haben.

Europa ist am schlimmsten betroffen

Claus Michelsen, Leiter Abteilung Konjunkturpolitik
Claus Michelsen ist beim DIW Leiter Abteilung Konjunkturpolitik. Er erklärt, dass Europa im Vergleich zu den USA und China stärker mit wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zu kämpfen hat. - (Bild: Sebastian Donath)

Die wirtschaftlichen Folgen von Covid-19 sind weltweit spürbar. Michelsen geht davon aus, dass das Welt-BIP im kommenden Jahr nur noch um 4,6 statt 6,3 Prozent wachsen wird. Die Pandemie werde auch auf längere Sicht zu einem erheblichen Rückgang des Wohlstands führen, sagte er.

Wie groß die Auswirkungen der Pandemie sind, ist jedoch von Region zu Region unterschiedlich. Während die Schwellenländer derzeit ein kräftiges Aufholwachstum verspüren, kämpfen die entwickelten Volkswirtschaften mit den Herausforderungen der zweiten Welle, so Michelsen. Vor allem China habe sich bereits dieses Jahr stark erholt. Und auch in den USA seien die Auswirkungen des Coronavirus nicht so ausgeprägt, obwohl es dort hohe Infektionszahlen gibt. Im kommenden Jahr rechnet das DIW mit einem BIP-Wachstum von 3,9 Prozent in Amerika. In China sogar mit neun Prozent.

Düsterer sieht es dagegen im Euroraum aus. Dort könne 2021 der wirtschaftliche Rückgang durch Corona noch nicht aufgeholt werden, erklärt der Wissenschaftler. Auch in Großbritannien sehe die Lage nach einem starken Rückgang dieses Jahr nicht gut aus.

Eine Übersicht über die Wirtschaftsräume gibt es in der folgenden Tabelle:

Der Euroraum ist besonders von der Coronakrise betroffen.
Der Euroraum ist besonders von der Coronakrise betroffen. - Grafik: Anja Ringel; Quelle: DIW Berlin

Trotz Rückschlägen gibt es Hoffnung für die deutsche Wirtschaft

In Deutschland wurde die Erholung im Sommer durch die zweite Welle abrupt gestoppt. Das DIW erwartet deshalb zum Jahresende einen Wirtschaftsrückgang von minus 0,5 Prozent. 2020 rechnet das Institut mit einem Rückgang von minus 5,1 Prozent, der dann 2021 mit einem Wachstum von 5,3 Prozent wieder aufgeholt werden kann.

Sollte es jedoch zu einer Verschärfung und Verlängerung des Lockdowns bis in das Frühjahr kommen, werde es 2021 nur ein Wachstum von 3,8 Prozent geben, erklärte Michelsen. Für ihre Berechnungen hat das DIW ein allgemeines Risikoszenario gewählt und nicht bereits einen möglichen Lockdown bis 10. Januar miteingerechnet.

In der aktuell angespannten Lage nehme dabei die Kurzarbeit den Druck. Die Forscher haben ausgerechnet, dass die Kurzarbeit bisher zwei Millionen Jobs gesichert hat. „Ohne die Kurzarbeit wären sehr viele Jobs einfach weggefallen“, so Michelsen.

So kann die Politik noch helfen

Das Ziel müsse nun eine möglichst schnelle Kontrolle der Infektionswelle in Deutschland und Europa sein, erklärte Fratzscher. Die Politik habe eigentlich eine Menge richtig gemacht, zum Beispiel in dem sie die Regelungen zum Kurzarbeitergeld bis Ende 2021 verlängert hat. Es gehe nun darum, ein klares Signal zu setzen, denn in einer Krise sei Vertrauen das wichtigste.

Die Wirtschaftshilfen müssten nun fortgesetzt werden und die Politik müsse sich den Spielraum nehmen, immer schnell und ausreichend agil reagieren zu können. Fratzscher schloss nicht aus, dass auch beim Konjunkturpaket noch einmal nachgelegt werden muss. Jetzt sei außerdem die Zeit, Investitionen anzuschieben, ergänzte Michelsen.

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