Der Unternehmensstandort von Vaude von außen

Nachhaltigkeit ist für Vaude ein wichtiges Thema - auch bei der Gestaltung des Unternehmensstandorts. - (Bild: Vaude)

Nicht nur bei den Kaufentscheidungen, auch bei Unternehmen wird Nachhaltigkeit immer wichtiger. Das zeigt auch eine Umfrage der Bürovermittlungsagentur Instant Offices. Die besagt, dass 54 Prozent der Arbeitnehmer in Deutschland Nachhaltigkeit als ein „Must have“ für Firmen ansehen. Und 32 Prozent der Befragten gaben an, dass sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit einen Job in einem Unternehmen annehmen, wenn es keine nachhaltigen Geschäftspraktiken gibt.

Ein Familienunternehmen, das schon seit Jahren auf Nachhaltigkeit setzt ist der Outdoor-Ausrüster Vaude. Dessen Geschäftsführerin Antje von Dewitz hat nun mit „Mut steht uns Gut! Nachhaltig, menschlich fair – mit Haltung zum Erfolg“ ein Buch über ihren Weg als Unternehmerin, aber auch das Erfolgsmodell von Vaude geschrieben. Diese Erfahrungen zu lesen lohnt sich nicht nur für Outdoorbegeisterte, sondern für alle, die sich für neue und alternative Wege und Möglichkeiten im Arbeitsleben interessieren.

Vom Unternehmerkind zur Geschäftsführerin

Buchcover von "Mut steh uns gut" mit Antje von Dewitz auf dem Cover
Über ihre Erfahrungen als Geschäftsführerin bei Vaude hat Antje von Dewitz ein Buch geschrieben. - (Bild: Benevento Publishing)

Von Dewitz beginnt ihre Geschichte dort, wo alles begann: in ihrer Kindheit. Ihr Vater hat Vaude gegründet und als Unternehmerkind war sie in der Schule vielen Vorurteilen ausgesetzt. In dieser Zeit lernt sie aber durch die unterschiedlichen Denkweisen der Eltern, dass es nicht nur einen Weg gibt. Ihre Mutter habe schon immer eine kritische Distanz zum Wirtschaftssystem gehabt, schreibt sie. Sie sei immer kritisch gewesen, beim Erfolg eines Unternehmens nur auf das Wachstum zu schauen.

In der Folge erklärt die CEO, wie sie nach und nach als Nachfolgerin in das Unternehmen eingestiegen ist und auf welche Probleme sie gestoßen ist. Ein Beispiel: Als sie schwanger wurde, stellte sich für von Dewitz die Frage: Wie bringe ich Karriere und Kind unter einen Hut?  „(…) ich fühlte mich plötzlich wie in einer anderen Welt. In einer Welt, in der Kind und Karriere so überhaupt nicht zueinander passen“, schreibt sie. Sie stellte fest, dass es in der Region nur Vormittagsbetreuung für Kinder gab – und das auch erst ab drei Jahren. 

Wie ging sie damit um? „Diese Entscheidung fiel mir sehr schwer“, gibt von Dewitz unumwunden zu. Sie habe ein schlechtes Gewissen gehabt: gegenüber ihrem Vater und den Mitarbeitern, die sich auf sie verlassen hatten, aber auch gegenüber ihren Werten und Überzeugungen.

Ihre Gefühlslage beschreibt sie so: „Ich hatte mich bis dahin doch als Vorkämpferin für die Gleichberechtigung empfunden und in der Vergangenheit schon viele Wortgefechte mit älteren Herren ausgefochten, die mir weismachen wollten, dass Frauen am Herd und bei den Kindern gut aufgehoben waren. Ich wollte doch etwas bewegen in dieser Welt! Und nun fand ich mich in einem traditionellen Rollendenken wieder. Beherrscht von der Sorge davor, meinem Kind nicht gerecht zu werden, sah ich keine andere Möglichkeit, mich erst einmal aus dem Arbeitsleben zurückzuziehen.“

Weil es keine geeignete Kinderbetreuung gab, suchte sie selbst eine Lösung

Doch diese Entscheidung sollte nicht von langer Dauer sein. Denn als ihre Nachfolgerin noch in der Probezeit kündigt, kehrt von Dewitz nach und nach in die Firma zurück und stellt fest, dass sie gar nicht komplett zu Hause bleiben möchte. Aufgrund der mangelnden Betreuungsangebote nimmt sie ihre Tochter mit ins Großraumbüro und beschließt, selbst etwas an der Situation zu ändern: Zusammen mit ihren Mitarbeitern plant sie ein Kinderhaus. Auch, damit Mütter mehr als ein paar Stunden in der Woche arbeiten können.

Von Dewitz gibt aber auch ehrlich zu, wie sehr ihr die Doppel- und Dreifachbelastungen zu schaffen machen. Ihre Dissertation bricht sie deshalb ab, um mehr Zeit für ihre Familie zu haben. Deshalb gab sie als Devise auch immer an, möglichst keine späten Termine zu haben, um früh Feierabend machen zu können.

Das Thema flexible Arbeitszeiten und neue Arbeitszeitmodelle spricht sie immer wieder an. Und sie erklärt, welchen – eher ungewöhnlichen Weg – Vaude gewählt hat: So arbeiten knapp die Hälfte der Mitarbeiter in verschiedenen Teilzeitmodellen – dazu zählen auch 15 Prozent der Führungskräfte. „In Zahlen ausgedrückt bedeutet das, dass wir, wenn alle 500 Mitarbeitenden in Vollzeit arbeiten würden, 150 Stellen weniger hätten“, schreibt von Dewitz. Der Mittelständler lege sehr viel Wert darauf, dass jeder sich in seinem persönlichen Lebensentwurf wiederfinden kann.

Sind Flexibilität und Aufwand für eine Firma zumutbar?

Dazu zählt für die Geschäftsführerin auch ganz selbstverständlich das Arbeiten von zu Hause aus. Bereits vor der Coronakrise waren 140 Vaude-Beschäftigte regelmäßig im Homeoffice, Konferenzräume wurden mit Videooptionen ausgestattet.

Sie werde oft gefragt, ob so viel Flexibilität und Aufwand für ein Unternehmen überhaupt zumutbar ist, so die CEO. „Und natürlich ist es definitiv eine große Herausforderung. Doch zum einen ist regelrecht spürbar, dass sich hier Menschen im Gegenzug mit Leidenschaft, Loyalität und Energie für das Unternehmen und die gemeinsamen Ziele einsetzen.“ Sie sieht noch einen weiteren Vorteil: Durch die Flexibilität könne der Mittelständler hohe interne Weiterentwicklungsmöglichkeiten bieten.

Doch zurück zum Hauptmerkmal von Vaude: Der Nachhaltigkeit. Auch bei diesem Thema beschreibt von Dewitz, wie sie von ihren Eltern und Lehrern für das Thema sensibilisiert wurde und wie sie Nachhaltigkeit im Unternehmen immer weiter ausgebaut hat. Angefangen von der eigenen Firmenzentrale bis zu den verkauften Produkten. Auch hier gibt sie unumwunden zu, wie herausfordernd diese Entscheidungen waren und dass diese nicht immer von allen Mitarbeitern und auch Geldgebern sofort auf Gegenliebe stießen.

6 Tipps: was kleineren Betrieben bei der Azubi-Suche hilft

Jugendliche können mit unterschiedlichen Dingen für eine Ausbildung im Handwerk begeistert werden. 6 Tipps

Sie wollen ihr Unternehmen für Lehrlinge attraktiver machen? Dann schauen Sie doch einmal bei unserer Schwester-Publikation 'Kollege Roboter' vorbei!

 

Lesen Sie hier 6 Tipps, wie Sie Azubis für ihren Betrieb begeistern und was zum Beispiel Nachhilfeprogramme, Goodies oder ein Roboter dazu beitragen.

Das Thema Nachhaltigkeit stößt nicht überall auf Begeisterung

Doch sie erklärt auch, wie sie durch viele Gespräche die Bedenken nach und nach abbauen konnte. Auch, wenn es immer wieder Rückschläge gab. So waren einige nachhaltigere Sportklamotten zwar im Labortest eine echte Alternative, fielen aber reihenweise im Praxistest durch. Auch einen Shitstorm, den das Unternehmen aufgrund einer Greenpeace-Kampagne, bekommen hat, thematisiert sie und erklärt, wie die Firma damit umgegangen ist und warum sie danach sogar mit den Umweltaktivisten zusammengearbeitet haben.

Ein weiteres Thema, das von Dewitz am Herzen liegt: Mehr Möglichkeiten für Frauen. Damit sich auch Frauen zutrauen, neben ihrer Familie eine Führungsposition im Unternehmen einzunehmen, änderte sie kurzerhand die Vorgaben: Man habe entschieden, „dass wir unsere Führungskräfte nicht daran messen wollen, wie viele Stunden sie im Unternehmen ‚absitzen‘. Das heißt, wir haben uns bewusst gemacht, dass bei uns eine Führungskraft nicht automatisch sechzig Stunden die Woche arbeiten muss, um erfolgreich zu sein.“ Leistung solle nicht nach Anwesenheit, sondern nach Ergebnissen gemessen werden.

Fazit: Seltene Einblicke in Entscheidungsprozesse

In „Mut steht uns gut!“ gibt von Dewitz einen seltenen Einblick in die Entscheidungsprozesse eines Unternehmens. Sie erklärt Erfolge, berichtet aber auch offen von Nichterfolgen. Zum Beispiel, als sie zu Beginn ihrer Karriere einmal eine viel zu hohe Stückzahl bestellt hat. Neben Nachhaltigkeit und diversen Teams erklärt sie auch, wie wichtig Vertrauen und Mitarbeiterzufriedenheit für sie sind. Dabei ist sie bei manchen Themen offener, bei anderen eher zurückhaltender.

Einziges Manko: Im Buch springt von Dewitz oft von Thema zu Thema und kommt dann wieder auf ein vorheriges zurück, ein roter Faden ist schwer erkennbar. Dennoch sind die Erfahrungsberichte der Geschäftsführerin ein interessanter Einblick in ein Unternehmen, das versucht, so nachhaltig wie möglich zu handeln.

Eine weitere Buchkritik - diesmal zum Thema Künstliche Intelligenz - gibt es hier.

Sie möchten gerne weiterlesen?