„Roboter ‚Franzi‘ rappt und wischt im Krankenhaus“, „‘Wasserwilli‘: Fränkischer Tüftler entwickelt Gießroboter für den Friedhof“ und „In England bringen jetzt Roboter das Essen nach Hause“ - keine Frage, Roboter werden im öffentlichen Leben immer sichtbarer, aber auch in der Industrie finden sie immer mehr Anwendung. Bis auf eine Ausnahme: Der Mittelstand habe weiter Probleme, Roboter zu nutzen, sagen Helmut Schmid und Olaf Gehrels. Die beiden arbeiten seit Jahren in der Robotikbranche und haben nun mit weiteren Gründungsmitgliedern den „Deutschen Robotik Verband“ (DRV) gegründet.
Während bei großen Konzernen roboterbasierte Anwendungen längst zum Alltag gehören, sieht das bei kleineren Firmen noch ganz anders aus, berichten die beiden. Sie verstehen den Verband deshalb als Interessengemeinschaft und Plattform, auf der sich auch Marktteilnehmer treffen und austauschen können, die sich zum ersten Mal mit Robotik beschäftigen. Man wolle auch Mut machen, so Gehrels. Die beiden Gründer haben sich dabei gefragt, wie sie die Robotik in den breiten Mittelstand bekommen und sich dabei auf Augenhöhe begegnen können, sagt Schmid.
Denn trotz aller Innovationen und Fortschritte, kämpfe gerade diese Zielgruppe mit Herausforderungen. „Kleinen und mittleren Unternehmen wird es noch zu schwergemacht, Zugang zur Robotik zu bekommen“, meint Gehrels. Für Schmid hat eines der Haupthindernisse mit Aufklärung zu tun. Zwar wisse jeder, was ein Roboter ist. Er werde aber oft mit den Themen „hochkomplex“ sowie „schwierig und teuer“ in Verbindung gebracht, berichtet er. Dabei gebe es inzwischen durch Software Plug-Ins Möglichkeiten, die nur einen Bruchteil kosten. „Die Unternehmen brauchen keinen Mitarbeiter mehr, der auf Robotik spezialisiert ist“, meint er.
DRV will mit Hochschulen zusammenarbeiten
Ein weiteres Anliegen der beiden Verbandsgründer: interessierte Unternehmen mit den richtigen Partnern verbinden, damit eine Anwendung umgesetzt werden kann. Denn Einsteiger müssten sich zunächst einmal informieren, wer welche Angebote hat, so Gehrels. Der Verband will zudem Hochschulen und Kunden zusammenbringen und so gemeinsam Machbarkeitsstudien erstellen und das Know-how der Hochschulen nutzen.
Dass die Gründung mitten in die Corona-Pandemie fällt, ist Zufall. Dennoch habe die mediale Aufmerksamkeit rund um Robotik in der Krise der Thematik geholfen, erklärt Gehrels im Gespräch mit PRODUKTION. Corona befeuere aber natürlich die Entwicklung, ergänzt Schmid. Denn: „Ein Roboter muss nicht ins Homeoffice. Er wird nicht krank.“
Aber warum braucht es überhaupt einen neuen Verband? Schließlich gibt es innerhalb des VDMA doch schon den Fachverband Robotik + Automation. „Wir sehen den VDMA nicht als Wettbewerber“, stellt Schmid klar. Der neue Verband sei sowohl eine Ergänzung, als auch eine klare Abgrenzung. Ergänzung, weil beide versuchen würden, die Thematik der Sicherheit im Robotikbereich weiter voranzutreiben.
Eine klare Abgrenzung gebe es dagegen bei der Zielgruppe, so Schmid. Im VDMA-Fachverband seien eher die Großkonzerne zu Hause. Der neue Robotik Verband wolle sich dagegen auf Augenhöge mit dem kleinen Mittelstand bewegen.
Das sagt der VDMA zum neuen Verband
„Jeder kann in Deutschland einen Verein gründen und um Mitglieder werben. Ob Substanz hinter dieser Gründung steckt, wird sich zeigen“, erklärt der VDMA-Fachverband auf Nachfrage von PRODUKTION zum neuen Verband.
Er sieht ebenfalls keine Konkurrenz: Der VDMA sei mit seinen 3.300 Mitgliedsfirmen gerade für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen bekannt sowie für seine stark vertretenen Mittelstandspositionen. Darüber hinaus seien seine Angebote auch auf die Anwender von Robotik zugeschnitten. Der VDMA-Fachverband kooperiert nach eigener Aussage sehr eng mit dem europäischen Robotikverband EUnited Robotics und dem Weltverband International Federation of Robotics (IFR). Eine engere Zusammenarbeit mit dem DRV sei nicht in Planung.
Zu Unterschieden zwischen den beiden Verbänden erklärt der Fachverband: „Das Selbstverständnis des VDMA ist seine Neutralität. Wichtig für uns ist eine transparente Vermeidung jeglicher individueller Geschäftsinteressen. Daraus speist sich das Vertrauen, welches eine professionelle vorwettbewerbliche Zusammenarbeit ermöglicht – und zwar unter Einhaltung aller Compliance- und Wettbewerbsregeln. Wichtig ist für uns zudem der Grundsatz, dass beim VDMA nur Unternehmen Mitglied werden können. Damit sprechen wir gut abgesichert für die Robotik-Industrie.“
Weitere Unterschiede deuten sich laut VDMA auch in den Positionen zur Robotik-Sicherheitsnormung an. „Ein Video-Statement aus den Reihen des DRV hat hier bereits zu Irritationen bei den Experten in unserem Robotik-Normungsgremium geführt“, erklärt der Fachverband. VDMA Robotik und die Robotik-Industrie würden auf weltweit gültige Sicherheitsnormen setzen. Der Robotersicherheit müsse immer die höchste Priorität eingeräumt werden.
Diese Ziele hat der neue Verband
Als Ziele für 2021 und darüber hinaus hat sich der DRV unter anderem gesetzt, seine unterschiedlichen Fachbereiche mit Leben zu füllen und das Netzwerk zum Laufen gebracht zu haben, erklärt Schmid. „Wir wollen uns so aufstellen, dass wir die bestmöglichen Dienstleistungen erbringen können“, ergänzt Gehrels. Deshalb lege man großen Wert auf offene Kommunikation, um im DRV dann entsprechend Lösungen finden zu können. Wenn die Automatica 2020 dann wieder live stattfinden kann, will der Verband 1.000 Mitglieder gewonnen und begeistert haben.
Als langfristiges Ziel möchte der DRV laut Gehrels ein Robotik-Cluster – wie es bereits eines im dänischen Odense gibt – auch in Deutschland aufbauen.