Der Grundstein für ABBs neue Roboterfabrik in Shanghai, China, ist gelegt. In Betrieb gehen soll die hochmoderne Produktions- und Forschungsstätte für Robotik dann Anfang 2021. Dazu investiert der Schweizer Konzern 150 Millionen US-Dollar in das neue Werk. ABB produziert auch heute schon Roboter in Shanghai. Die neue Fabrik soll das bisherige Werk ersetzen.
Welche Rolle China auf dem weltweiten Robotik-Markt spielt
China ist der größte Absatzmarkt für Roboter weltweit. Jeder dritte Roboter wird dort verkauft. Chinas Wirtschaft leidet jedoch unter dem Handelskrieg mit den USA und schwächelt daher. Stark betroffen ist zum Beispiel die chinesische Elektro- und Elektronikindustrie, die laut International Federation of Robotics (IFR) mit einem Nachfragerückgang nach elektronischen Geräten und Komponenten zu kämpfen hat.
Dies wirkt sich auch auf die Roboter-Nachfrage und somit den Roboter-Absatz in China aus. So bleibt China der neuesten IFR-Statistik nach mit einem Anteil von 36 % der weltweiten Gesamtinstallationen auch im Jahr 2018 größter Industrieroboter-Markt. Das entspricht jedoch einem Rückgang um 1 % gegenüber dem Vorjahr 2017.
Anders ausgedrückt wurden laut IFR in China im Jahr 2018 ganze 154.000 Einheiten Roboter installiert. Der Wert dieser Installationen erreichte dem Roboter-Weltverband nach 5,4 Milliarden US-Dollar, und somit 21 % mehr als 2017. Diese Statistik deutet darauf hin, dass in chinesischen Fabriken grundsätzlich weniger, dafür aber teurere Roboter neu installiert werden.
Die schwierige wirtschaftliche Lage in China zieht aber auch am chinesischen Roboterabsatz nicht spurlos vorüber. So sieht die Situation im ersten Halbjahr 2019 deutlich schlechter aus. So verzeichnete das ‚National Bureau of Statistics‘ in China im ersten Halbjahr 2019 beim Absatz von Industrierobotern in China einen Rückgang um 10% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
ABB schätzt seine Großinvestition in die neue Roboter-Fabrik in Shanghai dennoch als richtig ein. „Wir glauben an den Robotermarkt in China und unsere Position dort als Marktführer“, heißt es aus der Konzern-Pressestelle. ABB verkauft seine Roboter neben der Automobilbranche auch in Märkte wie Food & Beverage, Elektronik und neuerdings Healthcare. Und gerade im Gesundheitssektor sieht das Unternehmen in China großes Potenzial für roboterbasierte Automatisierung.
Mit wem ABB um den Roboter-Absatz in China kämpft
ABB bezeichnet sich selbst als Marktführer für Industrieroboter in China. Die Aussage des Konzerns beruht auf der Anzahl verkaufter Roboter. Fragt man bei Wettbewerber Kuka nach, ist diese Aussage richtig. „Aktuell sieht sich Kuka nicht als Marktführer in China“, heißt es aus der Pressestelle in Augsburg. Man arbeite aber daran, die Position von Kuka in China zu stärken.
Mit dem chinesischen Haushaltsgerätehersteller Midea – der Kuka im Jahr 2016 übernommen hat – betreibt Kuka daher in China auch Joint Ventures. Diese Zusammenarbeit findet in den Bereichen Logistik, Healthcare und Robotik statt und soll Kuka zur Nummer 1 für Robotik in China machen.
An welcher Stelle sich der japanische Roboterhersteller Fanuc am chinesischen Markt platziert, stand zum Redaktionsschluss nicht fest.
Doch ABB kämpft nicht nur mit den großen Herstellern um den Roboter-Absatz in China. Auch chinesische Roboterhersteller holen auf und erhöhen ihre Absatzzahlen im eigenen Land. So steigerten chinesische Roboteranbieter laut der aktuellen IFR-Statistik ihren Marktanteil im Inland um 5 Prozentpunkte (2018: 27 % versus 2017: 22 %).
Dieses Ergebnis steht der IFR-Statistik nach im Einklang mit der chinesischen Politik, einheimische Hersteller zu fördern. Die Installationen ausländischer Roboterlieferanten - einschließlich der in China von nicht-chinesischen Lieferanten produzierten Einheiten - sanken dagegen um 7 % auf rund 113.000 Einheiten (2017: rund 122.000 Einheiten). Diesen Rückgang führt die IFR auch auf eine Abschwächung der Automobilindustrie zurück.
Ob Kuka mittlerweile als chinesischer oder nach wie vor als deutscher Roboterhersteller gilt, ist der IFR-Statistik nicht zu entnehmen.
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Wie ABB die Nummer 1 am chinesischen Robotik-Markt bleiben will
Die Förderung chinesischer Roboterhersteller durch den chinesischen Staat wird die Konkurrenz für ABB am chinesischen Markt in den kommenden Jahren erhöhen. Chinesische Hersteller wie Siasun präsentieren ihre Roboter auch heute schon auf großen Ständen auf wichtigen Messen in Deutschland und weltweit.
Zudem sprießen neue chinesische Roboterhersteller auf nahezu jeder Messe schon fast wie Pilze aus dem Boden. Im Bereich Schweißroboter könnte ABB demnächst ebenfalls chinesische Konkurrenz erhalten. Denn das chinesische Automatisierungsunternehmen Estun hat jüngst den deutschen Schweiß-Spezialisten Cloos gekauft, der auch Schweißroboter im Portfolio hat.
ABB kann sich also keinesfalls auf seiner Marktführerschaft in China ausruhen. Stattdessen verstärkt das Unternehmen seine Aktivitäten am chinesischen Markt auch mit Hilfe der neuen Roboter-Fabrik und dem zugehörigen Forschungszentrum in Shanghai. 90 Prozent aller dort produzierten Roboter sind laut einem Konzernsprecher für den chinesischen Markt vorgesehen.
In dem neuen Werk platziert ABB aber auch Forschung rund um das Thema Künstliche Intelligenz. Das sei aber keine spezielle Strategie für China, heißt es aus der Konzern-Pressestelle. Das Thema künstliche Intelligenz werde von ABB auch an den anderen Roboter-Produktionsstandorten in Schweden und in den USA verfolgt.
Peter Voser, Verwaltungsratspräsident und CEO von ABB erläutert die Strategie hinter der neuen Fabrik: „Die Errichtung der neuen Roboterfabrik ist ein Meilenstein in der Entwicklung von ABB in China und festigt unsere Führungsstellung auf dem größten Robotikmarkt der Welt. Seit der Ankündigung des Projekts im Oktober letzten Jahres hat uns die lokale Regierung tatkräftig unterstützt. Das Vorhaben wurde 2019 in die Top-10-Projekte der ‚Manufacturing in Shanghai‘-Initiative aufgenommen – eine große Ehre für ABB.“
Automatisierungsquote: Wo arbeiten die meisten Roboter?
Global betrachtet arbeiten im Schnitt 74 Roboter pro 10.000 Mitarbeiter in der Fertigungsindustrie. Das gab die International Federation of Robotics (IFR) in der jüngsten Statistik bekannt. Klicken Sie sich durch und sehen Sie, wie die Roboterdichte laut IFR weltweit verteilt ist.
Was die neue Roboter-Fabrik technologisch zu bieten hat
ABB hat angekündigt, in der neue Fabrik in Shanghai modernste Automatisierungs- und digitale Fertigungslösungen zu nutzen. Die Produktion dort soll flexibel mit sogenannten Produktionsinseln aufgebaut sein, die über mobile Roboter angefahren und beliefert werden.
Die Einführung solcher fahrerlosen Transportsystemen (FTS) hält man bei ABB für eine sehr vielversprechende Entwicklung. ABB selbst produziert aktuell noch keine mobilen Plattformen für Roboter. Einige Integratoren setzten aber bereits ABB-Roboter - wie etwa Yumi - in fahrerlosen Transportsystemen (FTS) ein, heißt es aus der Pressestelle.
In Zukunft werden FTS und Roboter, Bildverarbeitungssysteme und der mit den Automatisierungssystemen interagierende Mensch nahtlos in der Roboter-Fabrik zusammenarbeiten. Auch selbstlernende Maschinen sind Bestandteil der neuen Produktionsstätte. Im Endeffekt bauen Roboter in der neuen Fabrik Roboter.
Dieses Konzept ist aber keinesfalls neu. Wettbewerber Fanuc produzierte bereits in den 90er Jahren das Roboter-Modell LR Mate mit Hilfe anderer Fanuc-Roboter, die mit Hilfe einer Verfahrachse auch schon ein wenig mobil waren. Auch Kuka nutzt in der Roboterproduktion in Augsburg Roboter, um Roboter zu bauen.
Welche Roboter ABB in Zukunft in China anbieten möchte
ABB berichtet, dass sich das Robotik-Portfolio des Konzerns in den kommenden Jahren in der Breite als auch in der Tiefe nahezu verdoppeln wird. Was genau bedeutet diese Aussage? Zum einen brauche man eine Fabrik, die eine größere Vielfalt an Robotern produzieren und die Mengen effizient skalieren kann, um sich an sich ändernde Marktbedingungen und technologische Trends sowie neue Geschäftsfelder anzupassen, heißt es aus der Pressestelle.
Genau diese Vielfalt soll die neue Fabrik in Shanghai bieten. ABB setzt bei seinem Roboter-Portfolio außerdem auf konfigurierbare, gemeinsame Schnittstellen und Bausteine, die sich zu beinahe unendlich vielen individuellen Lösungen kombinieren lassen. So könne man Kunden innovative, maßgeschneiderte Lösungen bieten.
Bereits heute umfasst das ABB-Portfolio 32 Roboterfamilien und über 75 Varianten. Auf Basis des modularen Ansatzes wird ABB nun sein Angebot laut eigenen Angaben kontinuierlich verbessern und um weitere Robotertypen und -varianten ergänzen.
Durch gemeinsame Produktfamilien reduzieren wir zudem komplizierte Wartungsvorgänge und machen den Service für unsere Kunden damit einfacher und schneller, berichtet ein Unternehmenssprecher. Erste Bausteine des modularen Ansatzes sind die Omnicore Controller-Serie, der neu invertierte Scara (Selective Compliance Assembly Robot Arm) sowie ein einarmiger Yumi, heißt es aus dem Konzern.