Olaf Gehrels von Midea und Till Reuter von Kuka sprechen mit Susanne Noerdinger von der Produktion

Im Gespräch mit Midea-Robotics-Chef Olaf Gehrels (Mitte) und Kuka-CEO Dr. Till Reuter (rechts) erfuhr 'Produktion'-Redakteurin Susanne Nördinger zum Beispiel, dass es derzeit rund 200 chinesische Roboterhersteller gibt. Kuka hat dennoch das Ziel, in China kräftig zu wachsen. - (Bild: Kuka)

China: Der weltgrößte Robotermarkt

Ohne Frage – China ist der mit Abstand größte Robotermarkt der Welt. Und zugleich der am schnellsten wachsende Markt. Dies teilte die International Federation of Robotics (IFR) in ihrer jüngsten China-Prognose mit. Für Olaf Gehrels, General Manager der chinesischen ‚Midea Robotics Company‘, herrscht im Land Goldgräberstimmung: „Das boomt, ist unglaublich dynamisch und die Nachfrage nach Robotern ist enorm. Und das über alle Bereiche hinweg.“

Dabei liegt der Fokus der beiden seit 2016 verbundenen Unternehmen nicht nur auf industriell genutzten Robotern. Die Chinesen sind laut Gehrels auch sehr offen in Bezug auf ‚Consumer Robotics‘, sprich Roboter, die zum Beispiel ältere Menschen unterstützen oder im Haushalt helfen.

China kämpft aber auch mit Herausforderungen. „Arbeit ist nicht mehr günstig in China, arbeitsintensive Fabriken wandern nach Südkorea oder in andere Länder ab und die demografische Entwicklung verläuft noch drastischer als in Deutschland“, berichtet Dr. Till Reuter, CEO von Kuka, das seit rund einem Jahr zur chinesischen Midea-Gruppe gehört. Deshalb werde die Automatisierung in China besonders vorangetrieben.

Themen wie IoT, künstliche Intelligenz und Robotik dominieren die Konferenzen und Messen im Land. „Und das Gute ist, dass viele chinesische Firmen das Thema intelligente Robotik mit Kuka verbinden“, sagt Reuter.

Die chinesischen Roboterfirmen bauen ihre Anteile am Heimatmarkt kontinuierlich aus. 200 chinesische Roboterhersteller zählt Gehrels aktuell. „Davon wird sich nur ein Teil durchsetzen, aber dann stehen da in ein paar Jahren vielleicht dreißig sehr potente Hersteller am Start“, sagt Gehrels.

Chinesische Hersteller werden Heimmarkt dominieren

Die IFR prognostiziert, dass chinesische Hersteller ihren Marktanteil in China von derzeit 20 Prozent bis 2020 auf 50 Prozent erhöhen. „Für uns ist es daher ganz wichtig, dass wir zusammen mit Kuka am chinesischen Markt Präsenz zeigen und so chinesischen Mitbewerbern Paroli bieten“, erklärt Gehrels.

„Unsere gemeinsame Vision ist es, in der Robotik die Nummer 1 zu werden.“ - Kuka-CEO Till Reuter

Gemeinsame Vision

Der chinesische Klima- und Hausgerätehersteller Midea hält derzeit 95 Prozent an der Kuka AG mit Hauptsitz in Augsburg. Kuka wird von Midea unabhängig vom restlichen Midea-Geschäft geführt. „Unsere gemeinsame Vision ist es, in der Robotik die Nummer 1 zu werden“, sagt Kuka-CEO Reuter. Midea hat dabei nicht vor, eigene Roboter zu bauen. „Kuka bleibt die Robotik-Marke“, so Reuter.

Und dank der Zugehörigkeit zur Midea-Familie soll es gelingen, Kukas Geschäft in China in den nächsten drei bis fünf Jahren von 500 Millionen Euro Umsatz auf über 1 Milliarde Euro Umsatz pro Jahr zu steigern. „Das ist erst mal unser Fokus und dabei hilft Midea Robotics als Brückenbauer“, erläutert Reuter.

Erst die Midea-Werke automatisieren

Aus Sicht von Midea-Robotics-Chef Gehrels ist die Kooperation von Kuka und Midea das Beste, was beiden Firmen passieren konnte. „In China können wir durch die Zusammenarbeit dieser sehr unterschiedlichen Firmen – auf der einen Seite die stark kostengetriebene Konsumgüterwelt von Midea und auf der anderen Seite die stark innovationsgetriebene Investitionsgüterwelt von Kuka – sehr viele PS auf die Straße bringen“, sagt der Robotik-Experte.

Hauptanliegen sei im ersten Schritt, sich auf die Automatisierung in den eigenen Werken von Midea zu konzentrieren. 5.000 Kuka-Roboter will Gehrels in den kommenden fünf Jahren in Midea-Werken installieren. „Midea hat 32 Werke, stellt 370 Millionen Produkte pro Jahr her und ist Weltmarktführer im Konsumgüterbereich, aber die Roboterdichte in den Werken ist heute noch unbefriedigend“, erläutert Gehrels.

Olaf Gehrels ist Manager der Midea Robotics Company in Shunde, China.
Olaf Gehrels
ist seit Herbst 2017 General Manager der Midea Robotics Company in Shunde, China. Zum Midea-Konzern gehört seit 2016 auch die Kuka AG. Gehrels stieg nach dem Maschinenbau-Studium als Entwicklungsingenieur bei Fanuc in Japan ein. Zuletzt war er Europa-Chef von Fanuc. - (Bild: Kuka)

Midea zählt laut dem US-amerikanischen Wirtschaftsmagazin Fortune zu den 500 umsatzstärksten Unternehmen weltweit. „In China verfügt das Unternehmen über nahezu alle C-Level-Kontakte“, berichtet Reuter. Mithilfe dieser Mutter könne Kuka „more pushy“ als bisher den chinesischen Markt erobern und noch mehr Kunden in China gewinnen.

Für Gehrels ist es wichtig, in China wesentlich aggressiver zu agieren als bisher, um zum Beispiel schneller auf Trends reagieren zu können. „Diese Geschwindigkeit auch in Bezug auf time-to-market können wir zusammen mit Kuka erzielen“, ist sich der Midea-Robotics-Chef sicher.

Ein schönes Beispiel für neue Synergien am chinesischen Markt ist der Kuka-Unternehmensbereich Swisslog, der automatisierte Lagerlogistik anbietet. „Midea und Kuka arbeiten hier zusammen, um Swisslog-Technologie am chinesischen Markt etwa im Bereich Krankenhausautomatisierung zu pushen“, berichtet Gehrels. In China werden auch ambulante Patienten nur über Krankenhausapotheken mit Medikamenten beliefert, weshalb der Automatisierungsbedarf hier sehr hoch ist.

Midea kooperiert bereits mit Guangzhou Pharma, einem der größten Distributoren von Medizin und Medizintechnik. „So können wir Swisslog-Technologie besser in den chinesischen Markt bringen, ohne Midea hätten wir diesen Zugang nicht“, ergänzt Kuka-CEO Reuter.

Entwicklung

Nach wie vor will Kuka die Nummer 1 im Automotive-Markt bleiben. „Das sind wichtige Kunden, mit denen wir wertvolle Beziehungen pflegen. In der Robotik und Automatisierung haben aber andere Bereiche wie 3C die höheren Wachstumsraten“, erklärt Reuter. Unter 3C versteht man die Bereiche Computer, Communication und Consumer Electronic.

Und deshalb sei es wichtig, dass Olaf Gehrels und Midea Robotics in diesen besonders in China boomenden Märkten die Brücken bauen.„Gemeinsam wollen wir in China alle Marktsegmente bedienen“, unterstreicht Gehrels. In Ergänzung zum Automobilgeschäft richte man den speziellen Fokus auf die allgemeine Industrie und dort speziell die Konsumgüterindustrie.

Aktuell ist Kuka im hochinnovativen Segment etabliert. Wie Reuter mitteilt, werde man in Zukunft auch marktgerechte Produkte für China entwickeln. „Kuka ist jedoch eine innovative Marke und bleibt das“, sagt Reuter. Vielmehr setzt Reuter weiterhin auf das Thema IoT. Für ihn bedeutet das, bestehende Hardware über die Analyse von Daten besser nutzen zu können, sodass man insgesamt effizienter werde.

Bei Midea gibt es zudem einige Hundert Ingenieure, die sich ausschließlich mit Sensortechnik und künstlicher Intelligenz beschäftigen. „Der chinesische Anwender ist sehr pragmatisch und möchte einen Roboter möglichst schnell in den Shopfloor bringen“, berichtet Gehrels.

Video: Midea Robot Factory

Man arbeite daher an Konzepten, wie sich Roboter mithilfe von Sprachunterstützung, Bildverarbeitung oder anderen Tools aus der Konsumgüterbranche noch schneller in Betrieb nehmen lassen.

Midea und Kuka haben gemeinsam auch sehr spannende Dinge für den Bereich ‚Consumer Robotics‘ im Köcher. „Ich bin sehr elektrisiert und begeistert, auch über den bisherigen Horizont hinauszuschauen“, erzählt Midea-Robotics-Chef Gehrels: „Unser Ziel ist es, zusammen mit Kuka Consumer Roboter anzubieten.“

Dabei geht es nicht um Produkte, die beispielsweise das Staubsaugen oder Rasenmähen automatisieren. „Von Kuka erwartet man eher etwas Universelleres“, sagt Reuter. Einen Roboter, der mehrere Funktionen hat. Und genau daran arbeite man.

Kontakt zur Politik halten

Kuka ist eine deutsche Firma und das ist für CEO Reuter auch ein wichtiges Bekenntnis: „Ich fand es eine tolle Anerkennung für das Kuka-Team, dass Angela Merkel auch 2017 – nach der Übernahme durch Midea – auf der Hannover Messe zu unserem Stand gekommen ist.“ Man pflegt bei Kuka weiterhin intensiven Kontakt zur Stadt Augsburg und anderen Politikern, wie zum Beispiel zur bayerischen Wirtschaftsministerin Ilse Aigner oder zu EU-Kommissar Günther Oettinger.

Die Übernahme hat aus Reuters Sicht bewirkt,  was eigentlich niemand erwartet hatte: dass die beiden Unternehmen in China, aber auch in Deutsch­land in der Politik sehr weit oben diskutiert werden. „Wir haben nun die Chance, ein Blueprint und ein Vorbild für die Zusammenarbeit zwischen China und Deutschland zu sein“, sagt Reuter.

Dr. Till Reuter von Kuka spricht mit Produktion-Redakteurin Susanne Noerdinger
Dr. Till Reuter führt seit 2009 als Vorsitzender des Vorstands die Geschäfte der Kuka AG in Augsbrug. Der studierte Betriebswirt und Juris arbeitete als Rechtsanwalt und stieg dann ins Investmentbanking ein, bevor er schließlich zu Kuka wechselte. - (Bild: Kuka)

„Die Regierungen im Osten und im Westen beobachten uns nun genau“, weiß Gehrels und fügt hinzu: „Aber wir haben für Kuka und Midea eine gemeinsame Richtung: nach vorne!“ Merkel kommentierte den Rummel um die Übernahme mit dem Hinweis, dass in Deutschland nun jeder Kuka kenne. Wenn es nach Reuter und Gehrels geht, kennt auch in China bald jeder Kuka.

In China gibt es zudem viele staatliche Förderungen für Robotik-Unternehmen. „Über Midea profitieren wir davon“, sagt Reuter. Das nächste chinesische Kuka-Werk wird zudem in Shunde gebaut, wo Midea sitzt. Dort soll auch ein Robotik-Park entstehen.

In China darf auch mal was scheitern

„In China ist es brutal spannend“, fasst Gehrels zusammen. Wenn man nicht schon da wäre, müsste man hingehen. Die dort herrschende Dynamik sei unbeschreiblich. Und das 24/7. Das Land schlafe gefühlt nicht. „Am meisten fas­ziniert mich die Art und Weise, wie mit Ideen umgegangen wird“, schwärmt der Midea-Robotics-Chef.

So werden Ideen im Unternehmen stets gehört und können dann nach vorne gebracht werden. Und das ist für Gehrels ein ganz wesentlicher Grund für den Erfolg chinesischer Unternehmen. „Es ist die Agilität und auch die Möglichkeit, dass man Leistungsträger in ihren Ideen unterstützt“, sagt Gehrels.

Selbst Midea mit seinen 30 Milliarden Euro Umsatz im Jahr werde wie ein Start-up geführt, um stets neue Ideen voranzutreiben. In China herrscht außerdem das Bewusstsein, dass man als Gruppe stark ist. „Wir haben unheimlich viele kreative Mitarbeiter und Kreativität ist ja auch in der DNA der Kuka-Mitarbeiter verankert“, berichtet der Manager.

Reuter sieht das ähnlich. Die Geschwindigkeit in China führt er darauf zurück, dass die Industrie in der chinesischen Kultur weniger Tradition hat als in Deutschland. „Wenn man bei uns etwas Neues probiert, muss es funktionieren, man darf nichts falsch machen“, erläutert der Kuka-CEO. In China dürfe auch etwas scheitern. Da fange man dann einfach von vorne an.

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