Dr. Thorsten Schmidt ist CEO der Heller Gruppe und berichtet im Interview über die Ausbildung in seinem Unternehmen und in der Werkzeugmaschinenindustrie.

Dr. Thorsten Schmidt ist CEO der Heller Gruppe und berichtet im Interview über die Ausbildung in seinem Unternehmen und in der Werkzeugmaschinenindustrie. (Bild: Heller)

Derzeit haben einige Unternehmen Schwierigkeiten genügend qualifizierte Auszubildende zu finden. Wie sieht das denn bei Heller aus?

Thorsten Schmidt: Bei uns ist es so, dass wir ein sehr stabiles Programm haben, schon über Jahrzehnte. Wir sitzen mit dem Headquarter in Nürtingen und sind sozusagen ein Platzhirsch hier in der Region. Dementsprechend kann ich nicht bestätigen, dass wir Probleme haben, Auszubildende zu finden.

Wir setzen auf sehr langjährige Zusammenarbeit mit unseren Kolleginnen und Kollegen. Der durchschnittliche Mitarbeiter bei uns ist über 20 Jahre im Unternehmen. Häufig sind auch mehrere Generationen vertreten.

Wir haben aktuell über 140 Auszubildende hier an unserem Standort, der mit knapp 1600 Mitarbeitern unser größter Standort ist. Das zeigt, 10 Prozent haben die DNA schon sehr früh aufgenommen, aufgesogen und dementsprechend kann ich jetzt nicht sagen, dass wir Probleme haben.

Wir haben natürlich auch eine top HR-Abteilung, die sich da sehr stark engagiert – über Schulen und Hochschulen, aber dann auch mit Tag der offenen Türen. Dementsprechend sind die Plätze alle belegt gewesen über die letzten Jahre. Das ist sicherlich auch ein Zeichen, dass die Marke Heller eine hohe Wertigkeit hat und es geschätzt wird – auch auf der Belegschaftsseite.

Zwei Mitarbeiter an einer Werkzeugmaschine
(Bild: Mikron)

Geballter Input zum Thema Werkzeugmaschinen

Sicherlich liegt das auch daran, dass die Ausbildung bei Heller eine hohe Qualität hat. Wie integriert ihr denn zum Beispiel moderne und neue Technologien und auch Methoden in eurem Ausbildungsprogramm?

Schmidt: Dadurch, dass wir sowohl vom Industriemechaniker bis zum Industriekaufmann, vom Mechatroniker hin zur Automatisierungstechnik in unserer Ausbildung natürlich die neuesten Trends integrieren.

Ein Highlight kann ich hier durchaus anbringen: Das ist, dass wir bei uns in der Ausbildung auch tatsächlich Werkzeugmaschinen zusammenbauen. Wir versuchen – neumodisch würde man wahrscheinlich sagen End-to-end – den ganzen Prozess einmal abzubilden und geben unseren Auszubildenden die Möglichkeit zu verstehen, wofür man alles eigentlich macht.

Das ist immer so diese Baustelle: Wenn man zu spitz irgendwo reingeht, dann fragt man sich, warum mache ich das? Ich habe damals auch ein Praktikum gemacht an der Drehmaschine und dann wusstest du: Okay, ich muss jetzt fünf Teile herstellen. Dann hast du dir danach gesagt: Mensch, wofür war das denn? Und keiner hats dir erklärt.

Und dieser Ansatz, der ist sicherlich nicht gerade sehr zielführend, um eine Generation, die heutzutage ja viel mehr alternative Möglichkeiten hat, zu begeistern für den Werkzeugmaschinenbau. Der weiterhin tendenziell ein negatives Image hat. Man glaubt da noch weiterhin an Blaumann und an Öl und dreckig und das ganze versuchen wir eben aufzufangen mit dem Thema Digitalisierung, Automation und eben auch der Herstellung einer echten Werkzeugmaschine, die dann auch tatsächlich im Einsatz ist.

Ihr habt dafür dann eure Trainingsmaschine: den Tokn. Was macht ihr damit genau und was ist das Besondere?

Schmidt: Genau. Der Tokn ist eine Fünf-Achs-Fräsmaschine, die sehr kompakt ist, ideal für die Ausbildung. Auch nicht nur für unsere Ausbildung, sondern auch für die Ausbildung bei unseren Kunden.

Das ist etwas, was uns schon auch länger beschäftigt. Man geht häufig gerade auch in Amerika durch die Vocational Schools und Colleges und sieht da eher so einen Maschinenfriedhof, an dem dann die nächste Generation ihre Ausbildung macht. Dann denkt man sich: Mensch, das ist aber irgendwie auch gar nicht so sexy, dass die Leute jetzt an diesen alten Hobeln herangeführt werden an diese Hightech-Branche.

Das macht dann das Image auch nicht besser.

Schmidt: Nein, das macht das Image für die Branche auf gar keinen Fall besser. Aber wir fahren da einen anderen Weg: Bei uns ist da der Tokn – eine Fünf-Achs-Fräsmaschine für sehr kompakte, kleine Bauteile mit der Sinumerik One, inklusive digitaler Zwilling. Damit simuliert man ein Produktionsumfeld auf 10 Quadratmetern, und der Tokn hat maximal drei davon und trotzdem macht man Späne.

Das Ganze ist ein Produkt, das schon vor mehreren Jahren entwickelt wurde. Hat jetzt gerade ein Facelift erhalten, eine wirklich neue Generation. Hat übrigens gerade den German Design Award 2025 in der Kategorie Excellence Product Design of Industry gewonnen. Der Tokn ist also auch damit ausgezeichnet worden, dass er nicht nur funktionsfähig gut läuft, sondern auch noch ziemlich cool aussieht. Was für jüngere Menschen eine Rolle spielt.

Und das ist für uns durchaus ein Gamechanger für unsere eigene Ausbildung. Diese Maschine wird zusammengebaut von unseren Azubis, befindet sich gerade auf Road Tour in der ganzen Welt und wir versuchen damit auch tatsächlich ein bisschen das Image aufzuarbeien, aber auch eine neue Generation zu kitzeln, dann zu sagen: "Hey, das finde ich spannend, damit will ich mich beschäftigen."

Weil häufig finden wir auch auf der Kundenseite die Situation vor, dass Firmen zögern, in Hightech zu investieren, weil sie sagen, uns fehlt das ausgebildete Personal dafür. Unsere Leute können zwar Drei-Achs-Fräsen, aber Fünf-Achs-Simultanfräsen versteht kein Mensch und wir haben jetzt letztendlich das Vehikel, um diese Brücke zu schlagen.

Brückenschlagen ist auch ein Thema in eine andere Richtung. Welche Rolle spielen denn Kooperationen mit Bildungseinrichtung und Universitäten bei euch in der Ausbildungsstrategie?

Schmidt: Ohne die entsprechenden Partnerschaften, sowohl auf industrieller Seite als auch auf der Ausbildungsseite, klappt es natürlich auf gar keinen Fall. Wir haben also zahlreiche Universitäten und Institutionen über den zweiten Bildungsweg, mit denen wir kooperieren. Hier stellen wir auch die Mittel und Möglichkeiten zur Verfügung, dass Personen, die vielleicht nicht so direkt gesagt haben „ich starte jetzt in einer Werkzeugmaschinenbranche“, sondern vielleicht ein bisschen die Spätstarter, die wir auch versuchen damit einzubinden – das ist so ein bisschen mein Fable.

Ich habe damals die Nachwuchsstiftung vom VDW mitgegründet als Beiratsmitglied. Das ist auch was Bemerkenswertes, diese Nachwuchsstiftung, weil da verbinden sich unterschiedliche Teilnehmer, die eigentlich auch im Wettbewerb zueinanderstehen, zu einer Stiftung, um diesen Nachwuchs zu fördern.

In diesem Zusammenhang hängt mein Herz daran zu zeigen, zu dokumentieren und zu belegen, dass wir eben nicht eine Branche sind, die sich auf dem absteigenden Ast sich bewegt, sondern ganz im Gegenteil ziemlich coole Entwicklungsmöglichkeiten bietet über das Thema Digitalisierung, aber auch über die Endprodukte, die über unsere Werkzeugmaschinen hergestellt werden. Da ist man ja stark in der Aerospace-Branche unterwegs, in der Medizinindustrie, bei Oil and Gas, also in wirklichen Hightech Branchen. Bei denen man dann auch die Möglichkeit hat, sich sehr übergreifend zu entwickeln und dann den richtigen Pfad zu wählen für die eigene Karriere.

Dieses Interview ist ein gekürzter Auszug aus dem Podcast 'Industry Insights'. Das ganze Gespräch über Hellers Engagement beim Thema Ausbildung, Industriepartnerschaften und künstliche Intelligenz für Werkzeugmaschinen hören Sie hier:

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