
Warum braucht es eine starke Industriepolitik für heimische Rüstungsgüter (im Bild der Schützenpanzer Puma)? BDSV und BDLI zeigen Potenziale und Chancen für Europas Sicherheit auf. (Bild: filmbildfabrik - stock.adobe.com)
Die Münchner Sicherheitskonferenz rückte zuletzt eindringlich ins Bewusstsein, was Sicherheitsexperten seit langem betonen: Europas Verteidigung braucht nicht nur eine Erhöhung der Budgets, sondern auch eine strategisch durchdachte Industriepolitik, die eigene technologische und industrielle Kapazitäten konsequent in den Vordergrund stellt. Hierbei spielen Rüstungsgüter aus heimischer Produktion die entscheidende Rolle, betonen die Industrieverbände der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) sowie der Luft- und Raumfahrtindustrie (BDLI). Denn wer sich auf Importe aus Drittstaaten verlässt, gefährdet langfristig nicht nur die wirtschaftliche, sondern auch die strategische Souveränität.
Warum fordert die Industrie eine konsequente Rüstungspolitik?
Armin Papperger, Präsident des BDSV, sowie Dr. Michael Schöllhorn, Chef des BDLI, machen in einem offenen Brief an die Regierungsspitze deutlich, dass eine konsequente industriepolitische Agenda im Bereich Verteidigung unumgänglich ist. Laut den Verbandspräsidenten könnte die deutsche Industrie umgehend auf steigende staatliche Investitionen reagieren und damit den heimischen Bedarf decken. Importabhängigkeit hingegen erhöht nicht nur das Risiko von Lieferengpässen, sondern auch die geopolitische Verwundbarkeit Deutschlands.
Zudem zeigen Zahlen, dass heimische Investitionen direkt zurückfließen: Jeder Euro, der in deutsche Rüstungsprodukte fließt, steigert die nationale Wertschöpfung, sichert Arbeitsplätze und stärkt die Innovationskraft.
Industriepolitik als Schlüssel zur strategischen Souveränität
Die Schlüsselbegriffe der Stunde heißen technologische Unabhängigkeit und Souveränität. Dies gelingt durch gezielte Förderung nationaler Schlüsseltechnologien. Deutschland hat im Maschinen- und Anlagenbau, aber auch in der Luft- und Raumfahrtindustrie über Jahrzehnte Kompetenzen aufgebaut, die weltweit ihresgleichen suchen. Eine konsequente Fokussierung auf eigene Technologien würde langfristig Innovationen sichern, die exportfähig sind und zugleich die nationale Sicherheit unterstützen.
Eine aktuelle Studie des IfW Kiel verdeutlicht die wirtschaftlichen Chancen einer strategisch gelenkten Verteidigungspolitik: Wenn das Verteidigungsbudget konsequent auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) erhöht wird, könnte das jährliche Wirtschaftswachstum Deutschlands signifikant um 0,9 bis 1,5 Prozent steigen – ein klares Argument für industriepolitische Konsequenz.
„Buy European“ sichert technologische Unabhängigkeit
Die Kernforderung „Buy European“ fokussiert sich klar auf europäische Lieferanten und Hersteller. Denn nur wer im eigenen Haus fertigt, minimiert Risiken durch externe Lieferketten. Insbesondere die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie anfällig globale Lieferketten sind. Das strategische Umdenken und die verstärkte Zusammenarbeit innerhalb Europas bei Sicherheitsfragen könnten diesbezüglich eine nachhaltige Wende herbeiführen.
Beispiel Airbus Defence and Space: Der Luftfahrtkonzern entwickelte und fertigte das Transportflugzeug A400M überwiegend in Europa. Dieses Projekt zeigt klar, wie erfolgreiche Kooperation innerhalb Europas funktioniert und gleichzeitig technologische Unabhängigkeit gesichert werden kann. Ein weiteres Erfolgsbeispiel ist das deutsch-französische Rüstungsvorhaben MGCS („Main Ground Combat System“), das für die nächsten Jahrzehnte Europas Panzer-Technologie dominieren könnte und bereits jetzt intensiv nationale Kompetenzen bündelt.
Verbände präsentieren Maßnahmenkatalog für Deutschland
In ihrem Brief schlagen die Verbände konkrete Maßnahmen vor, um die heimische Produktion strategisch zu stärken:
- Gezielte Förderung nationaler Schlüsseltechnologien: Technologien in den Bereichen Künstliche Intelligenz, Cybersicherheit und autonome Systeme sollen gezielt entwickelt werden, um den Technologievorsprung gegenüber außereuropäischen Wettbewerbern zu sichern.
- Vorrangige Beschaffung in Deutschland entwickelter Produkte: Heimische Produktionsstandorte sollen gefördert werden, um Abhängigkeiten zu reduzieren und Wertschöpfung im Land zu halten.
- Klare und zügige Vergaben: Definierte und beschleunigte Vergabeprozesse fördern Investitionssicherheit und ermöglichen Planungssicherheit für Unternehmen.
- Bundesagentur zur Rüstungsexportunterstützung: Eine neue Agentur soll Exportunternehmen konkret begleiten und deren Produkte global wettbewerbsfähig machen.
Nationale Schlüsseltechnologien für Europas Sicherheit
Besonders in den Bereichen der Luftverteidigung und der Cybersecurity bestehen erhebliche Chancen, heimische Anbieter nachhaltig zu stärken. Das System IRIS-T von Diehl Defence – vollständig in Deutschland entwickelt – hat in jüngster Vergangenheit beispielsweise in der Ukraine seine Leistungsfähigkeit unter Beweis gestellt. Ebenfalls herausragend ist die Führungsrolle deutscher Unternehmen bei Cybersicherheitslösungen, die aktuell weltweit an Bedeutung gewinnen.
Höhere Verteidigungsbudgets kurbeln Wirtschaft an
Die Studie des IfW Kiel macht deutlich: Eine Erhöhung des Verteidigungsbudgets lohnt sich nicht nur sicherheitspolitisch, sondern auch wirtschaftlich. Europäische Zusammenarbeit und Produktion führen unmittelbar zu Wachstum, Beschäftigung und technologischer Innovation. Damit wird Sicherheitspolitik zum zentralen Treiber ökonomischen Erfolgs – eine Win-win-Situation, die die Industrieverbände nun klar kommunizieren.
Mit Material von BDLI und BDSV
Der BDSV:
Der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie e.V. - BDSV e.V. vertritt die Interessen von über 260 Unternehmen auf nationaler und internationaler Ebene gegenüber Entscheidungsträgern in Politik und Administration sowie der Öffentlichkeit. Die Mitgliedsunternehmen des BDSV verstehen sich in erster Linie als hochqualifizierte Ausrüster und Partner der Bundeswehr sowie der Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben der Bundesrepublik Deutschland. Somit sind sie ein unverzichtbarer Bestandteil deutscher Sicherheitsinteressen und dienen unmittelbar der Sicherheit und Freiheit der in unserem Land lebenden Bürgerinnen und Bürger.
Der BDLI:
Der Bundesverband der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie e.V. (BDLI) vertritt die Interessen seiner mehr als 260 Mitgliedsunternehmen, die rund 46 Milliarden Euro
Jahresumsatz erwirtschaften und 115.000 Menschen direkt beschäftigen (2023). Er ist Mitglied des europäischen Dachverbandes AeroSpace and Defence Industries Association of Europe (ASD) und des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI). Der Verband ist Markeninhaber und Co-Veranstalter der ILA Berlin, einer der weltweit führenden Luft- und Raumfahrtaustellungen.