Bereits vor 20 Jahren hatte sich die Solvis GmbH entschlossen, die Nullemissionsfabrik zu bauen. Das Unternehmen ist Hersteller von Hybridheizsystemen, das Kernstück ist ein Pufferspeicher beziehungsweise Warmwasserspeicher. Heute kann Nachhaltigkeitsmanager Christian Neuperger aus der Erfahrung berichten, welche Effizienzmaßnahmen sich bewährt haben - und welche nicht. "Unsere Zielsetzung vor 20 Jahren war, aus den natürlichen Elementen Sonne, Luft, Wasser und Erde zukunftsfähige Technologien für Wärmeenergie zu entwickeln. Wichtig dabei war, dass die Produktion ohne Entstehung von Klimagasen ablaufen sollte."
So entsteht die Nullemissionsfabrik
Nachfolgend zählt Neuperger die Punkte auf, die für das Unternehmen beim Neubau seiner Fabrik in den Jahren 2002 und der Erweiterung 2008 essentiell für eine Nullemissionsfabrik waren:
- Bau in Niedrigenergiebauweise
- Sehr kompaktes Gebäudevolumen mit Holzkonstruktion als CO2-Senker, denn Stahlkonstruktionen brauchen schon bei der Herstellung sehr viel Energie
- Das Gebäude ist hochwärmegedämmt mit einer sehr luftdichten Gebäudehülle, um im Winter die Wärme im Gebäude zu belassen
- Zum Thema Wasserknappheit: Das Gebäude ist mit einer ressourcenschonenden Vakuumentwässerung bei den Sanitäreinrichtungen ausgelegt. Das funktioniert wie im Flugzeug: Somit konnte der Wasserverbrauch um fast 80 Prozent reduziert werden.
Wir hatten für die Fabrik einen Energieverbrauch von 70 bis 80 Prozent unter dem Energieverbrauch vom konventionellen Industriebau
Reduziertes Gebäudevolumen benötigt weniger Energie
"Durch eine intelligente Bauweise konnten wir das Gebäudevolumen um 15 Prozent reduzieren und damit haben wir auch weniger Raum, der belüftet und beheizt werden muss", freut sich Neuperger. Zudem biete die Bauweise viel Tageslicht, um die künstliche Beleuchtung zu reduzieren, was die Energieeffizienz verbessere und das Arbeiten auch angenehmer gestalte. Dafür sei eine tageslichtabhängige Beleuchtungsregelung zum Einsatz gekommen.
"Unsere Lüftungsanlagen waren damals schon mit Wärmerückgewinnung ausgestattet. Zusätzlich hatten wir ein passives Nachtkühlsystem installiert, das im Sommer die Kühle der Nacht nutzte, um das Gebäude runter zu kühlen", erläutert Neuperger.
Energieverbrauch 60 Prozent unter dem heutigen Standard
Die Anliefervorbauten waren laut Neuperger mit schnelllaufenden, hochgedämmten Toren versehen. Somit konnten die LKW zum Be- und Entladen reinfahren und die Tore in der Zwischenzeit geschlossen werden, um möglichst wenig Wärme zu verschwenden. "Deshalb hatten wir - Stand 2002 - für die Fabrik einen Energieverbrauch von 70 bis 80 Prozent unter dem Energieverbrauch des konventionellen Industriebaus. Selbst nach zwanzig Jahren liegen wir noch etwa 60 Prozent unter dem Standard von heute", rechnet Neuperger vor.
Welche Technologien werden eingesetzt, um eine CO2-neutrale Fabrik zu erreichen
Es gibt verschiedene Technologien und Maßnahmen, die eingesetzt werden können, um eine CO2-neutrale Fabrik zu erreichen. Einige dieser Technologien und Maßnahmen sind:
- Verbesserung der Energieeffizienz durch den Einsatz von energieeffizienten Maschinen und Anlagen, effizienten Hallenbeheizungssystemen und Gebäudeautomation für Büro- und Fabrikgebäude
- Nutzung erneuerbarer Energien wie Solarenergie, Windenergie, Wasserkraft oder Biomasse
- Förderung der Kreislaufwirtschaft durch die Wiederverwendung von Materialien und die Reduzierung von Abfall
- Einsatz von künstlicher Intelligenz zur Optimierung von Produktionsprozessen und zur Reduzierung von Emissionen
- Maßnahmen zur Emissionsreduzierung bei der Stahlherstellung
- Effizienzverbesserungen bei Prozessen der Produktion
- Realisierung eines CO2-neutralen Fabrikbetriebes durch die Nutzung von Wasserstofftechnologien.
Das Unternehmen wollte damals schon die zu verbrauchende Energie selbst herstellen. Dazu sagt Neuperger: "Wir haben PV-Anlagen auf den Dächern und Parkplätzen und wir hatten auch ein Blockheizkraftwerk installiert, dass der Strom letztlich die Wärme erzeugt. Somit liegen wir beim Wärmeverbrauch bei 30 bis 35 Kilowattstunden je Quadratmeter beheizter Fläche."
Diese Effizienzmaßnahmen haben sich bewährt
Nachfolgend sind die Effizienzmaßnahmen gelistet, die sich rückblickend laut Neuperger bewährt haben:
- Konstruktion des Gebäudes mit Holzbauweise
- Kompakte Bauweise und Gebäudedämmung
- Tageslichtbeleuchtung
- Passives Nachtkühlsystem
- Eigenstromerzeugung
Diese Effizienzmaßnahmen haben sich nicht bewährt
Anhand seiner langjährigen Erfahrung kann Neuperger ebenfalls erläutern, auf welche Effizienzmaßnahmen er heute nicht mehr bauen würde, da sich diese nicht gelohnt hätten. "Bei dem Blockheizkraftwerk hatten wir mit Biomasse aus Raps angefangen, was aber sehr störanfällig war. Wir haben es durch ein anderes ersetzt und auf Biogas umgestellt. Heutzutage würde wir die Energiegewinnung hingegen komplett elektrifizieren und eine Großwärmepumpe einbauen", stellt er klar.
Die Vakuumentwässerung habe von der Wassersersparnis gut funktioniert, sei aber recht störanfällig gewesen. Laut Neuperger sei dieses System in einem Flugzeug sicherlich sinnvoll, aber nicht in Industriebauten. "Das würden wir so nicht noch einmal machen", erklärt der Nachhaltigkeitsmanager.
"Das Lichtkonzept mit der automatischen Strahlungsbeleuchtung würden wir heute auch nicht mehr nutzen, da die Lichtwechsel zu stark waren, wenn eine Wolke kurz vor die Sonne kam, was den Effekt einer Discobeleuchtung bewirkte", schmunzelt Neuperger.
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Aktueller Stand der Energiegewinnung
Aktuell sei die Solvis GmbH nicht energieautark, beziehe aber Ökostrom. "Hauptverbraucher beim Strom sind die Produktionsanlagen, die Beleuchtung, die Belüftung und auch der IT-Bereich mit dem Personal. Die E-Ladesäulen für unsere Mitarbeiter benötigen bisher noch nicht viel Strom", beschreibt Neuperger.
Das Unternehmen habe drei Pufferspeicher eingebaut, in Summe seien das rund 100.000 Liter, die ungefähr 7.000 KWH Wärme fassen, die zwischengespeichert werden können. Als Wärmepumpenhersteller habe Solvis zudem Wärmepumpen im Testeinsatz, deren Wärme auch verwendet werden könne.
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Weiterentwicklung und Perspektiven
Neuperger sehe trotz vieler bereits getätigter Umstellungen immer noch deutliche Potenziale. "So den Umstieg vom Blockheizkraftwerk auf eine Großwärmepumpe via Geothermie oder einen Kanal, der direkt bei uns am Gelände vorbeiläuft. Bei der Photovoltaik gibt es noch ein gewisses Ausbaupotenzial. Nachdem wir den PV-Anteil ausbauen wollen und mehr auf Elektrifizierung setzen, wird auch ein Stromspeicher für uns interessanter, um Lastspitzen abdecken zu können", berichtet Neuperger.
Nicht zu vergessen sei zudem, dass auch ein gewisses Potenzial bei den Mitarbeitenden vorhanden sei. "So will ich unsere Mitarbeitenden sensibilisieren, energiesparend mit der IT umzugehen, die bei uns relativ viel Energie benötigt, um auch an dieser Stelle noch einen Hebel zu haben, den Energieverbrauch zu reduzieren", schließt Neuperger.
Was ist eine CO2-neutrale Fabrik?
Eine CO2-neutrale Fabrik ist eine Fabrik, die keine Treibhausgase verursacht oder die entstehenden Emissionen kompensiert
- Es gibt viele verschiedene Maßnahmen, durch die Unternehmen ihre CO2-Bilanz verbessern können, wie die Verbesserung der Energieeffizienz, die Nutzung erneuerbarer Energien oder die Förderung der Kreislaufwirtschaft
- Der Begriff 'klimaneutraler Betrieb' ist nicht markenrechtlich geschützt, und es gibt keine einheitliche Definition dafür, wann eine Fabrik als CO2-neutral gilt
- Um als CO2-neutral zu gelten, muss eine Fabrik in der Lage sein, ihre Scope 1-, Scope 2- und Scope 3-Emissionen zu reduzieren oder zu kompensieren
- Scope 1-Emissionen beziehen sich auf direkte Emissionen aus Quellen, die sich innerhalb der Kontrolle des Unternehmens befinden, wie zum Beispiel Emissionen aus der Verbrennung von Brennstoffen in Fabriken
- Scope 2-Emissionen beziehen sich auf indirekte Emissionen aus der Erzeugung von Strom, Wärme oder Dampf, die von einem Unternehmen gekauft werden
- Scope 3-Emissionen beziehen sich auf indirekte Emissionen aus Quellen, die sich außerhalb der Kontrolle des Unternehmens befinden, wie zum Beispiel Emissionen aus der Produktion von Rohstoffen oder aus dem Transport von Waren
- Experten aus Wissenschaft, Forschung und Industrie treffen sich auf Konferenzen wie 'Die CO2-neutrale Fabrik', um alle relevanten Themen zur Erreichung der CO2-Neutralität zu diskutieren
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Der Autor Dietmar Poll ist Redakteur bei mi-connect und fokussiert sich auf Themen rund um die klimaneutrale Industrie. Nach einem Geographiestudium (ja, er wollte die Welt retten) und mehrjähriger Arbeit als wissenschaftlicher Angestellter wechselte er in den Fachjournalismus, arbeitete in verschiedenen Verlagen und betreute dort unterschiedlichste Ressorts. Spannend findet er, bei der Recherche die Geschichte hinter der Geschichte zu entdecken. Privat erwischt man in häufig auf seinem Mountainbike durch die Berge rumpeln.