Die Mischung macht's: Neben PV-Anlagen bieten sich beispielsweise auch Windkraft und Fernwärme an. Wichtig ist dabei, dass Speicher in Form von Batterien oder auch Wasserstofftanks vorhanden sind, um über Zeiten hinwegzukommen, in denen erneuerbare Energien zu wenig Energie liefern.

Die Mischung macht's: Neben PV-Anlagen bieten sich beispielsweise auch Windkraft und Fernwärme an. Wichtig ist dabei, dass Speicher in Form von Batterien oder auch Wasserstofftanks vorhanden sind, um über Zeiten hinwegzukommen, in denen erneuerbare Energien zu wenig Energie liefern. (Bild: stock.adobe.com - Mayur Mehta)

Eine große Herausforderung der Industrie besteht darin, CO2-neutral zu werden, um die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Dabei handelt es sich um gesetzliche Rahmenbedingungen, die erfüllt werden müssen. Doch vor allem durch die Gaskrise steht auf der Wunschliste vieler Unternehmen der Sachverhalt, möglichst die eigenen Produktionsstätten energieautonom betreiben zu können. "Dafür brauchen wir einen Mehrwegspeicher, um volatile, erneuerbare Energien besser nutzen zu können. Genau darin besteht der Paradigmenwechsel, denn wir haben inzwischen Werkzeuge an die Hand bekommen, um selbst autonom zu werden", sagt Markus Ostermeier, Geschäftsführer bei der Ostermeier H2ydrogen Solutions.

Vier Schritte für autarke Fabriken notwendig

Um letztlich die eigene Fabrik energieautark gestalten zu können, seien laut Ostermeier vier Schritte notwendig:

  • Strom selbst erzeugen
  • Elektrifizieren
  • Kurzzeitspeicher für Wärme und Strom anschaffen
  • Wasserstoff nutzen

Bei den ersten beiden Punkten "Selbst Strom erzeugen und dann alles so weit wie möglich elektrifizieren" gebe es natürlich gravierende Unterschiede zwischen Produktionsprozessen, die sich leicht elektrifizieren ließen, und anderen, wo es eher schwierig ist. So habe früher die Menschheit Ressourcen verbraucht, wenn sie verfügbar waren. "Doch mittlerweile drücken wir auf den Lichtschalter und Strom ist immer vorhanden", zeichnet Ostermeier die heutige Lebensweise energetisch als problematisch auf und verweist auf ein Beispiel: "In einer Fabrik mit PV-Anlage hat der Chef den Mitarbeitern vorgeschlagen, später mit der Arbeit zu beginnen, um die Sonne als Energielieferanten zu nutzen. Die Mitarbeiter haben dem aber nicht zugestimmt", berichtet Ostermeier. Damit lasse sich dieser Baustein für die energieautarke Fabrik nur schwer umsetzen.

Markus Ostermeier, Geschäftsführer, Ostermeier H2ydrogen Solutions GmbH
Zitat

Wasserstoff ist der Baustein, um zu 100 Prozent autonom zu werden. Werde ich mit dieser Methode autonom, dann vermeide ich auch CO2-Emissionen.

Markus Ostermeier, Geschäftsführer, Ostermeier H2ydrogen Solutions GmbH
(Bild: Ostermeier H2ydrogen Solutions)

Kurzzeitspeicher als Wärmespeicher und Batterien nötig

Punkt 3 hingegen gilt laut Ostermeier als essentiell: "Wir müssen Kurzzeitspeicher anschaffen – und zwar sowohl Wärmespeicher als auch elektrische Kurzzeitspeicher beziehungsweise Batterien." Somit ließen sich energieschwache Zeiten der Erneuerbaren Energien überbrücken. Erst der letzte Baustein sei für Ostermeier H2. "Wasserstoff ist der Baustein, um zu 100 Prozent autonom zu werden. Werde ich mit dieser Methode autonom, dann vermeide ich auch CO2-Emissionen", beschreibt Ostermeier den doppelten Nutzen durch die Verwendung von Wasserstoff.

Effizienz oder Resilienz? Dezentralität als Lösung

Ostermeier zitiert eine Aussage von Sascha Lobo, die er als extrem passen empfindet: "Der ewige Kampf zwischen Effizienz und Resilienz hat oft eine Lösung und die heißt Dezentralität." Denn laut Ostermeier hätten wir alles auf Effizienz getrimmt und alles sei auf Kante genäht. "Doch dieses Prinzip funktioniert in Krisenzeiten nicht. Von daher macht es Sinn, in Dezentralität zu denken", betont Ostermeier. Er verweist vor allem darauf, dass Wasserstoff lokal produziert werden müsse, denn "weil eine Kilowattstunde Wasserstoff viel mehr Raum als eine Kilowattstunde Diesel einnimmt, macht es Sinn, H2 lokal zu produzieren und lange Transportwege zu vermeiden."

Lokal produzieren, speichern und nutzen

Laut Ostermeier sollten die Industrieunternehmen – soweit es möglich ist – Wasserstoff lokal produzieren, speichern und nutzen. "Wenn überhaupt ein Transport notwendig ist, dann sollten Gas-Pipelines genutzt werden, so kann auch die bereits vorhandene Infrastruktur weiter genutzt werden. Bei einem Transport beispielsweise mit einem LKW sollte ein Trägermolekül wie Methan, Methanol oder Ammoniak genutzt werden."

Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik

Fachkonferenz: Die CO2-neutrale Fabrik
(Bild: mi conect)

Experten aus Wissenschaft, Forschung und Industrie tauschen sich jedes Jahr auf der Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik zu den aktuellen Themen rund um klimaneutrale Industrie aus.

 

Prof. Alexander Sauer hat 2023 einen Vortrag zum Thema "Defossilierung der Produktion" gehalten. Im Podcast Industry Insights hat er die wichtigsten Punkte zusammengefast. Hier klicken, um zur Folge zu kommen!

 

Weitere Beiträge, die sich mit den Themen der Konferenz beschäftigen, finden Sie in unserem Fokusthema CO2-neutrale Industrie. Hier geht's entlang!

 

Die nächste Fachkonferenz findet am 15. und 16. Mai 2024 in Würzburg statt. Hier kommen Sie zur Anmeldung: Fachkonferenz CO2-neutrale Fabrik

Wie kann Wasserstoff genutzt werden?

Abgesehen vom stofflichen Nutzen des Wasserstoffs beim Sintern oder Schweißen verweist Ostermeier noch auf die Nutzung als Kraftstoff, wobei H2 zuvor noch verdichtet werden müsse. Für die Unabhängigkeit einer Fabrik "muss ich Wasserstoff unter Druck in Flaschen einspeisen, was momentan die preisgünstige Alternative ist. Somit erhalte ich einen Saisonalspeicher und kann zu einem späteren Zeitpunkt Strom und Wärme daraus erzeugen, die Rede ist dann von einer 'Wasserstoffbatterie'. In Kombination mit Wärmepumpe und Batterie wäre dies eine Komplettlösung für die Energieunabhängigkeit", beschreibt Ostermeier.

Wie rechnet sich der Aufwand für H2-Erstellung und Speicherung?

Auf die oftmals aufkommende Frage, inwieweit sich die ganzen Aufwände denn überhaupt rechneten, hat Ostermeier eine eindeutige Antwort: "Die Frage ist nicht, ob sich das alles rechnet, sondern ob und wieviel Energie wir uns überhaupt leisten können." Man frage sich ja auch nicht, ob sich der nächste Urlaub oder ein neues Auto rechneten, sondern ob ich mir das leisten könne.

Ostermeier meint hingegen, dass die Frage lauten soll: Wieviel Wärme können wir uns im Winter leisten? Seine Antwort dazu: "Ist jemand völlig energieautark und hat auch genügend Speicher, so kann er im Winter auch jeden Tag in seine eigene Sauna gehen – weil er es sich leisten kann. Das ist die interessante Frage: Wieviel Energie können wir uns leisten?"

Somit führe langfristig kein Weg an Wasserstoff vorbei, denn sonst müssten wir es künftig halten wie die Natur, wie Ostermeier augenzwinkernd abschließt: "Winterschlaf halten oder in den Süden fliegen."

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

Verschiedene Möglichkeiten der Wasserstofferzeugung

Es gibt mehrere verschiedene Möglichkeiten zur Wasserstofferzeugung. Hier sind einige der gängigsten Methoden:

  • Dampfreformierung: Bei der Dampfreformierung wird Erdgas (Methan) mit Wasserdampf bei hoher Temperatur (800 bis 1.000 °C) und mithilfe eines Katalysators umgesetzt. Dabei entsteht Wasserstoff und Kohlenmonoxid als Nebenprodukt. Die Methode ist weit verbreitet und kostengünstig, verwendet jedoch fossile Brennstoffe und erzeugt Treibhausgasemissionen.
  • Elektrolyse: Bei der Elektrolyse wird Wasser mithilfe von elektrischem Strom in seine Bestandteile, Wasserstoff und Sauerstoff, aufgespalten. Es gibt zwei Hauptarten der Elektrolyse: die alkalische Elektrolyse und die PEM (Protonenaustauschmembran)-Elektrolyse. Die Elektrolyse kann mit erneuerbarem Strom (zum Beispiel aus Sonnen- oder Windenergie) betrieben werden und erzeugt emissionsfreien Wasserstoff.
  • Photoelektrochemische Wasserspaltung: Diese Methode nutzt Sonnenlicht, um Wasser direkt in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Dabei werden spezielle fotoelektrochemische Zellen verwendet, die Sonnenlicht einfangen und den Wasserzerlegungsprozess unterstützen.
  • Biologische Wasserspaltung: Einige Mikroorganismen, wie zum Beispiel bestimmte Algen und Bakterien, sind in der Lage, Wasserstoff durch biologische Prozesse zu erzeugen. Diese Methode ist noch in der Erforschung und Entwicklung, hat aber das Potenzial, erneuerbaren Wasserstoff auf nachhaltige Weise zu erzeugen.
  • Solare Wasserspaltung: Bei der solaren Wasserspaltung wird Sonnenenergie verwendet, um Wasser direkt in Wasserstoff und Sauerstoff zu spalten. Dies kann durch verschiedene Methoden erreicht werden, zum Beispiel durch den Einsatz von Solarthermie oder photokatalytischen Materialien.
  • Thermische Wasserspaltung: Bei der thermischen Wasserspaltung wird Wasser mithilfe von Wärmeenergie in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Diese Methode erfordert hohe Temperaturen und wird oft in Kombination mit anderen Prozessen wie der Solarenergie oder Abwärme eingesetzt.

Die Wahl der Methode zur Wasserstofferzeugung hängt von verschiedenen Faktoren ab, wie Verfügbarkeit und Kosten der Ausgangsstoffe, Energiequelle, Umweltauswirkungen und spezifischen Anforderungen der Anwendung.

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Dietmar Poll, Redakteur mi connect
(Bild: mi connect)

Der Autor Dietmar Poll ist Redakteur bei mi-connect und fokussiert sich auf Themen rund um die klimaneutrale Industrie. Nach einem Geographiestudium (ja, er wollte die Welt retten) und mehrjähriger Arbeit als wissenschaftlicher Angestellter wechselte er in den Fachjournalismus, arbeitete in verschiedenen Verlagen und betreute dort unterschiedlichste Ressorts. Spannend findet er, bei der Recherche die Geschichte hinter der Geschichte zu entdecken. Privat erwischt man in häufig auf seinem Mountainbike durch die Berge rumpeln.

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