Roboter montieren an einer Montagestraße Photovoltaikanlagen in einer Halle

Die Herstellung von Solarzellen soll auch hierzulande für die Unternehmen wieder finanziell attraktiv werden. Es gibt einige Gründe. die dafür sprechen. (Bild: SweetBunFactory - stock.adobe.com)

Für Photovoltaik (PV) hatte Ex-Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier keine Zeit. Als ihn der Insolvenzverwalter von Solarworld, Dr. Christoph Niering, im Juni 2018 um Unterstützung beim Erhalt des PV-Zellherstellers bat, reagierte Altmaier einem Bericht der taz zufolge erst auf das dritte verzweifelte Schreiben des Rechtsanwalts – und dann nicht mal persönlich. Er ließ sich durch Staatssekretär Ulrich Nußbaum mit dem Verweis darauf entschuldigen, dass er zuletzt viel zu tun gehabt hätte.

Doch für die Rettung von Solarworld war es wohl ohnehin zu spät. Die von der einst selbsternannten 'Klimakanzlerin' Angela Merkel geführten Bundesregierungen hatten die Produktion von PV-Zellen in Deutschland eingehen lassen.

Photovoltaikindustrie verlässt unter Bundeskanzlerin Angela Merkel das Land

„Den Unternehmen war schlicht der Heimatmarkt weggebrochen“, erklärt Dr. Jochen Rentsch, Leiter der Abteilung 'Produktionstechnologie: Oberflächen und Grenzflächen' am Fraunhofer-Institut für Solare Energiesysteme (ISE). Vor zehn Jahren wurden in Deutschland noch PV-Anlagen mit einer Leistung von acht Gigawatt installiert. Dieses Niveau wurde seitdem nie wieder erreicht. Wie die Bundesnetzagentur meldet, lag der Zubau 2021 mit 5,2 Gigawatt mehr als ein Drittel unter dem Wert des Jahres 2012.

Mit den Investitionen in Sonnenstrom verschwand im vergangenen Jahrzehnt auch die Photovoltaikindustrie aus Deutschland. Kein einziger der zehn größten Hersteller von PV-Zellen kommt heute noch aus Deutschland, 2012 waren es noch acht.

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Das Energiesystem der Zukunft braucht zwingend Sonnenstrom

Heute hat Deutschland daher ein Problem. Denn um fossile Brennstoffe vollständig ersetzen zu können, muss das Energiesystem künftig außer auf Wind, Biomasse und Wasserkraft auch auf PV-Anlagen mit einer Leistung von 300 bis 450 Gigawatt aufgebaut sein, hat das Fraunhofer ISE berechnet.

Die Bundesregierung will dieses Ziel 2040 erreicht haben. Schon bis 2030 soll sich die Leistung der heute installierten Anlagen daher auf 215 GW mehr als vierfachen. Das erfordert einen jährlichen Zubau von gut 19 GW oder gut 61 Millionen Modulen, rechnen die Fraunhofer-Forscher vor.

„Mit wenigen Ausnahmen gibt es hierzulande aber nur noch Hersteller von Photovoltaik-Modulen. Die von ihnen verarbeiteten Zellen müssen sie in Asien einkaufen“, erklärt Dr. Jutta Trube, Leiterin des Bereichs 'Photovoltaik-Produktionsmittel' im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA).

Fatale Abhängigkeit von China

In Fernost dominiert China die PV-Branche. Es stellt über 90 Prozent der weltweit produzierten Zellen her, so die Internationale Energieagentur. „Da es bei PV-Zellen somit noch weniger alternative Lieferanten gibt als bei Gas, laufen wir Gefahr, in eine noch größere Abhängigkeit von einer Wirtschaftsregion zu geraten, als wir es derzeit bei russischem Erdgas erleben“, erklärt Jochen Rentsch vom Fraunhofer ISE. Bei einer Eskalation des Konflikts um Taiwan käme wohl so gut wie kein Modul mehr in Europa an, auch nicht, wenn China sich entscheiden würde, im eigenen Land massiv PV-Anlagen zuzubauen, befürchtet Rentsch.

PV-Produktion in der EU könnte mit China mithalten

Glücklicherweise besteht keine Notwendigkeit, es bei der aktuellen Abhängigkeit von der Volksrepublik zu belassen. Denn wie eine Studie des Fraunhofer ISE im Auftrag des VDMA aus dem Jahr 2018 zeigt, lassen sich in der EU alle Wertschöpfungsschritte der PV-Produktion zu Kosten umsetzen, die mit den staatlich subventionierten Preisen chinesischer Wettbewerber mithalten können. Vorausgesetzt, der Vergleich berücksichtigt neben den Herstellungs- auch die Transportkosten eines in China produzierten Moduls nach Europa. Diese machen immerhin zehn Prozent der Gesamtkosten aus.

Europa bei allen Wertschöpfungsschritten der PV-Produktion wettbewerbsfähig

Um Skaleneffekte erzielen und auch Hersteller von Verbrauchsmaterialien wie PV-Glas, -folien oder Silberpasten zum Aufbau von Fertigungskapazitäten in Europa bewegen zu können, muss die Photovoltaikwertschöpfung hierzulande außerdem eine Mindestgröße erreichen. Sie sollte pro Jahr Module von wenigstens fünf, besser zehn GW produzieren, so das Fraunhofer ISE.

Obwohl seine Analyse bereits vier Jahre alt ist, sind ihre Ergebnisse nach wie vor gültig, versichert Jochen Rentsch, der als Autor an der Studie mitgewirkt hat. „Zwar hat sich das gesamte Kostenniveau nach oben verschoben. Dadurch ist die Gewichtung der einzelnen Positionen aber weitgehend gleich geblieben“, so Rentsch.

Sachsen erlebt derzeit ein Comeback der Photovoltaikproduktion

In Sachsen erleben Arbeitnehmer gerade, dass der PV-Forscher Recht hat. Der Schweizer Spezialist für Maschinen für die Photovoltaikproduktion, Meyer Burger, hat in Thalheim bei Bitterfeld eine Fabrik gebaut, in der er mit eigenen Anlagen PV-Zellen fertigt. Diese montieren die Schweizer anschließend im ehemaligen Werk von Solarworld in Freiberg zu Modulen. Ab kommendem Jahr sollen die rund 400 Mitarbeiter an den beiden Standorten Paneele mit einer Leistung von insgesamt 1,2 GW herstellen, berichtet das Unternehmen.

In direkter Nachbarschaft baut auch NexWafe in Thalheim derzeit eine Produktionsstätte für Siliziumwafer auf. Die Ausgründung des Fraunhofer ISE verfolgt dabei ehrgeizige Ziele: 2026 will es Siliziumscheiben für PV-Anlagen mit 15 GW Leistung herstellen.

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Kurzpulslaser für Dünnschichtmodule

Auch der Spezialmaschinenbauer Trumpf aus Ditzingen spürt derzeit, dass die PV-Produktion in Europa zu neuem Leben erwacht. Die Schwaben stellen unter anderem Kurzpulslaser her. Sie werden für die Produktion hocheffizienter teils nur einen Millimeter starker Dünnschichtmodule gebraucht. Hersteller sprühen oder dampfen PV-Zellen dabei auf ein Trägermaterial auf.

Bevor sie die Solarzellen abschließend mit einer Schutzfolie laminieren, müssen sie am Rand des Moduls die Zellen auf einer Breite von etwa einem Zentimeter wieder entfernen. „Da die Beschichtungen hauchdünn sind, funktioniert dies nur mit dem präzisen Energieeintrag von Kurzpulslasern“, erklärt Mauritz Möller, der bei Trumpf die PV-Branche betreut.

Auftragsbücher der Zulieferer der PV-Industrie aus dem Maschinenbau sind voll

Mit ihrer Hochtechnologie setzten die 16.500 Mitarbeiter von Trumpf im soeben beendeten Geschäftsjahr 2021/22 mit 4,2 Milliarden Euro 20 Prozent mehr um als im Vorjahr. Der Auftragseingang stieg um 42 Prozent auf rund 5,6 Milliarden Euro. Insgesamt hatten Hersteller von PV-Produktionsmitteln und -maschinen im ersten Quartal 2022 den größten Auftragsbestand seit 2018, meldet der VDMA.

Die Beispiele zeigen: Die PV-Industrie ist in Europa noch lange nicht tot. Allerdings ist sie trotz der aktuellen Investitionen viel zu klein, um den bis 2030 geplanten Zubau mit in Europa gefertigten Anlagen umsetzen zu können, stellt VDMA-Fachfrau Jutta Trube fest. „Dazu brauchen wir Fertigungskapazitäten von wenigstens 20 GW“, so Trube.

PV-Produktion in Deutschland braucht belastbare Rückendeckung durch die Politik

Die entstehen aber nicht über Nacht. Zumal Investoren sich noch nicht sicher sind, ob der aktuelle Boom in der PV-Industrie nicht doch wieder nur ein Strohfeuer ist. „Dass die Politik die Branche schon mal hat eingehen lassen, weil sie nur auf die Kosten und nicht auf die Versorgungssicherheit geachtet hat, hat sehr viel Vertrauen zerstört“, beklagt Jutta Trube. Dieses Vertrauen wieder aufzubauen brauche Zeit.

Außerdem braucht es eine Industriepolitik, die Photovoltaik konsequent fördert – etwa indem sie die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) festgelegten jährlichen Zubauziele für Photovoltaik auf zehn GW anhebt, forderte die Geschäftsleitung des PV-Mittelständlers Meyer Burger schon 2020. Dem hat sich die Bundesregierung mit der Novelle des EEG nun angenähert. Danach sollen sich die Zubaumengen bis 2026 von derzeit sieben auf dann 22 GW mehr als verdreifachen. „Das bringt Konstanz in die Nachfrage und gibt der Branche eine Marktperspektive“, fasst Fraunhofer-ISE-Experte Jochen Rentsch zusammen.

Ohne Fördermittel, Kredite und Bürgschaften scheitert das Revival der PV-Produktion

Die braucht es auch dringend, sonst ist der Aufbau der erforderlichen PV-Fertigungskapazitäten nicht zu finanzieren. „Für einen großskalierten Ausbau der Produktion braucht es vor allem ausreichende Finanzmittel in Form speziell geschaffener Kreditlinien“, fordert Meyer Burger in einem Positionspapier. „Der Bund sollte außerdem Bürgschaften stellen“, ergänzt Jutta Trube vom VDMA. „Denn auch die Banken erinnern sich noch daran, wie die PV-Branche hierzulande eingegangen ist.“

Auch Brüssel muss die PV-Branche massiv fördern

Nationale Ansätze werden allerdings nicht reichen, um die PV-Produktion in Deutschland und Europa wieder in dem Maßstab aufzubauen, den es braucht, um das Energiesystem umstellen zu können und international wettbewerbsfähig zu sein.

Die Europäische Solarinitiative der Europäischen Union (EU) und der Branchenverband European Solar Manufacturing Council, setzen daher derzeit ein Important Project of Common European Interest (IPCEI) auf – ein EU-Förderinstrument, das es Mitgliedsstaaten erlaubt, den Aufbau von Fertigungskapazitäten zu subventionieren, wenn dies den strategischen Zielen dient und Wachstum sowie Arbeitsplätze in erheblichem Umfang schafft. Entsprechende Projekte gibt es bereits für die Halbleiterindustrie, die Wasserstoffwirtschaft und Technologien für die Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge.

Für das Photovoltaik-IPCEI haben bislang mehr als 50 PV-Unternehmen und Forschungsinstitute förderwürdige Projekte angemeldet. Außerdem haben sich Spanien, Polen, Österreich, Litauen und Luxemburg bereit erklärt, das IPCEI zu finanzieren. „Deutschland hat sich dazu bislang leider noch nicht geäußert“, moniert VDMA-Expertin Jutta Trube.

Nach Jahren der Vernachlässigung fehlt es an namhaften Unterstützern für ein PV-IPCEI

„Außerdem fehlen anders als bei den IPCEIs für die Halbleiterindustrie oder Batterietechnologien namhafte Unternehmen, die das Projekt vorantragen“, ergänzt Jochen Rentsch vom Fraunhofer ISE. Das ist nicht verwunderlich. Schließlich kommen die Großen der PV-Branche heute nicht mehr aus Europa, nachdem ihnen hierzulande jahrelang die politische Unterstützung fehlte.

Hoffnungsfroh stimmt Rentsch allerdings, dass inzwischen große Energieversorger wie Iberdrola aus Spanien und Electricité de France in Brüssel lautstark darauf hinweisen, dass sie einen gewaltigen Bedarf an Photovoltaik haben, wenn sie die von der EU angestrebte Energiewende mittragen sollen. Bleibt zu hoffen, dass die EU-Kommissare mehr Zeit für ihre Belange haben als einst Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier für die deutsche PV-Industrie.

überarbeitet von: Dietmar Poll

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