Die Pflicht zur Umsetzung von Energieeffizienz- und Dekarbonisierungsmaßnahmen bereitet vor allem der energieintensiven Industrie mitunter Kopfzerbrechen. Doch mit Hilfe eines Energiemanagement-Systems lassen sich die richtigen Energieeffizienzmaßnahmen identifizieren.

Die Pflicht zur Umsetzung von Energieeffizienz- und Dekarbonisierungsmaßnahmen bereitet vor allem der energieintensiven Industrie mitunter Kopfzerbrechen. Doch mit Hilfe eines Energiemanagement-Systems lassen sich die richtigen Energieeffizienzmaßnahmen identifizieren. (Bild: BFE Institut für Energie und Umwelt)

Für energie- und emissionsintensive Unternehmen gilt seit Kurzem: Sie müssen wirtschaftliche Effizienz- oder Dekarbonisierungsmaßnahmen umsetzen. Im Rahmen der EnSimiMaV ist das verpflichtend vorgegeben, bei anderen Regularien sind Beihilfen jetzt an diese Bedingung geknüpft. Was wirtschaftlich sinnvoll ist, regelt ValERI (Valuation of Energy Related Investments).

Produzierende Unternehmen können die meisten Energieverbräuche nicht vermeiden. Dennoch gibt es Ansatzpunkte für Energieeinsparungen und die Dekarbonisierung. Viele der entsprechenden Maßnahmen wurden bisher jedoch nicht umgesetzt – auch solche, die sich wirtschaftlich durchaus rechnen.

Deshalb ist die Politik dazu übergegangen, die Umsetzung von Effizienzmaßnahmen zur Pflicht zu machen beziehungsweise die Auszahlung von Beihilfen daran zu knüpfen. Das betrifft aktuell vor allem folgenden Regularien:

EnSimiMaV greift bei Verbrauch von über zehn Gigawattstunden

Die Mittelfristenergieversorgungssicherungsmaßnahmenverordnung (EnSimiMaV) gilt für alle Unternehmen mit einem Gesamtverbrauch von über zehn Gigawattstunden pro Jahr, die nach dem Energiedienstleistungsgesetz (EDL-G) zur Erstellung von Energieaudits verpflichtet sind. Sie schreibt neben der Prüfung und Optimierung der Heizung auch zwingend die Umsetzung aller wirtschaftlich durchführbaren Effizienzmaßnahmen vor, die im Rahmen des Energiemanagements oder Energieaudits identifiziert wurden. Die Frist für die Maßnahmenumsetzung endet am 1. April 2024.

Besondere Ausgleichsregelung (BesAR) regelt Erhalt von Beihilfen

Im Gegensatz zur EnSimiMaV geht es bei der 'Besonderen Ausgleichsregelung' um den Erhalt von Beihilfen: Stromkostenintensive Unternehmen, die in der Liste antragsberechtigter Branchen aus dem Energiefinanzierungsgesetz aufgeführt sind und einen jährlichen Stromverbrauch von mehr als einer Gigawattstunde je Abnahmestelle haben, können von einer Reduzierung der KWKG- und der Offshore-Netz-Umlage profitieren. Ein Unternehmen kann damit rund 7.000 bis 8.000 Euro pro Jahr und Gigawattstunde einsparen.

Das sind die Bedingungen für einen erfolgreichen Antrag

Hierfür müssen Unternehmen bis spätestens 30. Juni einen Antrag stellen, der dann für das Folgejahr gilt. Zum 1. Januar 2023 wurde die Antragstellung deutlich vereinfacht, gleichzeitig sind die Bedingungen gestiegen: Unternehmen müssen nicht mehr nur ein Energiemanagement-System vorweisen, sondern auch ökologische Gegenleistungen erbringen. Das bedeutet:

  • 50 Prozent des Begrenzungsbetrags, also der eingesparten Summe, müssen in wirtschaftliche Energieeffizienz- oder Dekarbonisierungsmaßnahmen investiert werden.

oder

  • Das Unternehmen muss eine Erklärung abgeben, dass es 50 Prozent des Begrenzungsbetrags in wirtschaftliche Energieeffizienzmaßnahmen investieren wird. Diese Investitionen sind spätestens im Jahr 2026 nachzuweisen.

oder

  • Der Stromverbrauch muss zu mindestens 30 Prozent durch ungeförderten Strom aus Erneuerbare-Energien-Anlagen (EE-Anlagen) gedeckt werden.

Abwanderung der Industrie durch finanziellen Ausgleich vermeiden

Um Privilegierungen geht es auch bei der BECV: Unternehmen können einen finanziellen Ausgleich für den nationalen CO2-Preis erhalten. Damit soll verhindert werden, dass Unternehmen mit sehr hohem Brennstoffverbrauch – und damit hohen CO2-Emissionen – ihre Produktion aufgrund der nationalen CO2-Bepreisung ins Ausland verlagern (Carbon Leakage).

Den Ausgleich können Unternehmen beantragen, die einen hohen Verbrauch fossiler Energieträger haben und einem Sektor aus der Liste der Carbon-Leakage-Risiko-Sektoren angehören. Die Antragsfrist endet wie bei der BesAR am 30. Juni eines jeden Jahres. Die Höhe der Beihilfe hängt vom Brennstoffverbrauch und dem Kompensationsgrad ab.

Zu den jetzt geforderten ökologischen Gegenleistungen gehören ein Energie- oder Umweltmanagementsystems nach DIN EN ISO 50001 oder EMAS und Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen, welche die CO2-Bilanz des Unternehmens verbessern und wirtschaftlich realisierbar sind. Für den BECV-Antrag für das Jahr 2024 müssen diese Maßnahmen bereits bis Ende 2023 umgesetzt sein. Darüber hinaus wird erwartet, dass es künftig häufiger Vorgaben zur Umsetzung ökologischer Gegenleistungen geben wird, zum Beispiel beim geplanten Energieeffizienzgesetz.

Kennen Sie schon unseren Podcast Industry Insights?

Anja Ringel (links) und Julia Dusold (rechts) strahlen in die Kamera.
(Bild: Fotos: Florian Swoboda; Grafik: Jürgen Claus)

In Industry Insights sprechen wir über alles, was die Industrie beschäftigt. Die Redakteurinnen Julia Dusold und Anja Ringel haken nach, welche Trends aus Technik, Unternehmenskultur und Karriere bei Unternehmen gerade wichtig sind. Dafür laden wir in jede Folge eine prominente Branchengröße ein.

Das Moderatorinnen-Duo sprach bisher beispielsweise mit:

Alle Folgen von Industry Insights finden Sie hier. Abonnieren Sie uns gerne auch auf Spotify, Apple Podcast oder dort, wo Sie am liebsten Podcasts hören.

ValERI legt Bewertungsgrundlage für Wirtschaftlichkeit

Da es in all diesen Fällen um wirtschaftlich durchführbare Energieeffizienz- und Dekarbonisierungsmaßnahmen geht, ergibt sich die Frage: Wie wird ermittelt, ob eine Maßnahme wirtschaftlich ist? Hierfür wurde ValERI entwickelt. Die europäische Norm DIN EN 17463 zur Bewertung von energiebezogenen Investitionen gibt vor, welche Informationen wie zu sammeln, zu berechnen, auszuwerten und zu dokumentieren sind.

Sie baut in erster Linie auf der Kapitalwertmethode auf, die für jede Investition die Kapitalflüsse über die gesamte Nutzungsdauer des Investitionsgutes betrachtet. Zudem werden bei ValERI sämtliche quantitativen und qualitativen Effekte der Investition berücksichtigt, etwa durch Energieeinsparungen, Fördermittel oder Wartungseffekte.

Ein Beispiel verdeutlicht die folgende Berechnung: Eine neue Anlage mit einer Nutzungsdauer von 20 Jahren erfordert eine Investition von 850.000 Euro. Ab dem ersten Jahr nach der Investition wird die Summe aller Zahlungsflüsse eines Jahres in der Berechnung eingetragen. Diese ergibt, dass der Kapitalwert ab dem siebten Jahr positiv ist. Über die gesamte Nutzungsdauer der Anlage entsteht ein positiver Kapitalwert von 2.496.500 Euro.

Wissen, was die Industrie bewegt!

Newsletter-Produktion

Alles zu Industrie 4.0, Smart Manufacturing und die ganze Welt der Technik.

Newsletter gratis bestellen!

Was wirtschaftlich ist - und was nicht?

Damit stellt sich jedoch eine weitere Frage: Ab wann gilt eine Maßnahme als wirtschaftlich? Hierfür liegt die Messlatte bei den drei genannten Regularien unterschiedlich hoch.

Bei der EnSimiMaV gilt eine Maßnahme als wirtschaftlich, wenn sie nach ValERI spätestens nach 20 Prozent der Nutzungsdauer der betreffenden Anlage, spätestens aber nach drei Jahren einen positiven Kapitalwert hat. Die Maßnahme aus obigem Beispiel ist nach EnSimiMaV nicht wirtschaftlich, weil der Kapitalwert im Jahr drei noch negativ ist. Sie muss also nicht umgesetzt werden.

Für die BECV und BesAR sind Maßnahmen wirtschaftlich, die spätestens nach 60 Prozent der Nutzungsdauer einen positiven Kapitalwert erreichen. Bei der BECV ist dies zudem begrenzt auf neun Jahre, bei der BesAR gibt es keine weitere Begrenzung. Die Beispielmaßnahme ist also nach BesAR wirtschaftlich, da der Kapitalwert nach zwölf Jahren (= 60 Prozent der Nutzungsdauer) im positiven Bereich liegt. Bei der BECV ist bereits das Jahr neun entscheidend, auch hier ist der Kapitalwert positiv. Die Maßnahme gilt also sowohl nach BesAR als auch nach BECV als wirtschaftlich.

Handlungsempfehlungen für Unternehmen

Fundament für die Erfüllung der regulatorischen Vorgaben ist die umfassende und fundierte Identifikation von Effizienzpotenzialen im Rahmen von Energiemanagementsystemen und Energieaudits. Nun gilt es zu prüfen, welche regulatorischen Vorgaben beziehungsweise Privilegierungen für das jeweilige Unternehmen relevant sind und welche Pflichten und Fristen gelten.

Dann folgen die Berechnungen nach ValERI, durch die sich entscheidet, welche Maßnahmen realisiert werden müssen. An diesem Punkt ist es hilfreich, einen Plan aufzustellen, wann welche Investition am sinnvollsten getätigt werden kann oder sollte, um alle Vorgaben zu erfüllen. Außerdem empfiehlt sich, den gesamten Prozess sauber zu durchlaufen und zu dokumentieren, denn viele Regulatorien fordern eine abschließende Nachweisführung.

Autor: Marek Fritz, Business Development Consultant bei BFE Institut für Energie und Umwelt

Sie möchten gerne weiterlesen?