Airbus digitalisiert seine Abläufe. Das Bild zeigt das Werk in Hamburg.

Airbus setzt alle möglichen Hebel in Bewegung, seinen CO2-Footprint zu verringern. Sowohl in der eigenen Produktion als auch im Flugbetrieb und sogar bis zum End of Life gehen die Bemühungen, deutliche Verbesserungen zu erzielen. Das Bild zeigt das Werk in Hamburg. (Bild: Helmut Hofer/Airbus)

Der gesamte Luftverkehr ist für 3,5 Prozent des weltweiten CO2-Ausstoßes verantwortlich. Zum Vergleich: die europäische Stahlindustrie hat mehr als doppelt so viel Einfluss. Dazu Fabian Hübner, Composite Scientist bei Airbus: "Ich möchte aufzeigen, wie Airbus beispielsweise mit neuen Material- und Prozesstechnologien dazu beitragen kann, den CO2-Ausstoß bei der Produktion und im Betrieb deutlich zu senken."

Das ist allerdings eine große Herausforderung, denn der Airbus 'Global Market Forecast' prognostiziert ein deutliches Wachstum der Luftfahrtbranche, nämlich dass es weltweit eine
Neuauslieferung von fast 41.000 Flugzeugen bis 2040 geben wird. "Dies steht in Widerspruch mit dem Pariser Klimaabkommen, bis 2050, unter dem Wert von 1,5 Grad Celsius mittlerer
Temperaturerwärmung zu bleiben. Die Luftfahrtindustrie steht gleichzeitig vor der Herausforderung wirtschaftlich zu agieren und dabei die Verantwortung für CO2-Reduktion zu übernehmen", betont Hübner. Vor allem neue Antriebstechnologien, Materialien und neue Prozesse könnten hierzu einen Beitrag zu leisten.

Großteil der CO2-Emissionen durch Flugbetrieb

Mit Blick auf Scope 1, 2 und 3 nennt Hübner eine wichtige Zahl: „Das Flugzeug verursacht ‚In Service‘ einen deutlich höheren Anteil an CO2-Emissionen als durch die Produktion selbst. Je nach Flugzeugtyp und Verwendung macht dies bis zu 99 Prozent aus.“ Airbus als Flugzeugbauer habe sich zu den wissenschaftlichen 'Science-Based-Target Initiative-Zielen' bekannt. Hübner: „Dabei sind bei Airbus die Scope 1-Emissionen die direkten Emissionen, der Energieverbrauch und der CO2-Ausstoß in der Produktion. Hierfür werden beispielsweise die Airbus-internen Transportflugzeuge 'Beluga' bereits mit Sustainable Aviation Fuels (SAF) betankt. Diese liefern Teile zwischen den Werken hin- und her.“ Die Materialien für die Produktion der Flugzeuge selbst haben einen deutlich geringeren Anteil an den CO2-Äquivalenten im Vergleich zum in Betrieb ausgestoßenen CO2 durch verbranntes Kerosin.

Scope 3 hat bei Airbus den größten Anteil

„Beim Scope 2 geht es um die indirekten Treibhausgase. Die Nutzung von regenerativen Energien wie Photovoltaik und Wind sind ein Ansatz, der bei Airbus verfolgt wird, um die Emissionen beim Bau von Flugzeugen zu senken. Unsere Ziele sind hier bei Scope 1 und 2 ein Minus von 63 Prozent bis 2030 zu erreichen. Scope 3 hat natürlich mit 99 Prozent - bezogen auf die gesamte Lebensdauer unseres Produkts - den größten Anteil. Auch dieser soll durch neue Antriebstechnologien weiter reduziert werden“, erläutert Hübner.

Im Rahmen von Scope 1 und 2 - das ist eher auf Scope 1 bezogen und damit auf die Produktion - wolle Airbus an Wasser sparen und den Energiebedarf reduzieren. „Dabei kommuniziert Airbus auch seinen Mitarbeitern, dass es gewisse Stellschrauben gibt, wie man zum Beispiel die CO2-Emissionen durch Begrenzung der Reisetätigkeiten verringern kann. Spätestens seit Corona haben wir gelernt, dass digitale Meetings effiziente Kommunikationstools sind“, fasst Hübner zusammen. Auch die Volatile Organic Components - zum Beispiel beim Lackieren - sollen durch den Einsatz neuer Lacke in den nächsten Jahren reduziert werden.

Einblicke in die Zukunft der Mobilität

Autonomes Fahren, Flugtaxis, Hyperloop - die Mobilität der Zukunft wird vielfältig. Eine Chance für die deutsche Industrie, sich zu positionieren. Aktuelle Entwicklungen und praktische Überblicke finden Sie in unserem Fokusthema - hier entlang!

Leichtbau wichtiger Bestandteil der ökoeffizienten Luftfahrt

Beim Scope 3 verweist Hübner darauf, was Airbus unter einer ökoeffizienten Luftfahrt versteht. „Das ist immer auf neue Flugzeuge bezogen, bei denen wir auf Leichtbau und somit auch vermehrt auf Verbundwerkstoffe setzen. Dabei haben wir zwei Vorteile: Neben der Emissionsreduktion auch die Range Extension.“ Hübner betont in diesem Zusammenhang die Wichtigkeit der Gewichtsreduzierung: „Wenn wir ein Flugzeug nur um ein Prozent leichter konstruieren, dann kann das rechnerisch bis zu 18.000 Tonnen CO2-Ersparnis über den Lebenszyklus eines Flugzeugs bedeuten. Das ist enorm."

Nachdem durch die Verbrennung des Kerosins CO2 in die Umwelt gelange, dürfen auch die gleichzeitig freigesetzten Stickoxide nicht vergessen werden, die ein erhöhtes 'Global Warming Potential' haben. „Betrachten wir diese Zahl von 18.000 Tonnen, dann ist das reale 'Global Warming Potential' doppelt so hoch. Auch unsere Kunden, also die Airlines, sparen sich durch ein um ein Prozent leichteres Flugzeug natürlich Geld für Kerosin."

Airbus setze mittlerweile auch darauf, Materialien zu designen, die recycelbar sind, als auch auf Materialien aus erneuerbaren Rohstoffen. Gleichzeitig definiere der Flugzeugbauer ein End-of-Life über das Material und die Bauteile.

Verbundwerkstoff: Die gesamte Wertschöpfungskette im Blick

Am Beispiel dieses Verbundwerkstoffs sehe Airbus hier die Wertschöpfungskette von dem wirklichen Rohöl-Feedstock bis zum End of Life. Der Feedstock beziehungsweise das Rohöl werde dann zu chemischen Building Blocks, also aromatischen Strukturen. „Das sind sozusagen Vorstufen für unsere Kunststoffe und die Verstärkungsfasern, die wir dann verwenden. Anschließend erhalten wir von unserem Zulieferer ein halbfertiges Produkt - das kann ein mit Fasern vernähtes Textil sein. Hier kommt Kunststoffharz hinzu, welches heiß verpresst und somit gehärtet wird“, erläutert Hübner. Diese Bauteile und Strukturen werden letztlich in der Produktion zu den Flugzeugen zusammengebaut. Dann folgen In-service und nach der Betriebszeit das 'End-of-Life'.

Hübner nennt nachfolgend Beispiele, die dieser vorgeschalteten Kette zugrunde liegen: „Wir haben relative CO2-Äquivalente von angenommen 100 Prozent, hier am Beispiel von der reinen Kohlenstofffaser gezeigt “ Wenn man für deren Herstellung einen grünen Strommix verwende ergebe sich eine Reduktion auf 80 bis 90 Prozent beziehungsweise eine Ersparnis von 10 bis 20 Prozent.

Rohöl durch Biomasse oder nachwachsende Rohstoffe ersetzen

„Wenn wir dann unsere Intermediates oder das für die Kunststoffindustrie notwendige Rohöl durch Biomasse oder nachwachsende Rohstoffe ersetzen können, zeigt sich ein gesteigertes Potential. Bei zukünftig denkbaren Ansätzen, wie dem 'CO2-Capturing', wird CO2 aus der Luft in Feststoff gespeichert. Wird dies für die Materialherstellung genutzt, ergibt sich daraus ein sehr geringer beziehungsweise sogar ein negativer CO2-Ausstoß“, denkt Hübner laut nach.

Autoklav-Prozesse verbessern und auf UV-Aushärtungen setzen

Hübner nennt ein weiteres Beispiel und bezieht sich auf die Produktion bei Airbus, in der State-of-the-Art-Prozesse für Verbundwerkstoffe laufen. "Das sind hauptsächlich Autoklav-Prozesse mit einer Härtungstemperatur von 180 Grad Celsius. Diese werden eingepackt in Folien und dann mit bis zu acht Bar im klassischen Druckluft-Autoklav hergestellt", so Hübner. Mit dem angesprochenen Energie-Mix könne auch an dieser Stelle viel eingespart werden.

„Aber wirklich interessant für die Zukunft ist, wenn neue Disruptiv-Prozesse verwendet werden. So können zum Beispiel Direkt-Konsolidierung von Verbundwerkstoffen verwendet werden, indem thermische und UV-Härtung kombiniert werden . Dies sind Themen, mit denen sich die Abteilung “Central Research and Technology” bei Airbus beschäftigt", erläutert Hübner.

Neuer Treibstoff kann CO2-Ausstoßrate verringern

"Wir sehen aktuell ein Potential mit unseren derzeitigen Flugzeugen, wodurch der CO2-Ausstoß der Flugzeuge im zweistelligen Prozentbereich verringert werden kann. Eben durch neue Entwicklungen, durch Verbesserungen und Technologien, die jetzt marktreif geworden sind." Um eine Verbesserung des In Service zu erzielen, müssen Technologien rund um den Treibstoff betrachtet werden", so Hübner.

"Wir müssten weg vom Kerosin und damit vom Erdöl-basierten Rohstoff auf die Sustainable Aviation Fuels wechseln", betont Hübner. Die Möglichkeiten seien groß, aber das sei wie bei allen neuen Energieträgern - man kenne dies auch von den E-Fuels, was aktuell in der Politik und in den Medien heißt diskutiert wird. "Die breite Verfügbarkeit ist noch nicht gegeben, und das ist ein großes Problem. Aber wir rechnen damit, dass mittelfristig eine Lösung realisiert werden kann", so Hübner.

Sustainable Aviation Fuels reduzieren CO2-Footprint

Die Sustainable Aviation Fuels reduzierten den CO2-Footprint zwar um bis zu 80 Prozent. "Damit ist es aber nicht getan", schränkt Hübner ein, "denn ich verbrenne immer noch Treibstoff in einem Triebwerk, um Vorschub zu generieren und produziere dadurch CO2 und NOx. Durch die Bilanzierung stehe ich zwar besser da, aber die Realität ist, dass immer noch ein Treibstoff CO2 freisetzt und gerade mit dem Global Warming Potential von den Stickoxiden ist das höchst kritisch."

Dennoch habe Airbus alle Flugzeuge bis zu 50 Prozent SAF zertifiziert. "Bei Konkurrenten ist das ähnlich, das ist die kurz- und mittelfristige Lösung, teilweise Sustainable Aviation Fuels zuzutanken. Wir planen dies bis 2030 auf 100 Prozent zu erhöhen. Aber die Verfügbarkeit ist nun mal kritisch", gibt Hübner zu Bedenken.

Alles Wissenswerte zum Thema CO2-neutrale Industrie

Sie wollen alles wissen zum Thema CO2-neutrale Industrie? Dann sind Sie hier richtig. Alles über den aktuellen Stand bei der klimaneutralen Industrie, welche technischen Innovationen es gibt, wie der Maschinenbau reagiert und wie die Rechtslage ist erfahren Sie in dem Beitrag "Der große Überblick zur CO2-neutralen Industrie".

Um die klimaneutrale Industrie auch  real werden zu lassen, benötigt es regenerative Energien. Welche Erneuerbaren Energien es gibt und wie deren Nutzen in der Industrie am höchsten ist, lesen Sie hier.

Oder interessieren Sie sich mehr für das Thema Wasserstoff? Viele Infos dazu gibt es hier.

Wasserstoffflugzeug von Airbus in der Planung

Um die In-Service Emissionen in den Griff zu bekommen, plant Airbus laut Hübner bis 2035 ein Wasserstoffflugzeug fliegen zu lassen. Dabei gebe es unterschiedliche Konzepte: "Beim Verbrennen von Wasserstoff durch die Turbine entstehen Kondensstreifen, die wiederum auch Global Warming Potential haben. Somit funktioniert wirklich grünes oder CO2-freies Fliegen lediglich mit einem Propellerflugzeug, das den Strom in der Brennstoffzelle im Flugzeug generiert, die wiederum aus Wasserstoff gefüttert wird", differenziert Hübner.

Verwendung von Wasserstoff bringt nicht nur Vorteile

Auch die Verwendung von Wasserstoff habe neben den Vorteilen auch Nachteile, wie Hübner darstellt: "Zum einen ist Wasserstoff dreimal leichter als Jetfuel. Das Problem ist aber, dass die volumetrische Dichte bei Wasserstoff geringer ist." Deshalb brauche man entweder eine Druckspeicherung oder, was von Airbus verfolgt wird, eine Flüssigspeicherung. "Die Flüssigspeicherung hat dann den Vorteil, dass ich wirklich eine sehr hohe Energiedichte habe. Ich muss das Ganze aber dann bei minus 253 Grad Celsius in Tanks speichern", erläutert Hübner.

Demzufolge benötige es Systeme, welche den Wasserstoff herunterkühlen. "Airbus ist dabei bereits an der Erforschung von neuen Technologien rund um den Wasserstofftank beteiligt", blickt Hübner nach vorn..

Wissen, was die Industrie bewegt!

Newsletter-Produktion

Alles zu Industrie 4.0, Smart Manufacturing und die ganze Welt der Technik.

Newsletter gratis bestellen!

Art des Recycling nach dem End-of-Life von Flugzeugen wichtig

Auch das End-of-Life von Flugzeugen kann laut Hübner noch einen großen Effekt auf den CO2-Fußabdruck des Fliegens selbst haben. Doch da stelle sich die Frage, welche Unternehmen sich für das Recycling sowie für die anfallenden CO2-Emissionen überhaupt verantwortlich zeigen . Dazu betont Hübner, dass „gerade aus der Technologieseite zirkulär gedacht werden muss, denn das ist mehr als Recycling. Dafür müssen sowohl Bauteile als auch Materialien direkt für Recycling ausgelegt sein, um die aktuellen Recyclingquoten zu erhöhen."

Die Herausforderung dabei sei wiederum die aktuelle Recyclingquote, die ja nicht von den neuesten Flugzeugen komme. Denn sie komme von Flugzeugen, die hauptsächlich aus Metallen bestehen und die letzten 30 Jahre geflogen seien. "Diese Flugzeuge kann man jetzt zerlegen und die Metalle sowie viele andere Teile lassen sich hervorragend recyceln. Aber diese Flugzeuge repräsentieren nicht den aktuell besten Materialmix zum effizienten Fliegen, welcher wie erläutert aus Verbundwerkstoffen besteht", so Hübner.

Diese 'latest generation aircrafts', die aus CFK Strukturbauteilen hergestellt werden, ließen sich bisher nur mit großem Aufwand recyclen. "Das sind auch Fragestellungen, die uns aktuell beschäftigen", schränkt Hübner ein. Von daher müsse das Design der Bauteilen komplett neu gedacht werden.

Viele Stellschrauben, um die Luftfahrt zu dekarbonisieren

Es gebe somit keinen Einzelweg, um die Luftfahrt zu dekarbonisieren, denn es gebe immer viele Stellschrauben. "Über den Zeithorizont sehen wir sowohl kurz- als auch mittelfristig die Sustainable Aviation Fuels in Verbindung mit effizient hergestellten leichten Verbundwerkstoffen, die es braucht, um die Luftfahrt zu dekarbonisieren. Dazu kommt grüner Strom zur Produktion von Flugzeugen und deren Abfertigung am Flughafen", beschreibt Hübner. Neuartige, disruptive Technologien wie der Einsatz von Wasserstoff als Antriebstechnologien bieten eine Möglichkeit den CO2-Ausstoß der Luftfahrtindustrie langfristig deutlich zu reduzieren.

Dietmar Poll, Redakteur mi connect
(Bild: mi connect)

Der Autor Dietmar Poll ist Redakteur bei mi-connect und fokussiert sich auf Themen rund um die klimaneutrale Industrie. Nach einem Geographiestudium (ja, er wollte die Welt retten) und mehrjähriger Arbeit als wissenschaftlicher Angestellter wechselte er in den Fachjournalismus, arbeitete in verschiedenen Verlagen und betreute dort unterschiedlichste Ressorts. Spannend findet er, bei der Recherche die Geschichte hinter der Geschichte zu entdecken. Privat erwischt man in häufig auf seinem Mountainbike durch die Berge rumpeln.

Sie möchten gerne weiterlesen?