Roboter dürfen nur dann als sogenannte Cobots ohne Schutzzaun mit Menschen zusammenarbeiten, wenn sie den Menschen dabei nicht gefährden. Aus diesem Grund kommen in vielen Cobot-Applikationen zum einen Leichtbauroboter zum Einsatz. Zum anderen wird die Roboter-Geschwindigkeit dauerhaft gedrosselt.
Wirtschaftlicher ist es jedoch, wenn der Roboter schnell arbeitet, solange kein Mensch in der Nähe ist, und nur langsamer fährt, wenn sich ein Mensch nähert. Das funktioniert über Sensoren. In bestimmten Applikationen sind außerdem höhere Traglasten gefordert, die nur konventionelle Industrieroboter bieten können. Eine Traumvorstellung vieler Forscher ist es, dass sich mithilfe von Sensoren jeder Roboter für die Mensch-Roboter-Kollaboration (MRK) eignet.
Wie es auch ohne Schutzzaun zu keiner Kollision kommt
Für Albrecht Hoene, Director Human Robot Collaboration in der Forschung und Entwicklung von Kuka, bedarf es im Wesentlichen zwei Komponenten, damit es zwischen Mensch und Roboter auch ohne Schutzzaun zu keiner Kollision kommt: „Es braucht einen sicheren Sensor, wie zum Beispiel einen Laserscanner, eine Kamera oder einen Radar, der den Zutritt des Menschen in den Arbeitsraum des Roboters erfasst, und es braucht eine sichere Steuerung, die den Roboter in einen ungefährlichen Zustand bringt.“
Dies müsse aber nicht zwangsläufig der komplette Stillstand sein. Der Sensor erfasst dabei die Position des Menschen und die Sicherheitssteuerung stellt zum Beispiel durch Herabsetzen der Geschwindigkeit sicher, dass der Roboter immer rechtzeitig bremsen kann, bevor ihn der Mensch erreicht, fügt Hoene hinzu.
So kommt es zwischen Mensch und Roboter auch ohne Schutzzaun nicht zur Kollision
"Es braucht einen sicheren Sensor, wie zum Beispiel einen Laserscanner, eine Kamera oder einen Radar, der den Zutritt des Menschen in den Arbeitsraum des Roboters erfasst, und es braucht eine sichere Steuerung, die den Roboter in einen ungefährlichen Zustand bringt." - Albrecht Hoene, Director Human Robot Collaboration in der F&E von Kuka
Wo Cobots schon in der Serienfertigung zum Einsatz kommen
Bei Audi arbeiten auch heute schon Cobots in der Serienfertigung mit Menschen zusammen. Wie Thomas Schraml, Fachexperte für MRK in der Abteilung Technologieentwicklung Fertigungsassistenzsysteme, berichtet, gibt es grundsätzlich Roboteranwendungen, bei denen der Mensch nicht generell vor einer Kollision geschützt werden muss.
„Hierbei sind das gesamte Arbeitsumfeld und ein sensitiver Roboter nach strengen normativen Vorgaben – sprich der ISO/TS 15066 – so ausgelegt, dass lediglich Kontakte mit kleinen Belastungen unterhalb der Schmerzeintrittsschwelle auftreten können und Verletzungen praktisch ausgeschlossen sind“, erklärt der Cobot-Experte.
Um Kollisionen gänzlich auszuschließen, kommen bei Audi zum Beispiel Sicherheits-Laserscanner und -Lichtgitter zum Einsatz. „Derartige koexistierende Robotersysteme sind oft weniger aufwendig in der Sicherheitsabnahme und deutlich leistungsfähiger hinsichtlich Geschwindigkeit, Traglasten und Teilespektrum“, verrät Schraml. Mensch und Roboter könnten aufgrund der dabei erforderlichen Sicherheitsabstände dann aber nicht so nahe zusammenarbeiten.
So sollen Sensoren Roboter in der Praxis absichern
"Montiert man einen Radarsensor am Roboter, sind mögliche Gefahrensituationen vorab erkennbar." - Thomas Schraml, Fachexperte für Mensch-Roboter-Kollaboration bei Audi
Wie man kollaborierende Roboter mit Radartechnik absichert
Um das zu ändern, beteiligt sich der Autobauer am vom BMBF geförderten Forschungsprojekt Rokora. Ein Konsortium unter der Leitung des Fraunhofer IAF untersucht in dem Projekt, ob und wie man kollaborierende Roboter in Zukunft mit Radartechnik absichern kann.
„Durch eine dynamische, raumüberwachende Radar-Sensorik in sicherer Technik könnten Menschen zukünftig sehr nahe mit sehr großen und leistungsstarken Robotern zusammenarbeiten – ohne dass es zu einer Kollision kommt“, erläutert Schraml von Audi.
Die Bewegungsgeschwindigkeiten dieser Roboter könnten sich dabei kontinuierlich auf das Bewegungsverhalten des Menschen anpassen. Im industriellen Umfeld einer Automobilfertigung ergeben sich dabei laut Schraml zusätzliche Potenziale für Ergonomie, Produktivität und Flexibilität. „Wir gehen davon aus, dass sich durch die angestrebte neue Sicherheitssensorik, an der im Rahmen dieses Projektes geforscht wird, auch neue Möglichkeiten für Service-Robotik und im Bereich der Pflege ergeben“, verrät der MRK-Experte.
Welche Vorteile die Radartechnik hat
Wie Christian Zech, Wissenschaftler am Fraunhofer IAF, mitteilt, hat sich in der Radartechnologie in den vergangenen Jahren viel getan. „Radare sind heute winzig klein und unsere Sensoren können im Nahbereich sehr genau messen“, sagt der Forscher. Radar sei außerdem komplett unabhängig von externer Beleuchtung und lasse sich daher zum Beispiel auch nicht von Sonnenlicht stören. Vielmehr bringe Radar seine eigene Beleuchtung mit. „Das heißt, wir scannen die Szenerie ab, indem wir sie aktiv mit der Frequenz beleuchten, bei der wir messen“, erläutert Zech.
Das werde dann vom Objekt reflektiert und über die Reflexion werde der Abstand zum Beispiel zwischen einem Mensch und einem Roboter gemessen. Radar bringt laut Zech außerdem den Vorteil mit, dass man zum Beispiel durch Rauch, Staub und Nebel, aber auch durch dielektrische Objekte, durchschauen kann.
„Mit Radar als Absicherung kann der Roboter sich einfach noch länger schneller bewegen als bei einer Absicherung mit taktilen oder kapazitiven Sensoren, die nur im absoluten Nahbereich funktionieren“, fasst Zech zusammen. Und das sei gerade für die Absicherung großer Industrieroboter wichtig.
Darum lohnt sich Radar als Absicherung von Robotern
"Mit Radar als Absicherung kann der Roboter sich einfach noch länger schneller bewegen." - Christian Zech, Wissenschaftler am Fraunhofer IAF
Wo die Radarsensoren beschäftigt werden
Generell misst das Radar 360 Grad um den Roboter die Abstände von Objekten und bekommt zu jedem Objekt die Radialgeschwindigkeit, also die Geschwindigkeit des Objektes in Richtung des Radars, mitgeliefert. Das teilt Zech mit. „Man erkennt so auch, ob sich ein Ziel vom Roboter wegbewegt – und somit unkritisch ist – oder zum Roboter hinbewegt“, erläutert der Radar-Experte.
Dadurch könne man auch vorhersagen, wann ein Ziel in den Schutzbereich des Roboters eintreten wird. Ziel ist es laut Zech, dass sich der Roboter so lange wie möglich mit der maximal möglichen Geschwindigkeit bewegt, aber stets sicher anhalten kann, falls sich das Ziel weiter nähern sollte.
Da die Sicherheit des Menschen oberste Priorität hat, muss dieses System jederzeit und unter allen Umständen immer zuverlässig funktionieren. Das teilt Audi mit. „Deshalb sind schon ab den ersten Auslegungen sehr komplexe technische Sicherheitsstandards bei allen Komponenten und allen Partnern zu berücksichtigen“, erklärt Schraml. Ein Einsatz im industriellen Produktionsumfeld wäre sonst nicht möglich. Die Funktion allein ist dabei laut Schraml nicht ausreichend, es muss sicher funktionieren.
Die Radarsensoren sollen im Laufe des Projekts am Handgelenk des Roboters befestigt werden. „Momentan bauen wir einen Ring mit sechzehn Radarmodulen, der am Roboterhandgelenk befestigt wird“, berichtet Zech vom Fraunhofer IAF. Acht der Sensoren ermöglichen dabei den Rundumblick, die anderen acht Sensoren sorgen für die Dedundanz, teilt Zech mit.
Wie Sensoren in der Roboterhaut vor Kollisionen schützen
"Die Sensoren in der Roboterhaut stellen eine taktile Berührung zwischen Mensch und Roboter fest." - Hansjürgen Horter, Senior VP Technology & Development Pilz
Wie man Cobots noch absichern kann
Doch es gibt auch andere Möglichkeiten, einen kollaborierenden Roboter mit Sensoren abzusichern. Pilz bietet zum Beispiel die dynamischen Schaltmatten PSENmat. Die Sicherheitstrittmatte erkennt, wenn sich Personen auf ihr befinden, erfasst deren Position zuverlässig und gibt die Positionsdaten an die sichere Steuerung weiter. Sie eignen sich laut Hersteller vor allem dann, wenn zum Beispiel die optischen Systeme aufgrund von prozessualen Randbedingungen wie Staub, Rauch, Nebel oder Dampf Verfügbarkeitsprobleme haben.
Pilz bietet aber auch kamerabasierte Verfahren. Diese sind in der Lage, Schutzfelder und -räume mehrdimensional sicher zu überwachen, wie es zum Beispiel das 3D-Kamerasystem SafetyEYE für die sichere Raumüberwachung leistet. Solche Sensorsysteme eröffnen laut Pilz durch ihr 3D-Funktionsprinzip neue Möglichkeiten in der Applikationsgestaltung. Zudem lassen sich Schutzraum-Anordnungen bei jedem Prozessschritt erneut anpassen. Pilz entwickelt derzeit aber auch eine sensorische Haut für Roboter (siehe Kasten links, Nr. 2), die mit taktilen Sensoren ausgestattet ist.
Welche Vorteile Nahfeldsensoren haben
Auch Systemintegrator MRK-Systeme arbeitet an der Markteinführung einer Roboterhaut mit kapazitiven Sensoren (siehe Kasten links, Nr. 1). „Neben der Flexibilität in Bezug auf den abzusichernden Robotertyp liegt der große Vorteil von Nahfeldsenoren darin, dass keine Kraft- und Druckmessungen mehr durchgeführt werden müssen, wie dies etwa bei herkömmlichen Leichtbaurobotern der Fall ist, die über das Kriterium der Leistungs- und Kraftbegrenzung (TS 15066) abgesichert werden“, erläutert Peter Heiligensetzer, CEO von MRK-Systeme.
Das Sensorgrundprinzip ist aus seiner Sicht sehr gut dazu geeignet die Roboterbasis-Struktur abzusichern. Aber auch das Roboterwerkzeug lässt sich mit der Technik absichern. „Um auch eine Absicherung des Werkzeugs zu ermöglichen, welches sich in der Regel auch an die Peripherieeinrichtungen annähert, wird eine Referenzfahrt durchgeführt, in der die elektromagnetischen Umgebungsbedingungen aufgezeichnet werden“, beschreibt Heiligensetzer.
Ausgewertet werde dann im Werkzeugbereich nur die Änderung des kapazitiven Sensorsignals zum Referenzfahrtwert. Vorläufer des Systems verrichten bereits im Industrieeinsatz ihren Dienst.
Automatisierungsquote: Wo arbeiten die meisten Roboter?
Global betrachtet arbeiten im Schnitt 74 Roboter pro 10.000 Mitarbeiter in der Fertigungsindustrie. Das gab die International Federation of Robotics (IFR) in der jüngsten Statistik bekannt. Klicken Sie sich durch und sehen Sie, wie die Roboterdichte laut IFR weltweit verteilt ist.