Platooning, Autonomes Fahren

Der Zusammenschluss mehrerer LKW zu einem Platoon soll bis zu 15 Prozent Treibstoffkosten sparen. Ist das Fahren später vollständig automatisiert, können sich die Fahrer auch anderen Aufgaben zuwenden. - (Bild: Continental)

Die Zusammenarbeit zwischen Continental und Knorr Bremse umfasst zunächst das automatisierte Kolonnenfahren beziehungsweise Platooning. Unter Platooning ist zu verstehen, dass bei einem LKW-Konvoi im ersten LKW ein Fahrer sitzt, der steuert. In den nachfolgenden LKW sitzen auch noch Fahrer – für den Fall, dass die Gruppe aufgelöst wird und wieder individuell gefahren wird. „Im Platooning-Fall werden die LKW gesteuert – bei einem Mindestabstand von 15 Metern, wenn es denn per Gesetz so festgeschrieben wird. Lateral und Longitudinal wird der gesamte Platoon automatisiert gefahren“, erläutert Michael Ruf, Leiter der Business Unit Commercial Vehicles und Aftermarket bei Continental.

Zunächst keine künstliche Intelligenz auf dem Fahrersitz

Zunächst seien also überall noch Fahrer an Bord. „Worauf wir abheben ist, dass wir über Multi Brand Platoons reden, also LKW-Platoons von verschiedenen Herstellern“, unterstreicht Ruf. Denn es sei ja realitätsfremd zu sagen, dass es nur Platoons von einem LKW-Hersteller geben werde. Das würde die Anzahl der möglichen Platoons enorm reduzieren. „Für uns macht es wirtschaftlich auch nur Sinn, herstellerübergreifend zu arbeiten, damit sich der Invest überhaupt wieder amortisieren kann“, beschreibt Ruf.

Supply Chain Management

Interessant ist zudem der Aspekt, dass Continental die Möglichkeit eines zusätzlichen Geschäftsmodells sieht. „Denkbar ist, dass wir über die automatisierten Fahrfunktionen hinaus als Platooning Service Provider auftreten. Die Aufgabe ist, dann dafür zu sorgen, dass ein Platoon zusammengestellt wird. Das funktioniert über eine Anmeldung mit der Angabe der Fahrtstrecke und der Frage nach einem Platoon in diesem Streckenbereich. Das Einklinken wird dann von uns organisiert“, beschreibt Ruf. Hinzu komme, dass die hinteren Fahrzeuge bis zu 15 % Treibstoff sparten, aber der erste nur drei bis vier Prozent. In einem Platoon werde es dann so geregelt, dass der vordere LKW elektronisch von den Nachfolgenden anteilig entlohnt werde.

Platooning, Autonomes Fahren
Platooning soll künftig herstellerübergreifend möglich sein, da Platoons lediglich eines Herstellers realitätsfremd sind. - (Bild: Continental)

LKW wird eingebremst

Zudem gilt es auch Faktoren zu berücksichtigen, die großen Einfluss auf die Fahreigenschaften haben so wie beispielsweise die Kombination aus Zugfahrzeug und Anhänger, die Fahrzeuglänge oder die Achsenanzahl. Dafür ist Knorr Bremse zuständig, seitens des Unternehmens heißt es: „Beim Platooning müssen alle Fahrzeuge im Verbund sicher und stabil auf der Straße gehalten werden, bei Fahrzeugen mit Knorr Bremse Bremssystem übernimmt das der Truck Motion Controller. Eine Kombinationsvielfalt unter den Fahrzeugen wirkt sich im Platooning verstärkt aus. Die Fahreigenschaften der unterschiedlichen Fahrzeuge müssen sauber aufeinander abgestimmt sein, damit die sichere Fahrt im Verbund möglich ist. Konkret geht es zum Beispiel um Themen wie Brems- und Beschleunigungsvermögen oder die aus der Beladung resultierenden Fahrdynamikeigenschaften.

Platooning, Autonomes Fahren
"Denkbar ist, dass wir über die automatisierten Fahrfunktionen hinaus als Platooning Service Provider auftreten", sagt
Michael Ruf, Leiter der Business Unit Commercial Vehicles und Aftermarket. - (Bild: Continental)

Mehr KI ab Level 4

In der weiteren Entwicklung folgt das automatisierte Fahren auf der Autobahn, Continental spricht vom ‚Highway Pilot‘. Dazu erläutert Ruf: „Der Highway Pilot ist für die Entwicklungsstufe ‚Level 4‘ angedacht. Level 4 bedeutet, dass das Fahrzeug in definierten Anwendungsfällen alleine fährt und sich selbst in einen sicheren Zustand bringen kann, wenn es nötig sein sollte.“

Vernetztes Fahren

Doch wie genau funktioniert die technische Umsetzung der Aktuatorik des Lenk- und Bremssystems für den Einsatz im Platooning? „Der geringe Abstand zwischen den Nutzfahrzeugen bedingt extrem kurze Reaktionszeiten, das System muss die Steuerung des Fahrzeugs übernehmen. Das gelingt, indem das Fahrzeug automatisch lenkt, angepasst an Straßenverlauf und Richtung des Vorderfahrzeugs, und automatisch bremst und beschleunigt.

Diese Handlungen erfolgen bereits bei der Auslösung einer Lenk- oder Verzögerungsreaktion am vorderen Fahrzeug, und nicht erst, wenn diese erkennbar ist. Dazu überträgt das vordere Fahrzeug seine Signale direkt nach hinten zu den folgenden Platooning-Fahrzeugen“ heißt es seitens Knorr Bremse.

Gezieltes Einbremsen beim LKW-Platooning

Das funktioniere, weil es beim LKW aufgrund des positiven Lenkrollradius möglich sei, durch gezieltes Einbremsen auf einer Seite ein Lenkmoment aufzubauen und dadurch sehr effizient mit der Bremse zu lenken. Die sichere Ansteuerung der Bremsen erfolge dabei durch den Knorr-Bremse Truck Motion Controller in der neuen Bremssystemsteuerung GSBC.

LKW-Fahrer wird noch benötigt

Dennoch werde ein Fahrer benötigt, der für bestimmte Anwendungsfälle übernehmen kann, wenn dies erforderlich oder vorteilhaft sei. Der große Vorteil, der sich hier ergebe, sei eine Entlastung des Fahrers – und zwar in zweierlei Hinsicht. „Einerseits wird dadurch die Sicherheit erhöht, sodass weniger Verkehrsunfälle durch automatisiertes Fahren passieren. Andererseits – wenn wir annehmen, dass der Fahrer sechs Stunden automatisiert fährt, dann hoffen wir, dass in der Tachographengesetzgebung diese Zeit nicht komplett als Fahrzeit angerechnet wird.

Was ist Platooning?

Unter Platooning versteht man ein Fahrzeug-System für den Straßenverkehr, bei dem mindestens zwei LKW auf der Autobahn mithilfe von technischen Fahrassistenz- und Steuersystemen in geringem Abstand hintereinander fahren können. Alle im Platoon fahrenden Fahrzeuge sind durch eine sogenannte elektronische Deichsel mittels einer Car-to-Car-Kommunikation miteinander verbunden. Das führende Fahrzeug gibt die Geschwindigkeit und die Richtung vor. Dabei gewährleistet die elektronische Kopplung der Fahrzeuge im Platoon die Verkehrssicherheit. Ein wesentliches Ziel von Platooning ist es, durch Windschattenfahren eine Kraftstoff-Einsparung für den gesamten Platoon zu erreichen. MAN und DB Schenker führen Platooning-Tests bereits auf der A9 durch. Bei MAN bezieht sich das im Gegensatz zu Continental/Knorr Bremse lediglich auf die eigenen Fahrzeuge.

Großer Gewinn für die Logistik durch KI

Das wäre natürlich ein immenser Anreiz für alle Unternehmen, die solche Systeme entwickeln und nutzen“, zeigt Ruf auf. Denn so könne der Fahrer in dieser Zeit beispielsweise Aufgaben erledigen, die er sonst erst nach Abschluss der Fahrt machen müsse. Die Flotte habe dadurch den Vorteil, dass die Uptime höher wäre, weil sich die Ruhezeiten entsprechend reduzierten.

Sensoren sind noch zu testen

Auf der Ebene der Umfelderkennung liefert Continental die unterschiedlichen Radar- und Lidar-Sensoren, Kameras und die Konnektivitätstechnologien für die Fahrzeug-zu-Fahrzeug (V2V)- und Fahrzeug-zu-Infrastruktur-Kommunikation (V2X). „Die Kommunikation zwischen Fahrzeug und Back­end ist sehr wichtig für einen Truck. So können sowohl Fahrzeugdaten an ein Backend hochgeladen werden sowie Informationen vom Backend an das Fahrzeug übertragen werden“, sagt Ruf.

Kommunikation von LKW zu LKW

Eine sinnvolle Anwendung, die hierdurch ermöglicht werde und die das automatisierte Fahren unterstütze, sei der dynamische eHorizon. „Er kann über die Sichtweite der Sensoren von etwa 250 Metern nach vorne schauen und den Fahrer zum Beispiel über die Verkehrssituation sowie den Straßenzustand via Backend informieren. Dann gibt es die Kommunikation aus dem Fahrzeug zu anderen Fahrzeugen. Diese kann entweder als DSRC basierend auf IEEE 802.11p oder zu einem späteren Zeitpunkt mit dem 5G-Standard geschehen“, erklärt Ruf.

Intelligenz in der Logistik

Continental geht davon aus, dass in der Einführung DSRC die Mehrheit der Kommunikationswege ausmacht. „Aber der 5G-Standard ist so spezifiziert, dass die wichtige Latenzzeit geringer als die Anforderung im Platooning ist und damit auch die Möglichkeit bietet, 5G dafür zu verwenden. Wir unterstützen beide Wege – wie sie sich entwickeln, werden wir sehen“, stellt Ruf dar.

Kommunikation Fahrer zu Fahrzeug

Beim automatisierten Fahren dürfe zudem nicht außer Acht gelassen werden, „wie wir dem Fahrer signalisieren können, dass er wieder übernehmen muss“, so Ruf. Dabei gehe es um die Kommunikation Fahrzeug zu Fahrer beziehungsweise die Mensch-Maschine-Interaktion. Entweder weil die Straße kein automatisiertes Fahren zulasse oder weil ein Notfall oder eine Störung auftrete. „Da haben wir diverse Möglichkeiten, den Fahrer darauf aufmerksam zu machen – angefangen mit einem Ton. Es könnte auch eine rot-grün-gelbe Beleuchtung des Innenraums sein, womit relativ simpel signalisiert wird, dass der Fahrer demnächst eingreifen muss“, ergänzt Ruf. Der Fahrer solle sozusagen aus den Augenwinkeln sehen können, ob er sich anderen Themen widmen könne.

Distribution wird vereinfacht

Letztlich sei auch eine gewisse Straßenbeschaffenheit notwendig, um automatisiertes Fahren überhaupt zu ermöglichen. Zunächst werde das automatisierte Fahren in den einfachsten Umgebungen starten. So wie bereits auf abgeschlossenen Betriebsgeländen geschehen. „Relativ einfach ist für LKW da zunächst die Autobahn, da es dort keinen Gegenverkehr und es für LKW relativ wenige Überholvorgänge gibt. Auch die Signalisierung – also die Markierung – der Fahrbahn ist relativ gut.

Gemeinsames LKW-Platoonig verschiedener Hersteller

Dort sehen wir einen der ersten Anwendungsfälle für das automatisierte Fahren“, stellt Ruf dar. Prinzipiell komme beim automatisierten Fahren immer eine hochgenaue Karte zum Einsatz, und zwar nicht zum Navigieren, sondern um sich selber auf der Fahrbahn zu positionieren. „Diese hochgenaue Karte enthält im Normalfall die entsprechende Information, damit man selbst bei sehr schlechten Sichtverhältnissen in der Mitte der Fahrspur fährt, darüber hinaus auch Informationen über Anzahl der Fahrspuren und Abbiegespuren. Diese hochgenaue Karte muss natürlich erst einmal verfügbar und getestet sein. Letztlich ist dann auch ein Fahren in der Stadt mit Abbiegespuren möglich“, wagt Ruf schon einen Blick in die Zukunft.

Künstliche Intelligenz benötigt Gesetzesfreigabe

Last but not least müssen aber noch die gesetzlichen Rahmenbedingungen für autonomes Fahren in der EU geschaffen werden. „Versicherungstechnisch müssen noch einige Dinge geklärt werden, wer eigentlich die Haftung übernimmt für den Fall, dass etwas passiert. Wenn wir ehrlich sind, gibt es keine hundertprozentige Sicherheit, das haben wir ja bereits in den USA gesehen.“ Dann stelle sich nämlich die Frage, ob der Hersteller verantwortlich sei, der Fahrzeuglenker, der ja immer noch im Fahrzeug sitzt, oder der Software-Lieferant. „Wenn das geklärt ist, muss noch eine offizielle Freigabe erfolgen. Wir von Continental gehen fest von dieser Freigabe aus“, bekräftigt Ruf.

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