Weniger Ballast, mehr Ertrag: Wie Product Mining Produktivität steigert und Kosten senkt

Weniger Ballast, mehr Ertrag: Product Mining soll Unternehmen dabei helfen, ihre Produktivität zu steigern und Kosten zu senken. (Bild: Suriya - stock.adobe.com)

Was verstehen Sie unter Product Mining?

Ephraim Triemer: Product Mining ist zunächst einmal ein strategisch-analytisches Konzept, das das Produkt mit all seinen oftmals weitreichenden Wechselwirkungen in der Wertschöpfungskette eines Unternehmens in den Mittelpunkt rückt. Lieferanten- und Kundenbeziehungen, Bestände, Werke, Komponenten – sie alle haben Einfluss auf die Abhängigkeiten von Produkten innerhalb des Portfolios und können immens komplex werden.

Wer jetzt an Deckungsbeitragsrechnungen oder klassische Portfolioanalysen als valide und wertvolle Indikation denkt, um diese Beziehungen aufzudecken, greift zu kurz. Solche Methoden liefern zwar erste Anhaltspunkte, bleiben aber oberflächlich – vor allem, wenn es darum geht, komplexe Abhängigkeiten und echte Werttreiber im Portfolio aufzudecken – also, die wirkliche Komplexität im Unternehmen zu verstehen.

Erst durch die Vernetzung aller relevanten Datenquellen entsteht ein vollständiges Bild. Und nur auf dieser Basis lassen sich strategische Entscheidungen datenbasiert, fundiert und zukunftsorientiert treffen.

Ephraim Triemer
(Bild: Soley)

Ephraim Triemer unterstützt die Soley GmbH seit 2022 als Shareholder und CPO.

 

Sein Schwerpunkt liegt auf der Entwicklung produktzentrischer Lösungen basierend auf einem digitalen Zwilling, die Unternehmen dabei unterstützen, fundierte Entscheidungen zu treffen, ihre Handlungsfähigkeit zu verbessern und operative Maßnahmen gezielt umzusetzen.

Welche Technologien werden beim Product Mining eingesetzt, um das Produktportfolio zu analysieren und zu optimieren?

Triemer: Um Product Mining letztlich im eigenen Unternehmen anzuwenden, kommt Technologie ins Spiel. Bei Soley nutzt unsere Softwarelösung beispielsweise eine Kombination aus Data Analytics, Graphen-Technologie, KI-gestützten Scoring-Modellen und domänenspezifischer Logik. Die Technologien analysieren große, heterogene Datenmengen aus ERP-, PLM/PDM-, CRM- und SCM-Systemen und setzen sie in Beziehung.

Ein zentrales Element ist dabei der Graphen-basierte digitale Zwilling von Produktbeziehungen – also die visuelle und rechnerische Abbildung von Abhängigkeiten zwischen Produkten, Kunden, Werken, Lieferanten und Komponenten. Darüber hinaus kommen Machine-Learning-Algorithmen zum Einsatz, etwa zur Prognose von Bestandsrisiken oder zur Priorisierung von Maßnahmen im Hinblick auf EBIT-Wirkung und Liefertreue.

Besonders wertvoll: In die Logik und Software sind bereits umfangreiche Projekterfahrung und tiefes Domänenwissen eingeflossen. Dadurch erkennt das System nicht nur Redundanzen, Variantenvielfalt oder Margenfresser – sondern zeigt auch gezielt Handlungsspielräume auf und unterstützt Unternehmen, diese fokussiert in konkrete Maßnahmen zu überführen.

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

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Welche konkreten Schritte sind notwendig, um Product Mining in einem Unternehmen zu implementieren?

Triemer: Die Einführung von Product Mining erfolgt in mehreren, klar strukturierten Schritten:

  • Schritt 1 umfasst die Datenkonsolidierung und -vorbereitung. Unternehmensinterne Datenquellen, zum Beispiel ERP, PDM oder CRM, werden harmonisiert und in ein einheitliches Datenmodell überführt.
  • Bei der Entstehung des End-to-end-digitalen-Zwillings handelt es sich um den zweiten Schritt. Hierbei wird ein Abhängigkeitsnetz erstellt, das die Beziehungen zwischen Produkten, Kunden, Lieferanten, Komponenten etc. visualisiert und analysierbar macht.
  • Im Rahmen des Scorings und der Segmentierung wird jedes Produkt nach ökonomischen, ökologischen und strategischen Kriterien bewertet – beispielsweise in Bezug auf Deckungsbeitrag, Komplexitätskosten, Product Carbon Footprint, strategischen Wert – und in Cluster eingeordnet.
  • Automatisierte Analysen zeigen im Rahmen der Identifikation von Handlungsfeldern auf, wo Maßnahmen besonders wirksam sind. Denkbar ist allen voran die Reduktion von Varianten, die Verschlankung des Sortiments und die Fokussierung auf Kernprodukte – die sich oft ebenso erst herausstellen.
  • Im fünften Schritt geht es an die Maßnahmenumsetzung. Product-Mining-Tools wie die Lösung von Soley unterstützen funktionsübergreifend Teams wie Produktmanagement, Einkauf, Vertrieb und Supply Chain Management bei der operativen Umsetzung – mit Aufgabenmanagement, Business Cases und integriertem Fortschrittstracking. Auch die Abstimmungsrunden laufen auf gleicher Datenbasis wesentlich effizienter ab.
  • Am Schluss steht die kontinuierliche Optimierung durch stetiges Monitoring. Denn die Produktportfoliobereinigung sollte weitaus öfter auf der Tagesordnung stehen als bislang üblich. Wichtig ist also eine Verankerung eines kontinuierlichen Product-Mining-Zyklus als fester Teil der strategischen Portfoliosteuerung.

Vincenzo Monaco (Rockwell Automation) über digitale Zwillinge

Welche Herausforderungen können bei der Einführung von Product Mining auftreten und wie können diese überwunden werden?

Triemer: Die Einführung von Product Mining kann bei fehlender Expertise an mehreren Stellen ins Stocken geraten – vor allem bei der Datenqualität, im Change-Management und bei der technologischen Integration. Häufig sind produktbezogene Daten uneinheitlich und schwer zugänglich, was belastbare Analysen erschwert. Moderne standardisierte Implementierungsprozesse ermöglichen jedoch eine schnelle und saubere Datenintegration. Darüber hinaus schaffen Data Cleansing – also Abläufe, die Datenbestände bereinigen – und automatisierte Schnittstellen Abhilfe.

Gleichzeitig stoßen Maßnahmen wie die Auslistung von Produkten oft auf interne Widerstände. Umso wichtiger sind transparente Kommunikation, bereichsübergreifende Zusammenarbeit und wirtschaftlich nachvollziehbare Business Cases. Damit Teams neue Tools als Unterstützung wahrnehmen, müssen sie sich nahtlos in bestehende Systeme wie SAP integrieren lassen.

Gibt es Beispiele von Unternehmen, die durch Product Mining signifikante Wettbewerbsvorteile erzielt haben?

Triemer: Ob Viessmann Climate Solutions, Hansgrohe, EBM-Papst oder Binder – zahlreiche Industrieunternehmen setzen heute auf Product Mining, um gezielt Kosten zu senken und ihre Wettbewerbsfähigkeit zu stärken. Besonders im Maschinen- und Anlagenbau, in der Automobilzulieferindustrie oder der Elektrotechnik, aber auch im Bereich des Großhandels, wo über Jahre gewachsene Komplexität zu hohen Variantenkosten geführt hat, entfaltet das Konzept seine Wirkung.

Denn Product Mining schafft die notwendige Transparenz, um wirtschaftlich unrentable Produkte aufzudecken, Redundanzen zu beseitigen und das Portfolio konsequent auf Ertrag auszurichten.

Ein Beispiel: Ein international tätiger Hersteller von Heiztechnikprodukten mit einem Jahresumsatz im Milliardenbereich konnte mithilfe von Product Mining zunächst 2.000 aktive Produkte KPI-basiert identifizieren – das entsprach rund 66 Prozent des Gesamtportfolios. Im nächsten Schritt wurden 1.500 dieser Produkte zur Bewertung in das Entscheidungsgremium eingebracht. Schließlich konnte das Team 800 Produkte einstimmig aus dem Sortiment nehmen, weitere 500 bauten sie in enger Abstimmung mit dem Vertrieb gezielt ab. Die Folge: siebenstellige jährliche Einsparungen realisiert in wenigen Monaten.

Die Erfahrungen aus der praktischen Arbeit mit unseren Kunden verdeutlichen es: Product Mining ist ein Hebel zur Kostensenkung – und eine tragfähige Strategie für nachhaltige Ertragssteigerung.

Wie kann Product Mining dazu beitragen, neue Wachstumsfelder für ein Unternehmen zu identifizieren und zu erschließen?

Triemer: Ein zentrales Ziel von Product Mining ist es nicht nur, bestehende Produkte effizienter zu gestalten und unnötige Komplexität zu reduzieren, sondern auch systematisch aufzuzeigen, wo Innovationen möglich und notwendig sind. Indem Produktportfolios datenbasiert analysiert und in ihrer Gesamtheit sichtbar gemacht werden, entstehen neue Perspektiven auf Marktpotenziale und Kundenbedürfnisse. So lassen sich strategische Lücken im Angebot aufdecken, die durch gezielte Neuentwicklungen oder Redesign geschlossen werden können.

Darüber hinaus erschließt die Reduktion von Portfolioballast wertvolle Ressourcen: personell, finanziell und in der Produktion. Diese freigewordene Kapazität können Verantwortliche gezielt in die Entwicklung zukunftsfähiger Produkte investieren. Durch die Simulation alternativer Portfolioszenarien liefert Product Mining zudem strategische Entscheidungsgrundlagen – sei es zur Erschließung neuer Märkte, zur Erweiterung bestehender Produktlinien oder zur Diversifikation angrenzender Geschäftsfelder.

So wird Product Mining zum Werkzeug, um effizienter zu wirtschaften ebenso wie gezielt Wachstumschancen zu erschließen.

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