Der Maschinenbau wird immer digitaler und vernetzter.

Der Maschinenbau wird immer digitaler und vernetzter. (Bild: gopixa - stock.adobe.com)

Es heißt immer, es müssen die „richtigen Daten“ gesammelt werden. Was sind denn die richtigen Daten für Sie?

Markus Herrmann: Aus unserer Erfahrung sind "richtige Daten" kontextualisiert, vertrauenswürdig und sie stehen dem Nutzer in Echtzeit zur Verfügung. Denn nur dadurch werden wirkliche Nutzwerte geschaffen.

Das bedeutet für Produktionsunternehmen, dass man sich nicht nur auf das Sammeln von Daten konzentrieren sollte. Sondern, dass man sich auf einen Business Cases einigt und sich dazu mit allen verantwortlichen Beteiligten zusammensetzt und den Zweck der Datensammlung und -nutzung vereinbart.

Wir stellen oft fest, dass man zuerst mit einer Technologie beginnt, was durchaus in unserem Sinne als Technologieunternehmen sein könnte. Aber wir stellen auch fest, dass die gewünschten Ergebnisse ausbleiben, wenn nur die Technologie im Vordergrund steht und nicht der Anwendungsfall. Es ist insofern wichtig, dass im vornherein der erwartete Nutzwert und die Erwartungshaltung zwischen allen Beteiligten - also Fachabteilung, IT und Management - vereinbart und abgeglichen wurde. Das heißt, die Fragestellung muss immer sein: Welcher Business Case treibt eigentlich diese Datensammlung?

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

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Markus Herrmann ist Senior Manager Presales (Central & Eastern Europe) bei Aveva.
Markus Herrmann ist Senior Manager Presales (Central & Eastern Europe) bei Aveva. (Bild: Aveva)

Welche Herausforderungen sehen Sie denn bei der Sammlung und Nutzung von Daten und welche Fehler werden häufig gemacht?

Herrmann: Es muss immer die Frage gestellt werden, wer die Daten bereitstellt und wie. Gibt es dazu Sensoren – entweder echte Sensoren oder Softsensoren – aus der Produktion, die die Daten bereitstellen? Gibt es Daten aus anderen Systemen, die hineingemischt werden sollen?

Ich habe bereits von der Kontextualisierung gesprochen. Das bedeutet, dass man nicht nur Daten sammelt, sondern durch Kontextualisierung ein Datennetzwerk aufbaut. Und es muss eindeutig abgestimmt sein, welche Protokolle und Interfaces zu verwenden sind. Das sind die typischen IT-Fragestellungen.

Wichtig ist, dass man sich über eine Abstimmung zwischen den Beteiligten klar wird. Zu welchem Zweck möchte ich es? Und dann stellt sich die Frage: Was habe ich zur Verfügung? Daraus entstehen dann Diskussionen und aus diesen Diskussionen veränderte oder neue Prozesse.

Wenn das Unternehmen die Daten nun gesammelt hat: Wer sollte sie nutzen und auswerten? Und wie muss der Zugriff auf die Daten organisiert werden?

Herrmann: Ein ganz zentraler Punkt ist, dass man sich frühzeitig Gedanken macht, wer die Daten nutzt und wer sie auswertet. Wir stellen fest, dass Unternehmen besonders erfolgreich sind, wenn sie diese Daten wirklich nah an der Fachabteilung bereitstellen und nicht einen große organisatorische oder systemtechnische Zwischenschicht einziehen.

Jede zusätzliche organisatorische Rolle schafft Kommunikationsbedarf und Reibungspunkte. Je schlanker der Prozess für die Datenbereitstellung ist, desto größer ist der Nutzwert in der Regel.

Wir legen viel Wert darauf, dass es nicht nur um eine zentrale Plattform geht, sondern dass man, wo sinnvoll, Integrationen zwischen Plattformen schafft. Ein Klassiker ist, dass man die ERP-Welt mit den betriebswirtschaftlichen Daten der Unternehmen nicht zwangsweise auf die gleiche Plattform bringen muss wie die Produktionswelt. Aber die Daten müssen natürlich für Auswertungen, Analysen und Entscheidungsfindung zusammengeführt werden.

Dazu gibt es einerseits das Konzept, alles auf eine riesige Plattform zu bringen, oder man schafft technologisch eine Integration ohne redundante Daten. Das ist ein Grundpfeiler, den wir versuchen, mit unseren Kunden umzusetzen: So wenig Redundanz wie möglich zu schaffen. Denn wenn Daten repliziert werden, ist immer die Frage, wo der Master liegt, und damit stellt sich auch die Frage, ob ich den Daten vertrauen kann. Ich habe ja anfangs schon gesagt, nur vertrauenswürdige Daten sind richtige Daten.

Jessica Bethune (Schneider Electric) über digitale Transformation

Im Zusammenhang mit Datenprojekten ist Ihnen „Quick Time to Value“ besonders wichtig. Was steckt da dahinter?

Herrmann: "Quick Time to Value" heißt, dass wir mit und für unseren Kunden möglichst schnell einen Wert schaffen. Das muss nicht nur im Sinne eines messbaren ROI sein, der oft schwer zu errechnen ist. Ein Wert kann auch ein qualitativer Wert sein, der vielleicht nicht quantifiziert werden kann, gerade wenn es um Qualitätsthemen geht.

Und ab wann können Ihre Kunden dann die Daten nutzen?

Herrmann: Im Cloudumfeld sprechen wir von Wochen und nicht von Monaten, ab wann wir einen Wert für unsere Kunden schaffen.

Welche Rolle spielt das Datenmanagement und die OT/IT-Konvergenz bei der Nutzung von Daten in der Industrie?

Herrmann: Gerade die OT/IT-Konvergenz spielt eine große Rolle. In den operativen Systemen kommen immer mehr IT-Technologien zum Einsatz. Das bedeutet, dass sich die in der Vergangenheit organisatorisch und systemtechnisch getrennten Fachabteilungen – IT und das operative Produktionsmanagement – viel enger verzahnen müssen und man wechselseitig verstehen muss, welche Vorteile man durch diese Konvergenz erreichen kann. Es gibt viele Möglichkeiten, wie die OT profitieren kann, wenn dort aktuelle IT-Konzepte und Technologien zum Einsatz kommen. Und gleichzeitig müssen die IT-Abteilungen besser die Bedürfnisse der OT verstehen lernen.

Und welche Rolle spielt die Künstliche Intelligenz bei der digitalen Transformation und im Bereich Datenmanagement?

Herrmann: Das Thema Datenmanagement in der digitalen Transformation bringt viele Technologien ins Spiel, denen jeder hinterherrennt. Künstliche Intelligenz, maschinelles Lernen und vorausschauende Wartung erfordern immer zunächst eine Dateninfrastruktur.

Ich habe natürlich als Zielbild Anwendungen, Auswertungen und die Nutzung von KI vor Augen, aber den Nutzwert werde ich niemals erreichen können, wenn ich nicht die Grundlage geschaffen habe. Die Grundlage sind nicht einfach nur Daten, sondern ist eine Dateninfrastruktur.

Wie unterstützt Aveva dabei und was ist das Besondere an Ihrer Plattform?

Herrmann: Wir bieten unseren Kunden unsere Connect-Plattform an, die wir als eine agnostische Plattform für Industrial Intelligence permanent weiterentwickeln und mit weiteren Services anreichern. Wir sehen sie nicht als ein geschlossenes Ökosystem, sondern als ein offenes.

Über die Connect-Plattform bieten wir nicht nur Aveva-Anwendungen an, sondern öffnen sie auch für Partner. Auf Connect basierende Services sind teilweise in sich geschlossene Anwendungen, aber zum Teil auch Basis-Services, die dann von Data Scientists mit Leben gefüllt werden. Sie fußen immer auf drei Beinen: Verwaltung, Analyse und Visualisierung von Daten.

Ein wesentliches Angebot auf Connect ist Advanced Analytics. Diese Lösung nutzt KI-Technologien und operative Daten, die via Connect Data Services bereitgestellt werden, und stellt vorkonfigurierte Use Cases zur Verfügung. Um sehr schnell Kundennutzen zu erzeugen, liefern wir drei Use Cases, die bei jedem Produktionsunternehmen von Bedeutung sind, standardmäßig mit Advanced Analytics aus:

  • Predictive Throughput,
  • Predictive Energy Efficiency und
  • Predictive Quality.

Das heißt, dass Unternehmen, die diese Advanced Analytics-Funktion nutzen, die Möglichkeit erhalten, sehr schnell auf Basis ihrer eigenen Daten Voraussagen über Produktionsausstoß, Energieverbrauch und Qualität machen zu können.

Können Sie ein Beispiel für den erfolgreichen Einsatz von Advanced Analytics nennen?

Herrmann: Unser Kunde Inframark in den USA setzt Advanced Analytics ein, um zum Beispiel Labordaten und andere Echtzeitdaten aus der Produktion in Connect Data Services zusammenzuführen und darauf basierend mit KI-Modellen Auswertungen zu machen und somit die Effizienz in der Produktion zu steigern.

Wie klappt der Datenaustausch zwischen Unternehmen und wie kann er verbessert werden?

Herrmann: Beim Thema Datenaustausch wird oft nur eine Seite betrachtet. Unsere Erfahrung ist, dass es Nutzwerte für alle Beteiligten geben muss. Zum Beispiel: Ein OEM, der an operativen Daten seiner Produkte aus dem Einsatz beim Kunden interessiert ist, kann diese nutzen, um Fernwartung durchzuführen oder optimierte Fahrweisen vorzuschlagen. Davon profitiert sowohl der OEM als auch sein Kunde.

Als nächstes muss der Datenaustausch kontrolliert erfolgen können. Das heißt, der Dateneigentümer muss jederzeit bestimmen können, wer in welcher Form auf seine Daten zugreift. Die Connect-Plattform bietet aus diesem Grund die Möglichkeit, dass ein Unternehmen Daten, die unter seiner Hoheit entstehen, anderen in einem definierten Ökosystem – wir sprechen dann von einer Community – zur Verfügung stellen kann.

Drittens muss der Datenaustausch einfach und mit überschaubarem Aufwand konfiguriert und betrieben werden können.

Warum ist der Datenaustausch zwischen Unternehmen so wichtig?

Herrmann: „Kreativität bedeutet nicht unbedingt, etwas völlig Neues zu erfinden, sondern das, was man schon hat, in einer cleveren, intelligenten Form zusammenzubringen“ – das hat bereits Steve Jobs erkannt und so formuliert. Bei Aveva bringen wir mit unseren Lösungen Menschen, Objekte, Erkenntnisse, Erfahrungen datenbasiert zusammen und schaffen dadurch Mehrwert für unsere Kunden.

Welche Entwicklungen und Trends werden im Bereich Daten künftig wichtig sein?

Herrmann: Die Software-Entwicklung ist natürlich für uns als Software-Anbieter eine kontinuierliche Aufgabe. Connect mit seinem datenbasierten, agnostischen Ansatz steht im Mittelpunkt der Entwicklungsarbeiten bei Aveva. Darüber hinaus sehen wir Radical Collaboration als notwendig an, um entscheidend weiterzukommen und Unternehmensziele in anspruchsvollem Umfeld zu erreichen. Aus unserer Sicht bedeutet dies, Zusammenarbeit radikal neu zu definieren und zu intensivieren. Hier meine ich nicht nur die Zusammenarbeit durch zum Beispiel gemeinsame Nutzung von Daten an sich, sondern auch die Zusammenarbeit im organisatorischen Sinn.

Warum wird Zusammenarbeit auf einem viel höheren Niveau künftig wichtig sein? Jedes Unternehmen ist bestrebt, neue Angebote und Produkte zu entwickeln, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Die Datennutzung und -bereitstellung über Unternehmensgrenzen hinweg wird dazu nicht nur hilfreich, sondern erforderlich sein, um entlang der Wertschöpfungsketten solche neuen Angebote anbieten zu können.

Wenn wir uns den Trend zu Equipment-as-a-Service anschauen, ist dazu eine enge, unternehmensübergreifende Datenzusammenarbeit erforderlich. Wenn jedoch jedes produzierende Unternehmen, das Equipment-as-a-Service anbietet, seine eigene Plattform baut, mag das zwar für dieses einzelne Szenario optimiert sein. Aber klassische Maschinenbauer sind keine Softwareunternehmen, außer für die Maschinensteuerung, und es würde für deren Kunden bedeuten, dass sie mit vielen Plattformen parallel arbeiten müssen. Hier positionieren wir uns mit unserem agnostischen Ansatz, um eine Plattform für die Zusammenarbeit von vielen Anbietern mit vielen Kunden zu bieten.

Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Die Autorin: Anja Ringel

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.

Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.

Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.

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