Mit seiner Predicitive-Maintenance-Lösung will Siemens ungeplante Ausfälle in der Produktion stoppen.

Mit seiner Predicitive-Maintenance-Lösung will Siemens ungeplante Ausfälle in der Produktion stoppen. (Bild: standret - stock.adobe.com)

Unternehmen nutzen Predictive Maintenance, damit es gar nicht erst zu einem ungeplanten Wartungsfall kommt. Was ist das Angebot von Siemens?

Andreas Dettmer: Unsere cloudbasierte Predictive Maintenance-Lösung nutzt sowohl Künstliche Intelligenz als auch  maschinelles Lernen, um Maschinenausfälle vorherzusagen und die Wartung zu optimieren. Die  Plattform analysiert kontinuierlich Daten aus verschiedenen Quellen, wie zum Beispiel Maschinenzustands und Betriebsdaten, um Muster zu erkennen und präzise Vorhersagen zu treffen, wann es zu  potenziellen Maschinenausfällen kommen kann. Diese Technologien ermöglichen es uns, präzise  Vorhersagen zu treffen damit der Instandhalter proaktive Wartungsmaßnahmen ergreifen kann, bevor es zu Ausfällen kommt.

Andreas Dettmer, Business Development für Senseye Predictive Maintenance in Zentraleuropa/DACH bei Siemens.
Andreas Dettmer, Business Development für Senseye Predictive Maintenance in Zentraleuropa/DACH bei Siemens. (Bild: Siemens AG)

Wie genau optimiert Predictive Maintenance die Wartung von Maschinen und Anlagen?

Dettmer: Im Fokus stehen höhere Verfügbarkeit der Maschinen und Anlagen. Dann kommt die präzise und  korrekte Wartung: Also tatsächlich nur die Aggregate zu warten, die gerade Aufmerksamkeit brauchen und nicht Aggregate zu betrachten, die in Ordnung sind, die aber im Rahmen einer präventiven Instandhaltungsstrategie auch an der Reihe gewesen wären.

Bei Siemens sind wir in der Betrachtung nicht auf einen Aggregatstyp festgelegt. Es gibt Produkte, die beispielsweise nur auf Rotating Assets schauen, wie Motoren, Pumpen, Lüfter. Da kann man anhand von Vibrationen gut erkennen, ob alles passt. Die Senseye Predictive Maintenance-Lösung von Siemens kann mehr. Sie betrachtet nicht nur Aggregate. Nehmen wir die Ventile, bei denen werden zum Beispiel die Öffnungs- und Schließzeiten analysiert oder bei Kühlern oder Heizungen nutzt Senseye Predictive Maintenance die Werte, die in Steuerungen stecken, um Fehler vorherzusagen.

Mit diesen Daten, unserem Copilot und den Daten die im System hochgeladen wurden, wie Handbücher oder vorangegangene Fälle, kann Senseye Predictive Maintenance dem Instandhalter Hinweise geben, was der Ursprung des Problems sein kann.

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Geben sie uns ein Beispiel: Wie viele Daten werden denn gesammelt und welche?

Dettmer: Typische Condition-Monitoring-Daten, wie Druck, Strom, Drehmoment, Vibration und Temperatur, das sind für uns interessante Daten. Zusätzlich zu den vorgenannten Daten ergänzen wir diese immer noch mit weiterem Kontext. Das ist das besondere unserer Softwarelösung.

Ich gebe ein Beispiel: Auf einem Förderband liegt ein sehr schweres Paket, dann ist der Strom des Antriebs wahrscheinlich ein bisschen höher, weil er mehr Last bewegen muss. Und wenn ich ein kleines Paket drauflege, ist der Strom niedriger.

Dann ist das aber kein Trend, keine Anomalie, sondern es ist einfach ein normales Verhalten des Förderbands. Dem Aggregat geht es trotzdem gut. In so einem Fall können wir Daten
aus der Steuerung oder dem umliegenden Produktionssystemen heranziehen, um die KI zu unterstützen, dies hebt uns im Markt deutlich von anderen Produkten ab.

Nehmen wir an ein Unternehmen plant weg von seiner reaktiven oder präventiven Wartung hin zu Predictive Maintenance. Welche Rolle spielen dabei die Daten?

Dettmer: Ja, es braucht Daten, relevante Daten. Die Erfahrung zeigt uns, dass die Unternehmen meistens schon über bis zu 70 Prozent der benötigten Daten verfügen. Häufig sind die Daten jedoch noch Unbekannte, die ungenutzt im Shopfloor vorhanden sind. Fehlen beispielsweise Daten, die für die vorausschauende Instandhaltung gebraucht werden, dann können wir Sensorik anbringen, die Daten generieren und dann mit Senseye Predictive Maintenance eine End-to-End-Lösung anbieten.

Welche Veränderungen wird es noch geben, was wird weiterentwickelt?

Dettmer: Seit Neuestem kann bereits vorhandenes Wissen, aus alten Schichtbüchern, Reports, Handbücher hochgeladen werden, auf das der Senseye Copilot dann zugreifen kann. In der Praxis hat dies folgenden Vorteil: Entdeckt Senseye Predictive Maintenance einen Fehler, wird das System die wahrscheinlichste Ursache auswählen. Der Copilot wird dem Instandhalter sagen, es wird möglicherweise wieder der Keilriemen oder das wird ein Lagerschaden sein. Das ist gerade der nächste Schritt, mit dem der Senseye Copilot Instandhalter vorausschauend unterstützt.

Im Endeffekt kann man sich das so vorstellen: Senseye Predictive Maintenance meldet die Information an den Instandhalter, da tut sich etwas unerwartetes in der Maschine oder einem Asset. Dann priorisiert das System und gibt vor, was aufgrund der Werte dringlicher ist. Wichtig ist mir dabei zu sagen: Senseye Predictive Maintenance macht die Informationen zugänglich und der Instandhalter bleibt die ausführende Kraft und entscheidet schlussendlich, was nach seinem Dafürhalten zu tun ist. Und mit dem Senseye Copilot stellen wir ihm jetzt noch mehr Know-how zur Verfügung, das er für seine Entscheidungen nutzen kann.

Unterstützt der Senseye Copilot auch beim Thema Fachkräftemangel?

Dettmer: Ein wichtiges Thema in der Instandhaltung, der Fachkräftemangel. Wenn der Copilot die Handlungsanweisung gibt, was man wie machen muss, dann kann das jede Fachkraft ausführen. Es gibt viele Instandhalter, die bald in Rente gehen. Gerade die erfahrenen Kräfte, die seit Jahrzehnten mit einer Anlage vertraut sind, gehen an einer Maschine vorbei und legen sozusagen die Hand auf und sagen, wo der Fehler ist. Dieses Know-how muss rechtzeitig eingefangen werden. Dafür braucht es ein System, das dieses Wissen aufnimmt. Genau da setzten wir mit Senseye Predictive Maintenance an.

In unserer Podcast-Folge mit dem Instandhaltungsprofessor Lennart Brumby hat er auch erzählt, dass in seinen Vorlesungen immer weniger Studenten sind, die dann später mal Instandhaltungsexperten werden. Er meinte, die Branche hat da ein riesiges Problem.

Dettmer: Ja, wir hören es auch, dass es immer schwieriger wird, offene Stellen in der Instandhaltung zu besetzen. Auch wenn es junge Fachkräfte gibt, sind das ja noch keine erfahrenen Instandhalter, sie müssen zunächst eingearbeitet werden und es bedarf der Erfahrung eines erfahrenen Instandhalters, der mit draufguckt und nachschaut. Das sind genau die erfahrenen Mitarbeiter, die durch Handauflegen wissen, das ist ein Lagerschaden, da muss ich ran. Das diese Erfahrungsträger bald in Rente gehen, stellt ein Problem dar.

Lennart Brumby über die Zukunft der industriellen Instandhaltung

Ist Ihre Software selbsterklärend? Kann sie sofort genutzt werden? Wird das Wissen der älteren Mitarbeitenden „gerettet“?

Dettmer: Die Siemens-Ingenieure setzen jedes Projekt gemeinsam mit dem Kunden um und stellen das System entsprechend auf die Anforderungen des Unternehmens ein. Das heißt, wir sorgen dafür, dass die Daten richtig fließen. Dann kann der Instandhalter direkt mit Senseye Predictive Maintenance arbeiten. Meist starten wir bei 80 Prozent korrekter Vorhersagen, also 4 von 5 Vorhersagen sind schon korrekt und verhindern Ausfälle.

Da die Mitarbeiter ihr Feedback ans System zurückgeben, lernt Senseye Predictive Maintenance immer mit und wird mit Fachwissen angereichert. Wir nähern uns dann irgendwann mit den richtigen Vorhersagen den 90, 91, 92 Prozent an. Das immer mal wieder eine Vorhersage nicht zutrifft, liegt an dem industriellen Umfeld. Da kann dann auch mal ein Wert aus der Reihe tanzen.

Die Automobilindustrie nutzt Predictive Maintenance ja stark. In welchen Industrien wird noch Predictive Maintenance eingesetzt?

Dettmer: Der Einsatz von Predictive Maintenance findet in allen Industrien statt. In den Fertigungsindustrien, Prozessindustrien, wie auch in Hybridindustrien. Nehmen wir die Nahrungs- und Genussmittelindustrie, aber auch in der Pharma- und Chemieindustrie hilft Predictive Maintenance immense Kosten einzusparen. Denn ungeplante Ausfälle und Stillstände, aufgrund einer reaktiven, wie auch eine präventiven Instandhaltungsstrategie sind mit hohen Kosten verbunden.

Ein weiteres Beispiel ist Stahl. Wenn da ein Aggregat ausfällt und der Stahl an einer Stelle nicht richtig aufgewickelt wird, führt das zu einem Problem. Auch hier unterstützt vorausschauende Wartung. Blue Scope, ein großer Stahlkunde aus Australien hat zum Beispiel seine ganze Wartung mit Siemens auf Predictive Maintenance umgestellt. Schon jetzt zeichnet sich in einigen Unternehmen ein Kulturwandel in der Instandhaltung ab. Sie führt weg von „jeden Morgen laufe ich meine Aggregate ab und jede Woche tausche ich das Aggregat aus“ hin zu vorausschauendem Arbeiten.

Instandhaltung: Siemens erweitert Industrial Copilot mit neuem KI-gestütztem Angebot

Siemens AG
(Bild: Siemens AG)

Siemens hat seinen Industrial Copilot um erweiterte Funktionen für Senseye Predictive Maintenance ergänzt. Die neue generative KI-gestützte Lösung soll jede Art von Wartung unterstützen und Unternehmen dabei helfen, sich von traditionellen Wartungsansätzen hin zu einem intelligenten, datengesteuerten Ansatz zu entwickeln. Um dies zu erreichen, wird Senseye Predictive Maintenance auf Microsoft Azure um zwei Angebote erweitert:

  • Einstiegspaket: Bietet einen Einstieg in die vorausschauende Instandhaltung durch die Kombination von KI-gesteuerter Reparaturanleitung und grundlegenden prädiktiven Fähigkeiten. Es unterstützt den Übergang von reaktiver zu zustandsbasierter Wartung mit begrenzter Konnektivität für Sensordaten und Echtzeitüberwachung.
  • Skalierungspaket: Integriert Senseye Predictive Maintenance mit der vollen Funktionalität des Maintenance Copilot und ermöglicht die Vorhersage von Ausfällen, die Maximierung der Betriebszeit und die Kostensenkung durch KI-gesteuerte Erkenntnisse. Diese Lösung unterstützt die Optimierung von Abläufen an mehreren Standorten und langfristige Effizienz.

Die ersten Pilotanwendungsfälle haben gezeigt, dass der Siemens Industrial Copilot im Durchschnitt 25 Prozent der reaktiven Wartungszeit einspart, so das Unternehmen.

Die Weiterentwicklung unseres Industrial Copilot ist ein bedeutender Schritt, um Wartungsvorgänge zu transformieren", sagte Margherita Adragna, CEO Customer Services bei Siemens Digital Industries. "Durch die Erweiterung unserer Predictive Maintenance-Lösungen ermöglichen wir es Unternehmen nahtlos von einer reaktiven hin zu einer proaktiven Wartungsstrategie zu wechseln. Damit fördern wir die Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit in einer zunehmend komplexen industriellen Landschaft.“

(Quelle: Siemens)

Anja Ringel
(Bild: Anna McMaster)

Die Autorin: Anja Ringel

Dass sie Redakteurin werden will, wusste Anja Ringel schon zu Schulzeiten. Als Chefredakteurin ihrer Schülerzeitung hat sie Lehrkräfte und Schüler interviewt, das Mensaessen getestet und ist Fragen wie "Wieso hat Wasser ein Mindesthaltbarkeitsdatum" nachgegangen.

Nach Stationen bei diversen Tagezeitungen schaut sie bei "Produktion" nun den Unternehmen auf die Finger oder besser gesagt auf die Bilanzen. Als Wirtschaftsredakteurin kümmert sie sich aber auch um Themen wie Fachkräftemangel, Diversity, Digitalisierung oder Unternehmenskultur. Daneben ist sie einer der Podcast-Hosts von Industry Insights.

Privat liebt sie das Reisen und nutzt ihre Urlaube, um die Welt zu entdecken.

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