
Wie lässt sich Nachwuchs für die Instandhaltung gewinnen? Mit innovativen Strategien, agilen Teams und moderner Technik entsteht ein neues Berufsbild. (Bild: BESTIMAGE - stock.adobe.com)

Wie lässt sich Nachwuchs für die Instandhaltung begeistern? Der Fachkräftemangel macht auch vor der Instandhaltung nicht halt. Viele Unternehmen kämpfen damit, junge Talente für den Bereich zu gewinnen. Doch klassische Stellenausschreibungen reichen längst nicht mehr aus. Vielmehr geht es darum, Instandhaltung als zukunftsträchtigen, spannenden Berufszweig darzustellen – mit Hightech-Ausrüstung, digitalen Lösungen und echten Entwicklungsperspektiven. Lothar Schmiegel, Instandhaltungsleiter bei einem großen deutschen Mineralbrunnen, hat das erkannt und setzt es um.
Die Gewinnung von Nachwuchs-Fachkräften ist ja ein großes Thema, gerade in der Instandhaltung. Welche Tipps hätten Sie aus Ihrer beruflichen oder Coaching-Tätigkeit für die Rekrutierung neuer Talente? Wie kommt man an die Leute ran?
Lothar Schmiegel: "Die Patentlösung hat, glaube ich, keiner in der Schublade. Wir glauben, dass es wichtig ist, früh an die Menschen ranzugehen, die irgendwann bei uns eine Ausbildung machen wollen. Das heißt, wir müssen in Schulen präsent sein, in Praktika präsent sein und den Menschen anbieten, bei uns einfacher reinzuschnuppern.
Das ist die eine Geschichte. Die zweite ist: Wenn wir Leute suchen, dann dort, wo die Menschen tatsächlich sind. Ich sehe immer noch Firmen, die eine Anzeige in der Tageszeitung schalten. Aber wenn ich mir anschaue, wie viele Leute heutzutage noch die Tageszeitung lesen, dann kannst du davon ausgehen, dass solche Anzeigen die Zielgruppe gar nicht erreichen. Man muss also präsent sein, wo die Leute sind. Und sie wollen auch keinen „Old Fashion Content“ sehen, sondern etwas, das sie anspricht und begeistert. Da muss ein Film dahinter sein, ein QR-Code oder ein Shortlink für eine Schnellbewerbung. Es muss einfach zeitgemäß sein. Und man muss die Leute begeistern.
Wenn wir die Leute im Gespräch haben, bieten wir ihnen immer an: „Komm doch mit zu uns in die Abteilung, um mal zu sehen, was wir machen.“ Das ist spannend! Wir zeigen, dass unsere Instandhaltung eben nicht aussieht wie eine Lkw-Werkstatt. Wir haben tolles Equipment, modernes Werkzeug und Mitarbeiter, die in sauberen Klamotten arbeiten. Ich glaube, das Thema ist sehr facettenreich. Es geht darum, mehr Marketing für dein Thema zu machen."
Mit welchen Inhalten kann ich denn zukünftige Fachkräfte – und ich rede bewusst von Fachkräften auf dem Shopfloor – begeistern und interessieren?
Lothar Schmiegel: „Das ist eine wirklich gute Frage. Du musst ja das, was du eigentlich im Unternehmen machst, nach draußen transportieren. Ich sehe bei uns eine Chance über gute Bilder und Videos. Dieses Thema zu visualisieren – und zwar nicht mit Models, sondern mit unseren eigenen Mitarbeitern.
Wenn wir einen Film machen oder unsere Karriereseite gestalten, sind das Menschen, die bei uns in der Instandhaltung arbeiten. Sie erzählen mit Begeisterung von ihrem Job. Das ist ehrlich, und nur so kannst du etwas transportieren.
Wir diskutieren immer wieder, ob Instandhaltung sexy ist. Viele verstehen gar nicht, was in unserer Arbeit dahintersteckt. Wir müssen mehr zeigen, dass wir tolle Dinge machen.
Ein Beispiel: Wir werden nächstes Jahr einen laufenden Roboter für Inspektionen installieren. Damit sind wir in der Instandhaltung in Deutschland ziemlich weit vorne. Das ist für uns eine absolute Werbe-Chance: zu sagen, „Hey, wir sind nicht langweilig, wir arbeiten mit innovativer Technik.“ Bei uns kannst du diese Technik einsetzen und weiterentwickeln.“
Wenn die Mitarbeiter mit moderner Technologie zu tun haben sollen, dann müssen sie aus- und weitergebildet werden. Welche Präferenzen habt ihr?
Lothar Schmiegel: „Stärkenorientierte Qualifizierung. Das hört sich einfacher an, als es ist, denn zuerst müssen wir wissen: Was sind die Stärken unserer Mitarbeiter? Wir haben unseren Führungskräften gesagt: „Legt in den Jahresgesprächen die Stärken eurer Mitarbeiter fest.“ Das war erst mal ungewohnt für alle Beteiligten und ist ein Entwicklungsprozess.
Es gibt bei uns auch kein Gießkannenprinzip mehr bei Schulungen. Bei uns wird in einem Thema weiterentwickelt, wer interessiert ist und Lust auf dieses Thema hat. Wer andere Präferenzen hat, macht etwas anderes.
Wir bieten Mitarbeitern nicht nur eine Führungs-Entwicklung, sondern auch eine Fachentwicklung. So kann sich jemand innerhalb der Instandhaltung von einem Basic-Instandhalter über einen Experten bis zu einem Supervisor entwickeln. Wir haben jetzt im Moment sieben Supervisoren im Einsatz und werden nächstes Jahr noch zwei aufstocken. Das sind Mitarbeiter, die ihren normalen Schichtdienst machen, aber zusätzlich einen speziellen Schwerpunkt haben. Einer beschäftigt sich zum Beispiel mit Automatisierungstechnik, ein anderer mit bestimmten Maschinen.
Es geht darum, Experten zu entwickeln, die nicht nur für ihren Bereich brennen, sondern auch ihre Kollegen schulen können. Das haben wir gerade gemacht – die Schulungsteilnehmer waren begeistert. Warum? Weil derjenige, der schult, genau weiß, wo die Probleme im Werk liegen. Er konnte den jungen Kollegen, die da waren, zu all den Themen Antworten geben.
Zum Thema Qualifizierung zählt auch die Kommunikationsebene. Wenn man genau in die Teams schaut, gibt es dort immer Themen, die schwelen. Mit dem Standardsatz „Ihr seid doch alles Menschen, ihr werdet doch miteinander klarkommen“, kommt man da nicht weiter. Man muss wissen, was man machen muss, damit es im Team wieder richtig funktioniert.“
Das sind innovative Personalführungs- und Managementmethoden, die man nicht zwingend in einer Instandhaltungsabteilung erwarten würde. Wie kam es dazu?
Lothar Schmiegel: „Entwicklung passiert nicht, wenn alles schön und warm ist, sondern wenn ein Schmerz vorliegt. Dann kann ich mich in diesem Schmerz ergehen oder ich kann aktiv damit umgehen. Wir haben uns entschieden, aktiv damit umzugehen. Das betrifft auch Themen wie Teamentwicklung. Wir sind aber nicht der einzigartige Leuchtturm, sondern sehr bodenständig unterwegs. Wir gucken: Wie können wir mit den Themen umgehen, die wir sehen? Ein Beispiel ist eben die Teamentwicklung.“
Was war dabei eine Maßnahme, die umgesetzt wurde?
Lothar Schmiegel: „Wir haben zwei agile Teams in der Instandhaltung. In diesen Teams ist die Mitarbeiterzufriedenheit am höchsten. Warum? Perspektivisch werden uns weniger Menschen zur Verfügung stehen, und ich kann diese Menschen in einer Hierarchieorganisation verschwenden. Oder ich kann die Organisation so gestalten, dass sie befähigt wird, ihre Aufgaben selber zu machen.
Denn meiner Erfahrung nach machen Leute nichts lieber, als ihre eigenen Ideen umzusetzen, selbst ihren Tag und ihre Aufgaben einzuteilen, selbst Themen zu identifizieren und die Erfolge für ihre Ideen auch noch einzuheimsen. Das macht zufrieden. Ich glaube, dass wir besser werden, wenn Menschen selbstverantwortlich in Teams arbeiten. Das ist für mich ein echtes Zukunftsthema.
Das kommt aber nicht von alleine. Kein Team wird auf Befehl agil. Da entstehen ganz viele Fragen, weil man die Führungsaufgabe als Funktion aus diesem Team herausnimmt. Wer macht wann was und warum? Das hört sich jetzt schlimmer an, als es ist, aber es gibt ein gewisses Vakuum, das gefüllt werden muss. Dafür brauchen die Kollegen Kommunikationsskills.
Die Teams brauchen tatsächlich auch eine intensive Begleitung. Aber meiner Erfahrung nach kann man so ein Team mit zwei Jahren guter Begleitung an einen Punkt bringen, wo es alleine selbstständig arbeiten kann.“
Wie wichtig sind Ziele in dem Zusammenhang? Und wie hoch sollten diese gesetzt sein?
Lothar Schmiegel: "Werden die Kirschen immer höher gehängt, hören die Leute irgendwann auf zu springen. Ich finde, Ziele müssen erreichbar sein. Das heißt nicht, dass sie nicht ambitioniert sein können, aber sie müssen erreichbar sein.
Wenn das Ziel so hoch ist, dass es nicht erreichbar ist, dann muss man den Punkt, den man erreicht hat, abfeiern. Dann haben die Leute auch Lust, weiter an der Erreichung zu arbeiten.
Von daher sind Ziele für mich wichtig, aber in einer Prozessorganisation wie der Instandhaltung sind für mich Aufgaben entscheidend. Also, was für Aufgaben habe ich und wie kann das Team dafür sorgen, dass diese Aufgaben erledigt werden? Das muss organisiert werden.
Darum glaube ich, dass es in den Teams vor Ort darum geht, wie man abarbeiten kann, was ansteht. Wenn dann ein Ziel sein soll, dass 98 Prozent der Aufgaben abgearbeitet werden – okay. Wenn es klappt, gut. Wenn nicht, dann lass uns drüber reden."