H2 Giga: Elektrolyseure in Sekundenschnelle stapeln
Statt Handarbeit regieren Roboter, die Elektrolyseure im Sekundentakt stapeln. In H2 Giga trifft Hightech auf Wasserstoffvision – mit dem Ziel, grüne Energie endlich skalierbar zu machen. Doch ein seltenes Metall stellt die Branche vor ein Dilemma.
Dietmar PollDietmarPollDietmar PollDietmar Poll
Veröffentlicht
In einer automatisierten Fertigungslinie können Roboter das Stacking, also das Stapeln der einzelnen Komponenten eines Elektrolyseurs übernehmen. Dadurch wird die Elektrolyseur-Herstellung deutlich kostengünstiger. Im Bild ist ein Industrieroboter, der einen Elektrolyseurstack demontiert.Fotograf: Rainer Bez)
Anzeige
Von der Produktion bis zum Recycling: Im Wasserstoff-Leitprojekt ‚H2 Giga‘ arbeiten Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen an der serienmäßigen Herstellung leistungsstarker Elektrolyseure. An fünf Teilprojekten sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Fraunhofer IPA beteiligt. Ihre Ergebnisse liegen jetzt vor.
Wenn energieintensive Industrieunternehmen und der Schwerlastverkehr klimaneutral werden sollen, helfen selbst die leistungsfähigsten Batterien nicht weiter. Die beiden Branchen müssen ihren Energiebedarf also anderweitig decken – mit grünem Wasserstoff. Doch der ist nicht ohne Weiteres verfügbar. Wer das gasförmige Element als emissionsfreie Energiequelle nutzen möchte, muss den Wasserstoff zunächst aus dem Wassermolekül herauslösen. Dafür gibt es Elektrolyseure. Sie spalten Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff (H2) und Sauerstoff (O) auf. Brennstoffzellen können den Wasserstoff dann in elektrischen Strom umwandeln, der Elektromotoren antreibt. Oder der Wasserstoff wird in Hochöfen verbrannt.
Anzeige
Doch Elektrolyseure sind in Deutschland bisher noch knapp und teuer. Im Wasserstoff-Leitprojekt ‚H2 Giga‘ des Bundesministeriums für Forschung, Technologie und Raumfahrt forschen deshalb seit 2021 zahlreiche Universitäten, Forschungseinrichtungen und Unternehmen an der serienmäßigen Herstellung leistungsstarker Elektrolyseure. An fünf Teilprojekten ist das Fraunhofer-Institut für Produktionstechnik und Automatisierung IPA beteiligt. Die letzten gehen dieser Tage zu Ende; die Ergebnisse liegen vor.
Roboter stapeln Elektrolyseure in Sekundenschnelle
Bisher werden Elektrolyseure noch weitgehend von Hand gefertigt. Das kostet nicht nur viel Zeit, sondern ist auch teuer und fehleranfällig. Im Teilprojekt ‚Industrialisierung der PEM-Elektrolyse-Produktion‘ (PEP.IN) haben Forscherinnen und Forscher zusammen mit Partnern aus der Industrie deshalb eine automatisierte Fertigungslinie bei der Firma Quest One im schleswig-holsteinischen Braak aufgebaut. Dabei übernehmen nun Roboter das sogenannte Stacking, also das Stapeln der einzelnen Komponenten eines Elektrolyseurs. Ein Elektrolyseur besteht mindestens aus zwei Elektroden – der positiv geladenen Anode und der negativ geladenen Kathode – und einer Protonen-Austausch-Membran (PEM) dazwischen. Um die Leistung zu steigern, werden viele dieser Elektrolysezellen zu einem sogenannten Stack gestapelt.
Anzeige
"Eine Sekunde brauchen die Roboter, um eine Komponente auf die andere zu legen", sagt Nicolas Mandry vom Forschungsteam Wasserstofftechnologien am Fraunhofer IPA. Die dazu nötigen Greifer hat das Forschungsteam eigens entwickelt. Auch die Qualitätssicherung läuft jetzt automatisch ab: Kameras und eine Bildverarbeitungssoftware prüfen die einzelnen Komponenten und sortieren fehlerhafte aus, bevor sie verbaut werden. Kleine Abweichungen lässt die Software aber zu, wenn sie zu dem Schluss kommt, dass sie sich nicht auf die Leistungsfähigkeit des fertigen Elektrolyseurs auswirken.
Kameras und eine Bildverarbeitungssoftware prüfen die einzelnen Komponenten eines Elektrolyseurs, bevor sie verbaut werden. In diesem konkreten Fall sind die rot markierten Verschmutzungen auf der Bipolarplatte zu groß. Sie wird aussortiert.Fraunhofer IPA)
Auch sämtliche dem Stacking vor- und nachgelagerte Produktionsprozesse wurden untersucht. Entstanden ist so eine Elektrolyseurfabrik im Gigawatt-Maßstab. „Die hier innerhalb eines Jahres produzierten Elektrolyseure haben also eine aufaddierte Nominalleistung von mindestens einem Gigawatt – ein Vielfaches von dem, was erreicht wurde, als Elektrolyseure noch mit viel Handarbeit gefertigt wurden“, erklärt Mandry.
Digitaler Zwilling bildet Elektrolyseur-Produktion in Echtzeit ab
Anzeige
Doch eine automatisierte PEM-Elektrolyseur-Produktion im Gigawatt-Maßstab muss nicht nur schnell, sondern auch effizient sein. Grundlage dafür ist eine standortübergreifende, serviceorientierte Produktions-IT-Plattform, in der die Daten jedes einzelnen Produktionsmoduls gesammelt und in Echtzeit ausgewertet werden. So entsteht ein virtuelles Abbild der Produktion, ein Digitaler Zwilling, der dabei hilft, Fehler und Optimierungspotenziale in der Produktion zu erkennen. Genau das haben Forscherinnen und Forscher vom Fraunhofer IPA im Teilprojekt ‚Referenzfabrik für hochratenfähige Elektrolyseur-Produktion‘ (FRHY) realisiert – jedenfalls teilweise.
„Kurz vor Ende des Forschungsprojekts sind noch immer nicht alle Produktionsanlagen, die auf insgesamt fünf Fraunhofer-Institute verteilt sind, fertiggestellt oder in Betrieb genommen“, sagt Henry Himmelstoß vom Forschungsteam Einführungs- und Umsetzungsmethoden für IT-Lösungen am Fraunhofer IPA, „und auch die fertigen Anlagen sind noch nicht alle miteinander vernetzt.“ Lange Lieferzeiten für Maschinen und Anlagen wirbelten den Zeitplan durcheinander. Die Leerstellen füllen einstweilen sogenannte Emulatoren aus, also Software, die die Funktion eines Produktionsmoduls nachahmt und vergleichbare Daten produziert.
Um den entstandenen Rückstand aufholen und doch noch eine durchgängig vernetzte hochratenfähige Modellproduktion für PEM-Elektrolyseure aufbauen zu können, hoffen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nun auf ein Folgeprojekt.
Die Anode eines PEM-Elektrolyseurs ist mit Iridium beschichtet. 0,67 Gramm des silberweißen Edelmetalls werden derzeit pro Kilowatt Leistung benötigt. Das Problem dabei: Iridium ist mit einem Vorkommen von 0,000003 Parts per million und einer weltweiten jährlichen Fördermenge von neun Tonnen (2020) eines der seltensten und teuersten Elemente überhaupt. Ein Forschungsteam um Stefan Kölle vom Fraunhofer IPA hat deshalb gemeinsam mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern vom Leibniz-Institut für Katalyse nach Wegen gesucht, wie sich der Iridiumanteil in PEM-Elektrolyseuren reduzieren lässt.
Zwei Möglichkeiten hat das interdisziplinäre Team im Teilprojekt ‚Iridium-reduzierte Anodenkatalysatoren für die PEM-Wasserelektrolyse‘ (IREKA) näher betrachtet: „Nur das Material direkt an der Oberfläche ist aktiv an der Aufspaltung von Wasser beteiligt“, sagt Kölle. „Die darunterliegenden Schichten sind ohne Funktion.“ Mit Hilfe der Galvanotechnik hat der Forscher deshalb hauchdünne Iridiumbeschichtungen erzeugt. Dass sie genauso gut funktionieren wie die deutlich dickeren bisherigen Schichten, ist bereits nachgewiesen. Allerdings ist noch offen, ob die elektrochemisch abgeschiedenen Iridiumbeschichtungen auch genauso stabil sind.
Die zweite Möglichkeit, den Iridiumanteil in PEM-Elektrolyseuren zu reduzieren, sind Legierungen, die neben Iridium noch weitere Metalle enthalten, etwa Nickel, Zinn oder Ruthenium. Die elektrochemische Abscheidung der iridiumhaltigen Legierungen stellt dabei eine Herausforderung mit großem Forschungsbedarf dar. Im Ergebnis erwiesen sich Legierungen mit Nickel jedoch als zu instabil. Sie lösten sich schon nach kurzer Zeit elektrochemisch auf. Mit Zinn und Ruthenium hingegen ließen sich sehr aktive Legierungen herstellen. Allerdings: Ruthenium ist selbst ein Edelmetall und ähnlich selten wie Iridium. „Es sind aktuell keine edelmetallfreien PEM-Elektrolyseure in Sicht“, fasst Kölle die Ergebnisse zusammen. Umso wichtiger sei deshalb die Kreislaufwirtschaft sowie die Entwicklung von Katalysatorschichten mit minimiertem Edelmetalleinsatz – ohne Verlust bei der Leistungsfähigkeit.