von Harald Lutz
LANDSBERG (hi/ks). Der Höhepunkt der Logistik-Outsourcing-Welle lag im Jahr 2005. Es war bei deutschen Unternehmen en vogue, komplette Logistik-Funktionalitäten bis hin zur gesamten Supply-Chain aus dem eigenen Betrieb auszulagern und an externe Dienstleister zu vergeben. Einer Studie des BDI zufolge hat sich das Logistik-Outsourcing seitdem vor allem in der Produktion deutlich verlangsamt.
In 2010 konnte kein Wachstum mehr erzielt werden. Insbesondere in Deutschland und in England herrscht in puncto Logistik-Outsourcing Stagnation. Im Gegenteil: Laut aktuellen Recherchen der Beratungsunternehmen und Marktforschungsinstitute gingen viele Unternehmen wie Delphi, Festool oder SKF mittlerweile dazu über, die einmal getroffene Outsourcing-Entscheidung wieder rückgängig zu machen.
„Zum einen geben die Unternehmen den Themen Logistik und Supply-Chain-Management (SCM) heute einen anderen Fokus als früher. Zum anderen ist mittlerweile sehr viel Erfahrung vorhanden, man sieht Outsourcing einfach differenzierter“, unternimmt Jürgen Hess, Geschäftsführer bei Miebach Consulting in Frankfurt am Main, eine Annäherung an das sensible Thema.
Nach Analysen des Marktforschungsinstituts IfM in Bonn haben insbesondere die international tätigen Unternehmen Logistik und die Lieferkette wieder als Kernkompetenz für sich entdeckt. „Früher war die Logistik eine reine Funktion und wurde nicht als wertschöpfend betrachtet. Das hat sich in den vergangenen Jahren massiv verändert“, verdeutlicht Hess. Heute dagegen erwarte ein Kunde zuverlässige und termingetreue Lieferungen, eine Verpackung nach seinen speziellen Anforderungen etc. Vor diesem Hintergrund werde die Logistik zum Differenzierungsmerkmal im Wettbewerb. Weitere zentrale Argumente für ein Insourcing werden vom IfM in der geforderten Flexibilität auf dynamischen Märkten und in Qualitätsproblemen nach einem erfolgten Outsourcing gesehen.
Die gebremste Outsourcing-Welle bedeutet allerdings nicht, dass Logistik-Outsourcing überhaupt kein Thema mehr ist. Beide Konzepte – Insourcing und Outsourcing – gibt es als Trend vielmehr parallel, und beide haben den Experten zufolge jeweils ihre individuelle Berechtigung. Hess: „Die Unternehmen gehen an geplante Veränderungen der Prozesskette heute sehr analytisch heran. Bevor das Management sich für die eine oder andere Richtung entscheidet, werden ‚Make-or-Buy‘- und ‚Customer-Needs‘-Analysen durchgeführt.“
„Die entscheidende Frage ist oftmals weniger die nach einem In- oder Outsourcing, sondern vielmehr die nach der Kontrolle strategischer Prozesse“, sagt der verantwortliche Manager für Logistik bei der SKF GmbH, Axel Bagszas. Welcher Prozess strategisch ist und welcher nicht, kanne allerdings jede Geschäftsführung für sich sehr unterschiedlich beantworten, erklärt Bagzas.
Das in Schweden beheimatete Maschinenbauunternehmen mit Schwerpunkt auf Handhabung von Metallerzeugnissen, Wälzlagern und Schmiersystemen hatte bereits vor einigen Jahren für sich entschieden, ein bereits erfolgtes Teiloutsourcing wieder rückgängig zu machen und die logistischen Kernprozesse im Hause zu behalten. Heute betreibt SKF ein globales Logistik-Netzwerk und bietet über eine Servicegesellschaft seine aufgebaute Logistik-Kompetenz auch Dritten an – allerdings keinem direkten Wettbewerber. Bagszas: „Dafür bedienen wir uns natürlich auch externer Dienstleister, insbesondere im Transport-, aber auch im Lagerbereich.“
„Wer ein Komplett-Outsourcing seiner Logistik betreibt, verliert im eigenen Haus auch sein Logistik-Know-how – mit Ausnahme der Einkaufskompetenz. Das sahen wir für uns als sehr kritisch an“, bringt der Logistik-Manager die damals diskutierten Vorbehalte auf den Punkt. Später wieder inzusourcen, also abgegebene Mitarbeiter und Wissen wieder in den Betrieb zu holen, käme oftmals sehr teuer. Die Frage ‚Outsourcing oder nicht‘ hänge oftmals aber auch von der Unternehmensgröße ab. SKF mit weltweit rund 40 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an 130 Standorten könne mit gutem Gewissen auch in die eigenen Logistik-Prozesse investieren. Bagszas: „Ein Mittelständler mit einem oder zwei Produktionsstandorten hat diese Möglichkeiten so einfach nicht.“
SKF positioniert sich daher nicht prinzipiell für oder gegen Outsourcing- bzw. Insourcing-Konzepte. Über die korrekte Herangehensweise bei anstehenden Prozessveränderungen – egal in welche Richtung – allerdings hat der Logistik-Manager eine feste Meinung: Er rät, dies nur wohldosiert zu tun und vor allem nicht den Fehler zu begehen, von heute auf morgen die gesamte Logistik verändern zu wollen.
Produktion Nr. 25, 2011