Für die Herstellung von Halbleitern sind hochwertigste Maschinen sowie Automatisierung notwendig. Das spielt dem deutschen Maschinenbau in die Karten, zumal die Investitionen in die Halbleiterherstellung derzeit immens sind.

Für die Herstellung von Halbleitern sind hochwertigste Maschinen sowie Automatisierung notwendig. Das spielt dem deutschen Maschinenbau in die Karten, zumal die Investitionen in die Halbleiterherstellung derzeit immens sind. (Bild: Physik Instrumente)

Zahlreiche Maschinenhersteller, Systemintegratoren und Zulieferer überprüfen aktuell ihre Geschäftsmodelle. Das für 2035 von der EU beschlossene Aus für PKW-Verbrennungsmotoren und Marktverschiebungen verändern die Wertschöpfungsketten in der Automobilindustrie schneller als erwartet. Immer mehr mittelständische Maschinenbauer suchen darum nach einem zweiten Standbein, einem Einstieg in andere Branchen. Bei vielen auf der Liste ganz oben: die Halbleiterindustrie. Der Markt ist enorm groß, hat einige Gemeinsamkeiten mit der Automobilindustrie, aber auch deutliche Unterschiede. Worauf müssen sich Neueinsteiger in diesen Markt einstellen und welches Marktsegment bietet besonders gute Chancen?

Riesiger Markt für Ausrüstung von Halbleiterfabriken

Der Weltmarkt für die Ausrüstung von Halbleiterfabriken beträgt nach Berechnungen des Branchenverbands SEMI rund 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Allerdings schwanken die Ausgaben zyklisch. So ist der Ausrüstungsmarkt 2023 nach mehreren Rekordjahren um rund 17 Prozent geschrumpft, allerdings erwarten die Branchenexperten bereits für 2024 wieder einen deutlichen Anstieg. Allein in Deutschland haben fünf Halbleiterhersteller und Konsortien in den nächsten Jahren Investitionen von rund 46 Milliarden Euro für den Neubau und die Erweiterung von Halbleiterlinien angekündigt.

Saubere Sache: Die Halbleiterindustrie stellt besonders hohe Anforderungen an die Reinheit in der Fertigung und damit auch an alle Maschinen und Komponenten, die dort eingesetzt werden.
Saubere Sache: Die Halbleiterindustrie stellt besonders hohe Anforderungen an die Reinheit in der Fertigung und damit auch an alle Maschinen und Komponenten, die dort eingesetzt werden. (Bild: Aixtron)

Dominante Global Player und deutsche Spezialisten

Bei der Ausrüstung klassischer Mikroprozessorlinien für die Massenproduktion dominieren für die Hauptprozesse jeweils Global Player wie ASML, KLA oder Applied Materials. Branchenexperten sehen diese Marktpositionen auch in Zukunft als gesetzt, weil für die Halbleiterhersteller erwiesene Prozesssicherheit an erster Stelle steht.

Aber es gibt auch Teilmärkte, in denen hochspezialisierte deutsche Unternehmen seit vielen Jahren sehr erfolgreich sind: Carl Zeiss SMT mit Systemen für Vermessung und Reparatur von Fotomasken, Aixtron mit Maschinen für Beschichtungsprozesse, Süss MicroTec für die Bereiche Backend-Lithografie, Wafer-Bonden und Fotomaskenreinigung oder Physik Instrumente mit Komponenten und Systemen für die Präzisionspositionierung bis in den Subnanometerbereich. Einstiegsmöglichkeiten sehen Branchenexperten vor allem für die Automatisierung von Nebenprozessen wie das Wafer-Handling.

Cost of Ownership der Ausrüstung und Zuverlässigkeit

Darüber hinaus gibt es zahlreiche andere aufstrebende Teilmärkte wie die Herstellung von Silizium Carbid-Chips oder die Photonik. Ähnlich wie bei der Automobilindustrie stehen bei allen Cost of Ownership der Ausrüstung und Zuverlässigkeit ganz oben auf der Anforderungsliste.

”Erst, wenn wir einen Prozess mit dem gewünschten Ergebnis und dem nötigen Durchsatz demonstrieren können, erhalten wir den Zuschlag”, beschreibt Dr. Thomas Rohe, Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer (COO) von Süss MicroTec das Procedere. “Ist eine Anlage für einen Prozess gesetzt und bekommt damit das sogenannte ‚tool of record‘, steigen die Chancen für Folgeaufträge erheblich.“ Ebenso erwarten die Hersteller und Ausrüster ein konsequentes Copy Exactly, also dass alle Schritte im Produktionsprozess eines Produkts unverändert bleiben.

Reinheit und Präzision in der Halbleiterindustrie

Im Vergleich zu anderen Industrien gelten in der Halbleiterindustrie die strengsten Vorgaben für die Reinheit der Prozesse und die Präzision der Bewegungen. Halbleiter werden teilweise unter Vakuumbedingungen oder in Reinräumen der ISO Klasse 1 hergestellt, in denen pro Kubikmeter maximal zehn Partikel mit einem Durchmesser von >1 Mikrometer zulässig sind. Dabei geht es aber nicht nur um Partikel.

“Die Kunststoffe oder Spülmittelreste in Fräskanälen dürfen keine Kohlenwasserstoffe ausgasen, die sich auf die Optik niederschlagen”, betont Dr. Thomas Bocher, Director Strategic Marketing Global bei Physik Instrumente (PI). Auch Lufteinschlüsse in Systemkabel müssen ausgeschlossen werden, oder dass Mitarbeitende beim Verpacken Bauteile mit Latex-Handschuhen anfassen.

Dr. Thomas Rohe, Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer (COO) von Süss MicroTec
Zitat

Erst, wenn wir einen Prozess mit dem gewünschten Ergebnis und dem nötigen Durchsatz demonstrieren können, erhalten wir den Zuschlag

Dr. Thomas Rohe, Vorstandsmitglied und Chief Operating Officer (COO) von Süss MicroTec
(Bild: Süss MicroTec)

SEMI-Richtlinien: Verbindliche Standards in der Halbleiterindustrie

Entscheidend sind hier unter anderem die sogenannten SEMI-Richtlinien, verbindliche Standards in der Halbleiterindustrie, die sich über die gesamte Produktherstellung erstrecken, berichtet Aixtron. Ein weiterer Aspekt sind die hohen Kosten für Reinräume. Daher ist für das Unternehmen ein geringer Footprint der Anlagen ein entscheidendes Differenzierungsmerkmal.

Bei den zahlreichen Teststationen entlang der Herstellung sind hochdynamische Positionierungen im Nanometerbereich und noch kleiner notwendig. Die Regelung übernehmen Spezialsteuerungen mit sehr hoher Bandbreite für die Reglung linearer Antriebe im Verbund mit Piezo-Motoren für die Feinpositionierung. Dabei setzt sich aktuell EtherCAT als Führungskommunikation für die Feldebene weltweit durch. Auch die Prozesssteuerungen erfüllen besondere Anforderungen. So muss beim Bonding, die möglichst genaue Verbindung von zwei Wafern, eine Präzision von unter 100 Nanometern erreicht werden. Das ist nur möglich, wenn die Umgebungstemperatur wie bei Süss MicroTec Anlagen auf hundertstel Grad Celsius exakt gehalten wird.

Unterstützung durch Nationales Metrologieinstitut

Bei der Entwicklung neuer Systeme, die in Randbereiche der Physik vorstoßen wie Extreme Ultraviolett (EUV) Fotolithografie-Verfahren, bieten Universitäten und Institutionen wie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt als Nationales Metrologieinstitut Unterstützung. „Wir arbeiten seit 25 Jahren beispielsweise mit Carl Zeiss SMT und ASML an neuen Messverfahren“, beschreibt Dr. Frank Scholze, Leiter des PTB-Fachbereichs Radiometrie mit Synchrotronstrahlung, die Zusammenarbeit.

Die PTB entwickelt die Messtechnik kontinuierlich weiter. Das sichtbare Licht hat Wellenlängen von 400 bis 800 nm, EUV arbeitet aber mit elektromagnetischer Strahlung in einer Wellenlänge von 13,5 nm. Klassische Messmethoden versagen hier. Die PTB führt hochgenaue Messungen optischer Eigenschaften im EUV-Bereich durch und entwickelt im Wellenlängenbereich von 100 – 1 nm Verfahren, um Strukturen auf Fotomasken und Halbleiterwafern zu vermessen. „Erst die Entwicklung entsprechender Messtechnik, ermöglicht die Kontrolle über die Fertigung“, hebt Dr. Frank Scholze hervor.

Zukunftstechnologien verstehen!

Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!

 

Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".

 

Potenziale bei Photonik und durch EU Chip-Gesetz

Während bei der klassischen Halbleiterfertigung die Prozesse und Anlagen weitgehend standardisiert sind, bietet die Fertigung von Silizium-Photonik-Chips noch zahlreiche Einstiegmöglichkeiten. Bei diesen Chips werden die Informationen per Licht übertragen, das reduziert den Stromverbrauch um fast 50 Prozent. Für Branchenexperten steht die Fertigungsautomatisierung in Photonik dort, wo sie bei der Halbleiterindustrie vor 20 Jahren stand. Es gibt noch nicht die fest zementierten dominanten Ausrüster, vielmehr entwickeln gerade viele europäische Unternehmen aktuell innovative Fertigungslösungen.

Das sieht auch Dr. Scholze von der PTB so: „In der Photonik kommt vieles aus Europa.“ Eine besondere Herausforderung ist dabei die immer wiederkehrende Kontaktierung, das Alignment, der Ein- und Ausgänge mit einzelnen Glasfasern zu Testzwecken im dreidimensionalen Raum mit sechs Freiheitsgraden. Hier haben neue Positioniersysteme von PI den Zeitaufwand des Alignments von Minuten auf wenige Sekunden reduziert.

Entwurf, Herstellung und Packaging hochmoderner Chips

Ein weiteres Window of Opportunity ist das Europäische Chip-Gesetz. Die EU fördert massiv den Auf- und Ausbau der Innovationsfähigkeit in den Bereichen Entwurf, Herstellung und Packaging hochmoderner Chips. Ein Beispiel ist das Projekt 14ACMOS. Hier arbeitet auch eine ganze Reihe deutscher Unternehmen sowie das PTB daran, Lösungen für den nächsten 1,4-nm-Prozess-Technologieknoten zu entwickeln. 14ACMOS ist eines von vielen EU-Forschungsprojekten rund um die Halbleiter- und Photonikfertigung. Für Einsteiger in diese Märkte lohnt es sich, diese Projektreihe genauer anzusehen, um herauszufinden, wo 'der Schuh drückt' und eigenen Technologien Beiträge leisten können.

Die Ausrüstung der Halbleiterindustrie mit all ihren Teilmärkten spielt zurecht bei vielen Szenarien für neue Geschäftsmodelle eine herausgehobene Rolle. Der Einstieg ist sicher nicht einfach, aber bei entsprechender Vorbereitung und Ressourcen durchaus möglich. Auf der Autobahn der aktuellen Transformation kann es darum auch für Ausrüster und deren Komponentenlieferanten heißen: Nächste Ausfahrt Halbleiterindustrie.

überarbeitet von: Dietmar Poll

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