von Robert Wouters
LANDSBERG (pd). Die Offenheit von Ingenieuren gegenüber elektrischen oder pneumatischen Lösungen resultiert sicher aus einer Vielzahl von Forschungsprojekten rund um diese Fragestellung. Denn der Maschinenbau gilt an nahezu jeder wissenschaftlichen Einrichtung als mit am besten erforschte Disziplin. So sagt Dr. Steffen Ihlenfeldt, Abteilungsleiter Werkzeugmaschinen am Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz: „Für uns stehen bei der Frage der Antriebsauswahl die Kosten und die technische Machbarkeit im Vordergrund. Die Energie-Effizienz kann also nur mit der konkreten Aufgabe bewertet werden.“
Das sehen auch die großen Hersteller so. Manfred Schäfer, Leiter Vertriebliches Produktmanagement bei Rexroth, sagt: „Bei einem Vergleich elektrischer und pneumatischer Antriebstechnik steht für uns die Betrachtung der Vorteile für den jeweils speziellen Zweck im Vordergrund. Bosch Rexroth empfiehlt für eine Anwendung die jeweils am besten geeigneten Komponenten, um für den Anwender die optimale Lösung zu finden.“ Das ist auch bei Festo in Esslingen Stand der Dinge. Daniel Ditterich, Innovation and Technology Management unterstreicht: „Durch das Know-how für pneumatische und elektrische Antriebe kann Festo Kunden technologieneutral beraten. Die Applikation steht im Vordergrund. Und für eine optimale Lösung stehen pneumatische oder elektrische Antriebe nicht unbedingt in Konkurrenz, sondern sie können sich auch sinnvoll ergänzen.“
Höchst unterschiedliche Verbräuche in der Anwendung
Erleichtert wird die Auswahl, weil mittlerweile die Vorteile beider Technologien bestens erforscht und dokumentiert sind. Dazu Ihlenfeldt: „Die klassischen Einsatzkriterien der Pneumatik sind weg-, kraftgesteuerte oder Positionieraufgaben ohne Bahnvorgaben. Servopneumatische Achsen entfalten ihr Potenzial, wenn geringe Massen mit hohen Geschwindigkeiten zu bewegen sind. Elektrische Antriebe spielen bei Bahnbewegungen und interpolierenden Achsen ihre Vorteile aus. Sie erlauben hohe Dynamik bei enger Bahntreue und sind zu bevorzugen, wenn hohe statische und dynamische Steifigkeit gefordert sind.“ In der Anwendung ergeben sich aus dieser Unterscheidung höchst unterschiedliche Energieverbräuche. Daniel Ditterich: „Bei einer beispielhaft ausgewählten Anwendung ohne zusätzliche Prozesskraft verbraucht der elektrische Antrieb für die reine Bewegung nur etwa ein Drittel der Energie, die der pneumatische benötigt. Müssen die Antriebe hingegen eine bestimmte Kraft halten, steigt der Energieverbrauch des elektrischen im betrachteten Zyklus auf das 20-fache des pneumatischen Antriebs.“ Denn der pneumatische Antrieb kommt nach dem Druckaufbau während des Haltevorgangs ohne weitere Energiezufuhr aus.
Der elektrische Antrieb benötigt dagegen weiterhin Strom, um dauerhaft eine Kraft aufrecht zu erhalten. In der Praxis lässt sich dieser Sachverhalt vorteilhaft für die Automatisierung von Mehrachsportalen nutzen. Für eine Handlingsaufgabe hat Festo die X- und Y-Achsen aufgrund der benötigten Positionierbarkeit mit elektrischen Antrieben realisiert, während die Z-Achsen und das dazugehörige Front End (Greifer) auf kleinem Bauraum und mit hoher Leistungsdichte pneumatisch angetrieben werden. Mit EasyHandling verfolgt Rexroth eine ganz ähnliche Philosophie. Für die Realisierung von Linear- und Rotationsbewegungen und dazu benötigten Greiffunktionen werden elektrische Antriebstechnik und Pneumatik direkt miteinander kombiniert. Schäfer dazu: „Dadurch ergänzen sich die individuellen Vorteile der jeweiligen Antriebstechnik zur hinsichtlich Kosten und Performance vorteilhaftesten Lösung. Auch komplexe Handlingaufgaben lassen sich so am besten realisieren.“ Ein Technologievergleich kann aber nur auf Basis der Gesamt-Lebenskosten (TCO) erfolgen, die sowohl die Anschaffungskosten als auch den Energieaufwand berücksichtigen. Ihlenfeldt ergänzt: „Welche Antriebs-Technologie im Einzelfall die kostengünstigere Lösung darstellt, hängt auch hier von der Applikation und deren Komplexität ab. Die Frage ist also nicht pauschal zu beantworten.“ Für valide Aussagen müssen die Anschaffungskosten, die Kosten in der Betriebsphase – dazu gehören die Installation und Inbetriebnahme, die Betriebs-, Energie- und Servicekosten – sowie die aus diesen Kostenkategorien resultierenden Gesamtkosten ermittelt und berücksichtigt werden.
Das ist komplex. Um die für den Kunden wirtschaftlichste Lösung zu finden, setzt Festo Software-Tools ein, die sowohl eine optimale Auslegung als auch eine transparente Betrachtung der Kosten ermöglichen. „Anhand des Life Cycle Cost Calculators kann eine technologieneutrale Darstellung der Kosten über mehrere Jahre erstellt werden. Weiter lassen sich auch auf einfache Art und Weise Amortisationszeiten berechnen“, so Ihlenfeldt. Solche Tools sind mittlerweile bei vielen Antriebsherstellern und Forschungsinstituten im Einsatz, auch bei Rexroth. Und die leisten dann ebenfalls einen wichtigen Beitrag für eine objektive Diskussion, welche Antriebstechnik bei welcher Anwendung zu bevorzugen ist.
aus Produktion Nr. 27, 2013