Industrie 4.0 Icons inklusive AI und IoT

Die Kombination aus künstlicher Intelligenz und IoT, genannt AIoT (Artificial Intelligence of Things) hat in der Industrie ein großes Pootenzial. PRODUKTION erklärt, warum dem so ist und welche Vorteile die Kombination mit sich bringt. - (Bild: wladimir1804 - stock.adobe.com)

"Wir können doch nicht alles digitalisieren, nur damit es digitalisiert ist" oder "Die bringt sowieso nicht, was sie verspricht", sind immer wieder Kommentare, wenn es um die Digitalisierung geht. Ja, der digitale Zwilling, Predictive Maintenance, das Internet of Things und Künstliche Intelligenz mögen nicht das einzige Wahre sein - das Kerngeschäft bleibt das A und O - aber ohne digitale Geschäftsmodelle werden Unternehmen es zukünftig schwer haben.

Das weiß auch Christian Liedtke von Kuka: "Wir müssen über die Grenzen [des Kerngeschäfts] hinaus denken", so der Head of Strategic Alliances. "Wir werden den Kuka-Roboter zukünftig nicht mehr wettbewerbsfähig einfach nur als ein Stückchen oranges Metall verkaufen können, sondern wir müssen in den Prozess reingucken."

Dabei sei der Roboter natürlich ein Teilnehmer an dem Prozess, der Daten generiert und sammelt, aber eben nicht der einzige. Daher müssen Hardware-Hersteller den Kunden zusätzlich zum eigentlichen Produkt auch die Daten liefern und Systeme zu deren Auswertung. Diesen Transformationsprozess gelte es nun zu vollziehen.

Zukunftstechnologien verstehen!

Die Technik entwickelt sich so schnell weiter wie noch nie. Neue Technologien halten ständig Einzug in unserem Leben. Natürlich heißt das nicht, dass alte Technologien verschwinden werden, aber die Relevanz wird sich verschieben. Welche Technologien und Konzepte wichtiger werden, was der aktuelle Stand ist und worin Chancen für die Industrie liegen, lesen Sie in unserer Rubrik "Zukunftstechnologien" - hier entlang!

 

Einen Überblick über die relevantesten Zukunftstechnologien und deren industrielle Einsatzmöglichkeiten hat unsere Redakteurin Julia Dusold in diesem Kompendium für Sie zusammengefasst: "Das sind die wichtigsten Zukunftstechnologien".

 

Portrait von Christian Liedtke, Head of Strategic Alliances bei Kuka
Christian Liedtke ist Head of Strategic Alliances bei Kuka. - (Bild: Kuka)

"Wir müssen uns eben viel stärker in digitale Welten begeben", fordert Liedtke. "Das bedeutet nicht, dass sich die Betriebe von ihrem Geschäft komplett lösen sollen, aber es muss eben an entsprechenden Add-ons gearbeitet werden."

Die Notwendigkeit dessen sei an der aktuellen Lage in der Corona-Pandemie gut zu erkennen. Liedtke: "Wir können nicht mehr jeden Tag selbst in die Produktion reingucken, dort durchlaufen und durch Handanlegen Prozesse verbessern, sondern wir müssen tatsächlich Daten herausholen und dann aus dem Homeoffice daran arbeiten können. Das beflügelt natürlich die gesamte Situation und auch diesen Transformationsprozess."

Wo liegt das eigentliche Potenzial der Digitalisierung?

Seit Jahren vollführt die Industrie eine fast bedingungslose Effizienzsteigerung, woraus die vielen Initiativen rund um die Industrie 4.0 gewachsen sind. "In diesem globalen Wettrüsten, da galt Industrie 4.0 lange als eine Wunderwaffe", meint Liedtke. "Sie wirkt aber offensichtlich nicht so, wie besprochen. Jetzt stellt sich also die Frage: Wie bekomme ich das trotzdem hin?"

Das Stichwort ist eine ganzheitliche globale Optimierung. "Die Einzelelemente, also einzelne Maschinen oder einzelne Prozesse sind eigentlich schon ganz gut optimiert", so Liedtke. "Wo soll hier auch das Potenzial liegen? Die Leute, die da in der Fertigung tagtäglich daran arbeiten, die wissen, was sie tun. Das Potenzial liegt in der Verbindung dieser einzelnen Elemente und Prozesse. Dazu bedarf es einer ganzheitlichen globalen Optimierung."

Um eine solche ganzheitliche Optimierung zu erreichen, müssen Unternehmen in der Fertigung feste Prozessabfolgen aufbrechen und die Abfolge der Sequenzen anpassen. Ein Beispiel: Eigentlich steht in einer Fertigungslinie ein kurzer Prozess A an, der die Linie aber an einer bestimmten Stelle lähmt. Nun gibt es aber einen anderen Prozess B, der wartet, weil er kurz dieselben Ressourcen braucht, dann aber wieder unabhängig davon weiterlaufen kann. Dann ist es sinnvoll den Prozess B vorzuziehen und Prozess A warten zu lassen, um die für beide Prozesse benötigte Zeit zu reduzieren.

Diese Optimierungsmöglichkeit zu erkennen, ist aber häufig nicht einfach. Helfen kann dabei zum Beispiel die Verbindung von künstlicher Intelligenz mit dem Internet der Dinge.

Das bringt die Verbindung von künstlicher Intelligenz und dem Internet of Things in der Industrie

Die sogenannte AIoT (Artificial Intelligence of Things) kombiniert KI-Komponenten mit dem Internet of Things (IoT) und kann Prozesse stark verändern. Erste Anwendungen von AIoT zeigen, dass sich gerade mit feinen Justierungen einer Industrieproduktion enorme Potenziale heben lassen, um die Qualität der produzierten Güter und den Gesamtertrag zu steigern. Laut McKinsey ist mit AIoT eine Effizienzsteigerung von bis zu 30 Prozent möglich; laut IBM konnte beispielsweise ein europäischer Automobilhersteller so die Produktivität um 25 Prozent steigern und ein Elektronikhersteller die Arbeitskosten für die Qualitätskontrolle um 5 bis 20 Prozent senken.

Wie genau das funktioniert und warum gerade die Kombination aus KI und IoT so vielversprechend ist, wissen Experten des schwedischen KI-Spezialisten Sentian und der deutschen Kuka-Tocher Device Insight, die IoT-Lösungen entwickelt. Die beiden Unternehmen kooperieren, um AI und IoT zu vereinen und so die Smart Factory Realität werden zu lassen.

Mehr dazu, welche Technologien eine Smart Factory ausmachen und was die aktuellen Trends in diesem Bereich sind, lesen Sie übrigens in diesem Artikel: "Woraus die Smart Factory besteht und was aktuell dazu kommt".

"Wenn man sich die KI als Gehirn der Industrie 4.0 vorstellt, dann funktioniert das Internet of Things wie das Nervensystem im Körper einer Fabrik", verbildlicht Martin Dimmler, Business Development and Solutions Lead Cloud & AI bei Device Insight. Im Internet der Dinge werden also die Daten gesammelt und aufbereitet, die künstliche Intelligenz verarbeitet diese Daten und steuert den Prozess.

Was passiert im Internet of Things?

Portrait von Martin Dimmler von Device Insight
Martin Dimmler ist Business Development and Solutions Lead Cloud & AI bei Device Insight. - (Bild: Kuka)

Das IoT hat laut Dimmler zwei Aufgaben: Zum einen sammelt es mithilfe der Dinge Daten. "Diese so umständlich genannten Dinge, sind in unserem Kontext nichts weiter als verschiedene Sensoren - um Temperatur, Feuchtigkeit, Druck, Helligkeit und Vibrationen zu messen, aber auch um Geräusche oder visuelle Informationen, also Bilder und Videos, zu erfassen", erläutert Dimmler. "Darüber kann ich dann meine Prozess-Welt ganz gut wahrnehmen." Auch die Steuerung der Maschine selbst zähle zu den Dingen, denn sie liefere ebenfalls benötigte Prozesswerte.

Zum anderen ist da eben das Internet, über das die Daten mit Informationen angereichert werden. "Es reicht nicht, wenn ich nur die Sensorwerte als solche habe, sondern ich brauche weitere erklärende Informationen", so der IoT-Experte. "Diese bekomme ich zum Beispiel aus einem Warenwirtschaftssystem, in dem Materialeigenschaften hinterlegt sind, oder aus einem Service-Planungssystem, in dem Servicefälle dokumentiert sind. Und solche Systeme erreiche ich eben typischerweise nur effizient über das Internet."

Was macht die KI?

Wurden die Daten mit dem IoT gesammelt und angereichert, ist die künstliche Intelligenz am Zug. "Wenn man darüber spricht zu Industrie 4.0 künstliche Intelligenz hinzuzufügen, dann spricht man eigentlich darüber mehr Geschwindigkeit, Effizienz und Flexibilität zu ermöglichen", erklärt Martin Rugfelt, Gründer und CEO von Sentian. Daher ist der schwedische KI-Experte der Meinung, dass in 15 Jahren jeder Produktionsprozess an irgendeiner Stelle KI-Lösungen enthalten wird.

Dazu will auch Sentian beitragen. Das vier Jahre alte Unternehmen mit Sitz in Malmö/Schweden hat eine industriell nutzbare KI geschaffen, die nicht nur Vorhersagen über die Zukunft machen kann (zum Beispiel für Predictive Maintenance), sondern auch eine Simulation dieser Zukunft erstellt, anhand derer Prozesse angepasst werden können. "Dafür nutzen wir das neueste Gebiet des Deep Learnings, das sich Model-Based Reinforcement Learning nennt", berichtet Rugfelt. "Diese Methode erlaubt es uns Szenarien auszuwerten und die Einstellungen in sehr komplexen Umgebungen zu optimieren."

Die Kooperation mit IoT-Spezialist Device Insight soll nun dazu führen, dass Anwender einen praktischen Nutzen mit den zu AIoT kombinierten Technologien erzielen können.

Welchen Effekt hat die Kombination aus KI und IoT?

Die Experten von Sentian und Device Insight sind sich einig, dass optimierte Prozesse nur mittels Kombination der beiden Technologien zu AIoT möglich sind. "Das Gehirn, also die künstliche Intelligenz kann nur richtig arbeiten, wenn es Daten hat", begründet dies Rugfelt. "Und für diese Daten benötigen wir das IoT."

Dimmler ergänzt: "Nur wenn ich beide Systeme zusammenarbeiten lasse - sprich ich habe besonders gute Daten, in einer hohen Qualität und lasse sie mit modernen Maschinen-Learning-Methoden wie dem Reinforcement Learning zusammenarbeiten - dann kann ich wirklich das volle Potenzial ausschöpfen."

Da es dank AIoT möglich sei, sowohl das Internet of Things als auch die künstliche Intelligenz vollständig in den Prozess zu integrieren, kann laut Dimmler erstmals ein wirklich kontinuierlichen Lernprozess ermöglicht werden. "Und das nicht nur auf eine Maschine oder Fabrikhalle bezogen, sondern ich kann darüber hinausgehen und über mehrere Maschinen auf der ganzen Welt lernen", berichtet er begeistert. "Der Unterschied [zu bisherigen Lösungen] ist dann ungefähr so dramatisch, wie wenn Sie sich einen einzelnen Forscher vorstellen, der eingesperrt in seinem Keller nach dem Corona-Impfstoff forscht und dabei aber gegen hunderte oder tausende Forscher auf der ganzen Welt antritt, die alle mehr oder weniger in Echtzeit ihre Beobachtung und Ergebnisse teilen und gemeinsam eine Lösung entwickeln."

Portrait von Martin Rugfelt, Gründer und CEO Sentian
Martin Rugfelt ist Gründer und CEO von Sentian. - (Bild: Sentian)

Rugfelt kennt einige Anwendungsbeispiele und weiß daher, was die AIoT bewirken kann: "Sie kann den Energieverbrauch in der chemischen Industrie senken, den Abfall in der pharmazeutischen Industrie reduzieren, Schwankungen in der Papierproduktion bewältigen oder Produktionslinien in der diskreten Fertigung optimieren."

So konnte beispielsweise der deutsche Hersteller für Automations- und Sensortechnik Jumo den Anteil seiner Sensoren in der höchsten Qualitätsklasse um acht Prozent steigern. "Der Kunde hatte eine kleine aber signifikante Prozess-Schwankung und wir sollten in den Prozess künstliche Intelligenz einbringen, um zu sehen, ob wir eine Verbesserung erreichen können", beschreibt Rugfelt das Projekt. "Es gab verschiedene Herausforderungen: sehr wenige Daten, die Schwankungen haben sich mit der Zeit verändert und hatten verschiedene Ursachen. Dennoch konnte eine Verbesserung erreicht werden."

 

Ist AIoT auch etwas für den Mittelstand?

Die Aufgaben können also sehr komplex sein. Heißt das, dass die Umsetzung nur bei bestimmten Unternehmen glückt und die Anwender sich auf hohe Kosten einstellen müssen? Sentian und Device Insight wollen das so weit als möglich vermeiden und bieten sowohl technologische und methodische Lösungen an - je nachdem, was zum Anwender passt. "Wir haben auf der einen Seite fertige Produkte, die den Aufwand reduzieren und die Komplexität nehmen", so Dimmler. "Wir haben auf der anderen Seite aber auch erprobte Vorgehensmodelle und wissen wie wir Projekte bestmöglich angehen können."

Damit ist die Lösung nicht nur kapitalstarken Großunternehmen vorbehalten. "Wir haben schon mit kleineren und mittelständischen Unternehmen Projekte umgesetzt", berichtet der IoT-Experte. "Mit ganz kleinen Unternehmen ist es nicht möglich, denn ich benötige ein bisschen Kapital, um solche Projekte umzusetzen." Dank fertiger Bausteine seien die Investitionskosten aber sehr gering gehalten, sodass der Mittelstand sich solche Lösungen auf jeden Fall leisten könne.

Liedtke von Kuka ist sogar der Meinung, dass der Mittelstand am meisten von AIoT profitieren kann. "Tatsächlich glaube ich, die größten Erfolge in diesem Bereich feiert man im Mittelstand", kommentiert Liedtke. "Denn eine ganz wichtige Voraussetzung ist, dass ich offen bin für solche Technologien und daran glaube. Und dieses Mindset hat meistens tatsächlich der visionäre Geschäftsführer oder Inhaber eines mittelständischen Unternehmens. Der sagt: Ist mir egal, was das kostet, wir machen das jetzt!"

In großen Automobilkonzernen beispielsweise sei das Ganze meist viel zu kompliziert. "Die haben natürlich Heerscharen an Leuten, die sich damit professionell auseinandersetzen können und das auch ganz anders umsetzen können", sagt Liedtke. "Aber: Das Ganze geht durch drei Vorstandsrunden, dann werden 27 mögliche Anbieter zertifiziert und getestet und evaluiert und dann sind einfach zwei Jahre rum bevor man irgendwas getan hat." Im Gegensatz dazu würden im Mittelstand einfach die Ärmel hochgekrempelt und gemacht.

Daher sei es auch wichtig bei dem Einsatz von künstlicher Intelligenz und IoT nicht immer gleich nach den Sternen zu greifen, sondern zunächst klein anzufangen und die Lösungen sukzessive auszuweiten. Selbst wenn Pilotanwendungen schiefgingen, seien dies wertvolle Erfahrungen, an die dann eventuell später noch einmal angeknüpft werden kann.

Was sind die Herausforderungen bei der Umsetzung von AIoT-Lösungen?

Nicht gleich nach den Sternen greifen zu wollen, ist also gewissermaßen die erste Herausforderung bei der Implementierung von künstlicher Intelligenz und IoT. Doch es gibt noch einige weitere. 

"Die eine Herausforderung ist es, dass die Industrie Use Cases identifizieren muss, in denen sie [die AIoT] den meisten Wert schöpfen kann", stellt Rugfelt fest. "Das wurde bisher häufig noch nicht getan. Aber es steht außer Frage, dass KI bei den meisten der heute bestehenden Prozesse einen Mehrwert liefern kann."

Auch die Daten sind eine Herausforderung: "Viele Prozesse liefern einfach noch nicht ausreichend Daten", bemängelt Rugfelt. "Vor allem müssen diese nicht nur gesammelt, sondern eben auch gelabelt werden." Damit meint der KI-Experte die Verknüpfung der Daten mit zugehörigen Ergebnissen, also die bereits erwähnten Zusatzinformationen, die IoT-Lösungen eben liefern können.

Dass zu wenige Daten vorhanden sind bemängelt auch Liedkte und begründet dies folgendermaßen: "Leider sind viele der Maschinen in der Industrie noch gar nicht so angebunden, dass sie die entsprechenden Daten liefern können." Dimmler ergänzt: "Zum einen ist die Datenverfügbarkeit im Prozess als solches ein limitierender Faktor, zum anderen war in der Vergangenheit aber auch technisch schwierig an diese Daten zu kommen." Hier vollziehe sich aber momentan ein Sinneswandel bei den Herstellern von Maschinen- und Steuerungsherstellern, die sich bisher schwer damit getan haben, ihre Schnittstellen zu öffnen. Dass nun Industrie-Standards für Protokolle und ganze Architekturen geschaffen werden, kann dieses Problem aus der Welt schaffen und den Weg für künstliche Intelligenz und das Internet of Things frei machen.

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