Christian Drees.

Christian Drees, Vice President Purchasing Balluff Worldwide. (Bild: Balluff)

Welche Probleme gab es beim Einkauf ganz konkret?

Christian Drees: "Beim Einkauf traten eine Reihe von konkreten Problemen auf, die erhebliche Auswirkungen auf unsere Beschaffungsprozesse hatten. Zunächst waren massive Lieferprobleme aufgrund der Semiconductor-Allokation zu verzeichnen. Die Verfügbarkeit von Halbleiterkomponenten war stark eingeschränkt, was zu erheblichen Verzögerungen und Engpässen bei der Beschaffung von wichtigen Bauteilen führte.

Ein weiteres Problem war der Einsatz veralteter Halbleiter in einigen Produkten. Dadurch gestaltete es sich schwieriger, ausreichende Mengen dieser Komponenten zu beschaffen. Zusätzlich erschwerte der starke Single Source Bezug die Situation erheblich. Eine zu starke Abhängigkeit von nur einem Hauptlieferanten für entscheidende Komponenten machte die Lieferkette äußerst anfällig. Eventuelle Schwierigkeiten oder Engpässe beim Hauptlieferanten konnten so die gesamte Beschaffung beeinträchtigen.

Des Weiteren waren die globalen Lieferketten äußerst komplex, da Materialien und Komponenten aus verschiedenen Ländern und Regionen bezogen wurden. Dies machte den Beschaffungsprozess anfälliger für Verzögerungen und Unterbrechungen durch externe Faktoren wie Lockdowns, politische Unruhen oder logistische Probleme.

Zusätzlich lag der Fokus im Risikomanagement überwiegend auf Risiken mit mittleren Auswirkungen und hoher Wahrscheinlichkeit. Andere, seltener auftretende Risiken mit potenziell schwerwiegenderen Folgen wurden nicht angemessen berücksichtigt."

 

Christian Drees hält auf dem Maschinenbau-Gipfel einen Vortrag zum Thema: "Supply Chains unter Druck: Sourcing-Strategien neu gedacht". Mehr zur Veranstaltung erfahren Sie hier:

Deutscher Maschinenbau-Gipfel 2022
(Bild: mi-connect)

Deutscher Maschinenbau-Gipfel

Der Maschinenbau-Gipfel 2023 ist vorbei - hier können Sie die Highlights Revue passieren lassen:

 

Die Veranstalter des Maschinenbau-Gipfels, VDMA und PRODUKTION freuen sich, wenn Sie auch 2025 in Berlin dabei sind!

 

Hier geht es zur Website des Maschinenbau-Gipfels.

Was hat sich am Einkauf bei Balluff grundlegend geändert?

Drees: "Das Risikomanagement ist nun ein fundamental verankertes Element innerhalb der Materialgruppenstrategie und die Bewertung sowie der Fortschritt wird quartalsweise innerhalb des Managementreviews berichtet. Die Rolle des Lieferanten-Technologiemanagement wurde gemeinsam mit der Entwicklung intensiviert. Um sicherzustellen, dass wir auf der einen Seite abgesicherte Technologien/Bauelemente einführen und auf der anderen Seite in kein Abkündigungs- bzw. Versorgungsrisiko zu gelangen aufgrund der Nutzung veralteter Technologien.

Aktuell bauen wir insbesondere im Hinblick auf die weiterhin zu erwartenden Spannungen zwischen China und Taiwan eine Datenbank auf, zur transparenten Darstellung der Halbleiterlieferketten. Um proaktiv Maßnahmen zur Risikominimierung einzuleiten.

Für 2024 planen wir das Risikomanagement innerhalb des Projekteinkaufs bei Neuentwicklungen strategisch einzuführen. Eine Dual/Second Source Strategie unter Berücksichtigung der Rahmenbedingungen wurden pro Warengruppe aufgesetzt. Ebenso wurde die Einkaufsorganisation globaler aufgestellt und das Organisationsrisiko und die globale Präsenz in den Hauptbeschaffungsmarkten zu verbessern."

Inwieweit können Sie dadurch Risiken vermeiden?

Drees: "Obwohl es uns durch die ergriffenen Maßnahmen nicht möglich ist, sämtliche Risiken vollständig zu vermeiden, erzielen wir dennoch eine signifikante Reduzierung des potenziellen Einflusses auf unseren Geschäftsumfang. Diese Schritte gewährleisten, dass wir auch in Zukunft gegenüber unseren Kunden eine zuverlässige Lieferfähigkeit aufrechterhalten können."

Podcast: Angelika Bittner über Digitalisierung im Einkauf und Risikomanagement

Wer trägt die Kosten für das möglicherweise teurere Sourcing?

Drees: "Derzeit tragen wir alle Kosten. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass diese Investitionen in die Kommunikation und die umfassenden Maßnahmen zur Stärkung der Resilienz unserer Lieferketten und unserer gesamten Supply Chain uns Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Marktteilnehmern verschaffen werden. Ein Großteil der Sourcings, die wir im Rahmen der Regionalisierung durchführen, wird dabei unter Berücksichtigung der Total Cost of Ownership bewertet, wodurch die zusätzlichen Kosten innerhalb akzeptabler Grenzen gehalten werden.

Die erhöhte Resilienz und die Fokussierung auf die Gesamtkosten ermöglichen es uns, langfristig besser auf mögliche Herausforderungen einzugehen und einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil zu erlangen."

Ziehen Sie in Erwägung, die eigene Fertigungstiefe grundsätzlich zu erhöhen?

Drees: "In einigen Warengruppen haben wir gezielt die Fertigungstiefe erhöht, um die Lieferrisiken und die Komplexität der Lieferketten zu reduzieren. Dies ermöglicht uns eine zuverlässigere und effizientere Produktionsplanung und trägt dazu bei, mögliche Engpässe und Störungen in der Lieferkette zu minimieren. Auf diese Weise können wir eine höhere Lieferfähigkeit gewährleisten."

Können Sie durch gemeinsamen Einkauf mit anderen Unternehmen Skaleneffekte erzielen?

Drees: "Im Einkaufsnetzwerk findet ein umfassender Austausch über Lieferanten, Technologietrends und Markteinschätzungen statt. Trotzdem führen wir aufgrund der kartellrechtlichen Vorgaben keinen gemeinsamen Einkauf durch. Sowohl der Austausch und Vergleich innerhalb des Einkaufsnetzwerks als auch die aktive Teilnahme an Verbänden wie dem VDMA und BME werden von allen Teilnehmern als äußerst bereichernd und gewinnbringend wahrgenommen."

Hat der Einkauf durch die letzten drei Jahre eine Steigerung seines Stellenwertes erfahren?

Drees: "Ja, der Einkauf hat eine deutliche Aufwertung erfahren, und wir haben diese Gelegenheit genutzt, um den Einkauf zukünftig strategisch besser im Unternehmen zu positionieren und die Prozesse intern zu etablieren. Der Einkauf wird mittlerweile als Strategieträger innerhalb des Unternehmens wahrgenommen."

Mehr zum Thema Einkauf lesen Sie auf unserem Schwesterportal TECHNIK+EINKAUF!

Podcast: VDMA-Vizepräsident Kawlath zur Lage im Maschinenbau

(Bearbeitet von Sabine Königl und Anja Ringel.)

Sie möchten gerne weiterlesen?